Nach dem Holocaust war die transatlantische Sklaverei vom 16. bis 19. Jahrhundert der größte Zivilisationsbruch in der Geschichte der Menschheit. Heute ist unvorstellbar, dass es mehr als 300 Jahre lang für die Eliten in Europa, Nord- und Südamerika sowie der Karibik selbstverständlich war, Menschen als Handelsgut zu sehen und den Besitzer*innen der Versklavten zu gestatten, mit ihrem „Eigentum“ zu machen, was sie wollten.
Aber so einfach ist die Erzählung nicht. Von Anfang an haben sich die zu Sklav*innen gemachten Menschen gewehrt. Und Geschichte geschrieben, obwohl immer wieder versucht wurde, diese zu unterdrücken. Toussaint Louverture und seine Genoss*innen haben die Welt verändert, indem sie das erste Land der Karibik in einem langen Krieg (1791-1803) vom Kolonialjoch befreiten. Anton De Kom aus der niederländischen Kolonie Suriname hat die Lage der Versklavten beschrieben wie niemand zuvor. Aber wenig ist davon in Geschichtsbüchern zu finden. Wenig bis nichts darüber, dass in Afrika Menschen wie Tiere gejagt, gefangen genommen und an die Häfen der Küste getrieben wurden. Bereits diese Gewaltmärsche kosteten viele das Leben. Dann wurden sie – oft angekettet – auf den Unterdecks von Schiffen zusammengepfercht. Während der mehrwöchigen Überfahrten nach Nord- und Südamerika oder in die Karibik gingen viele Menschen elend zugrunde.
Das alles war das Vorspiel für den eigentlichen Zweck des Systems, nämlich die Versklavten in den von weißen Europäer*innen betriebenen Plantagen oder in Bergwerken als Zwangsarbeiter*innen schuften zu lassen, bis sie nicht mehr konnten. Viele versklavte Frauen und nicht wenige Männer erlitten zudem massive sexualisierte Gewalt.
Erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurden zunächst der Menschenhandel und dann die Sklaverei nach und nach in den verschiedenen Territorien Amerikas verboten, zuletzt 1888 in Brasilien. Trotzdem gibt es bis heute – teilweise sogar wieder zunehmend – vielfältige Formen von Zwangsarbeit (s. den Schwerpunkt der ila 379 „Sklavenarbeit heute“ vom Oktober 2014).
Die afroamerikanische Bevölkerung, also die Nachfahr*innen der Sklav*innen, blieben in den meisten Ländern ökonomisch und politisch diskriminiert, eine Unterdrückung, gegen die sie sich, wie schon ihre Vorfahr*innen, vielerorts organisieren und zur Wehr setzen. Deshalb geht es in diesem Schwerpunkt im weltweiten „Black History Month“, in dem 2023 der Schwarze Widerstand gewürdigt wird, auch um die Lage und die heutigen Kämpfe der Afroamerikaner*innen.
Seit einigen Jahren gibt es vielfältige Diskussionen darum, wie gesellschaftliche Hierarchien sprachlich ausgedrückt werden können. Auch in der ila gibt es dazu unterschiedliche Positionen. Konsens ist, keine Begriffe zu verwenden, die andere Menschen verletzen und herabwürdigen, etwa das N-Wort oder andere Begriffe, mit denen früher Schwarze und People of Colour bezeichnet wurden, außer wenn afroamerikanische Aktivist*innen sie bewusst verwenden, um auf Kontinuitäten im rassistischen Denken aufmerksam zu machen.
Diskussionsthema sind auch Überlegungen zur Schreibweise von Schwarz und Weiß. Klar ist, dass es weder Menschen gibt, die eine weiße noch solche, die eine schwarze Hautfarbe haben. Schwarz und Weiß sind also ideologische Konstrukte und soziale Kategorien. So legte etwa die erste Verfassung des freien Haiti aus dem Jahr 1804 fest, dass Weiße (Blancs) kein Land besitzen dürfen, betont aber, Polen und Deutsche seien keine Weißen. Darunter verstanden die damaligen afroamerikanischen Revolutionär*innen nur die, die am System Sklaverei partizipiert hatten. Diejenigen, die das nicht hatten, wurden nicht als Weiße gesehen.
Um die Künstlichkeit dieser Zuweisungen zu verdeutlichen, schlagen antirassistische Zusammenhänge vor, „weiß“ kursiv und „Schwarz“, auch wenn es adjektivisch gebraucht wird, groß zu schreiben. Viele Autor*innen dieser Ausgabe machen das so, andere finden diese Vorschläge nicht überzeugend. Deshalb haben wir diesmal – anders als sonst –
darauf verzichtet, auf eine Einheitlichkeit der Schreibweisen im Heft zu achten.
Wie immer wäre auch diese Ausgabe ohne starke externe Unterstützung nicht möglich gewesen. Diesmal geht unser besonderer Dank an Lutz Taufer, der uns zu dem Schwerpunkt angeregt und ihn maßgeblich mitkonzipiert hat