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Eine äußerst schillernde Persönlichkeit

Alfred Hübners beeindruckende Biographie des Schriftstellers Paul Zech
Gert Eisenbürger

In den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts erschien im S. Fischer Verlag die Taschenbuchreihe „Verboten und Verbrannt“, in der Romane und Erzählungen exilierter deutschsprachiger Autor*innen veröffentlicht wurden. Es waren nicht die geläufigen Namen wie Feuchtwanger, Seghers, Zweig oder Mann, sondern solche, die ich bis dahin nicht kannte, obwohl sie in der Weimarer Republik alle eine Rolle gespielt hatten. So fand ich Zugang zu einer Literatur, die mich bis heute nicht loslässt. Neben Alice Rühle-Gerstels „Hannah oder der Umbruch und die Freiheit“ (vgl. ila 442) und Hans Keilsons „Komödie in Moll“ faszinierte mich damals ein Buch besonders, „Deutschland – dein Tänzer ist der Tod“ von Paul Zech, eine packende Beschreibung des Widerstands zu Beginn der NS-Diktatur. Weil der Autor von 1933 bis zu seinem Tod im September 1946 in Argentinien lebte, besorgte ich mir weitere Romane aus seiner Exilzeit: „Michael M. irrt durch Buenos Aires“ und „Die Kinder vom Paraná“ habe ich später mit Interesse gelesen, wenn auch nicht mit der gleichen Begeisterung wie „Deutschland – dein Tänzer ist der Tod“.

Als ich in den 90er-Jahren für die ila-Reihe „Lebenswege“ Interviews mit antifaschistischen Emigrant*innen führte, habe ich diejenigen, die in Argentinien Zuflucht gefunden hatten, nach Ende der Aufnahmen stets gefragt, ob sie Paul Zech kannten. Sofern sie mit dem Namen überhaupt etwas anzufangen wussten, erinnerten sie sich, dass er mit dem Milieu der Emigration wenig zu tun hatte, bei den politischen und kulturellen Veranstaltungen im Arbeiterverein „Vorwärts“ oder der „Freien Deutschen Bühne“ nicht auftauchte. Auch seine im Exil entstanden Bücher, die nach dem Krieg überwiegend in der DDR erschienen waren, kannten sie nicht.

Nun hat Alfred Hübner eine umfangreiche Biografie Paul Zechs vorgelegt. Der Autor hat sich bereits vor Jahrzehnten in seiner Magisterarbeit und seiner Dissertation mit Zech beschäftigt. Auch während seiner Berufstätigkeit hat er nebenher immer weiter recherchiert. Das Ergebnis dieser lebenslangen Forschung hat er nun auf 935 Seiten (!) veröffentlicht.

Bei der Lektüre von Hübners Buch musste ich an Erich Loests Roman „Swallow, mein wackerer Mustang“ über den Schriftsteller Karl May denken. Als meine Mitschüler (nur die Jungs) in der fünften und sechsten Klasse die Bücher Mays verschlangen, konnte ich damit wenig anfangen, fand sie eher langweilig. Aber im Roman Erich Loests erlebte ich dann einen Menschen, der in seinem Leben lange nicht klarkam, es aber vermochte, sich in seiner Phantasie in fremde Länder zu versetzen und dort Personen zu „begegnen“, die Generationen von Jugendlichen fasziniert haben, obwohl (oder weil) die Geschichten des „Reiseschriftstellers“ Karl May reine Projektion waren und mit der Realität wenig bis gar nichts zu tun hatten.

Auch bei Zech gibt es Geschichten, die auf imaginierten Reisen basieren und auch er geriet auf die schiefe Bahn, wobei May mir nach der Lektüre des Romans von Loest durchaus sympathisch war, während Hübners Biografie in Bezug auf Zech den gegenteiligen Effekt hatte. Als ich allerdings erneut in einige Bücher Mays reingelesen habe, fand ich sie nicht mehr nur uninteressant, sondern auch zutiefst rassistisch. Dagegen lohnen verschiedene Bücher Paul Zechs auch heute durchaus die Lektüre.
Zech wurde in 1881 im westpreußischen Briesen (heute: Wabrzezno) geboren. Sein Vater übte das Seilerhandwerk aus, stellte also Taue und Seile her. Die Mutter brachte 22 Kinder zu Welt, von denen die meisten kurz nach der Geburt starben. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie waren extrem prekär, auch weil die Nachfrage nach handwerklich gefertigten Seilen infolge der industriellen Konkurrenz zurückging. Da das Essen nicht für alle reichte, wurde Paul schon als Kleinkind zu Verwandten gegeben. Die frühe Trennung von Eltern und Geschwistern hat seine psychische Entwicklung und soziale Kompetenz sicher nicht gefördert. Als Zehnjähriger kehrte er zu den Eltern zurück, schloss die Volksschule ab und begann eine Bäckerlehre. Die beendete er aber nicht, sondern haute von zu Hause ab. Über Danzig, wo er als Heizer auf einem Frachter anheuerte, landete er zunächst in Belgien. Dort schuftete er in Charleroi ein Jahr in einem Kohlebergwerk unter Tage. 1901 kam er 20-jährig nach Wuppertal.

Dort heiratete er 1904 die 18-jährige Helene Siemon, die von ihm schwanger war. In dieser Zeit arbeitete er als Konditor, hatte aber auch begonnen zu schreiben, sowohl Gedichte als auch Artikel für die Lokalpresse. Zusätzlich bildete er sich autodidaktisch weiter. Er las viel und fand ohne höhere Schulbildung und Studium nach wenigen Jahren Anschluss an die zeitgenössischen intellektuellen Strömungen und Debatten. Auch französische Sprachkenntnisse eignete er sich an, um die frankophone Literatur kennenzulernen. Bald fing er an, Rezensionen und Theaterkritiken zu verfassen, auch erste Gedichte wurden in Zeitungen veröffentlicht.

Als seine Texte Einnahmen abwarfen, beendete er seine Tätigkeit als Konditor und widmete sich ganz dem Schreiben. Das war keineswegs einfach, weil er inzwischen zweifacher Vater war und seine Familie unterhalten musste. Seine frühen Gedichte waren der Naturlyrik zuzuordnen, Zechs erste Vorbilder waren völkische Autoren (alles Männer). Aber bald wurden auch die Kohlegruben und Fabriken zum Thema seiner Lyrik. Literarisch interessierten ihn nun die Expressionist*innen, zu deren Repräsentant*innen er bald selbst zählte. 1912 zog er, ermutigt durch die aus Wuppertal stammende und in Berlin erfolgreiche Lyrikerin Else Lasker-Schüler, zunächst alleine (Helene und die Kinder kamen später nach), in die deutsche Hauptstadt. Dort tauchte er in eine boomende Literaturszene ein, konnte erste Arbeiten veröffentlichten und gab die kleine literarische Zeitschrift „Das Neue Pathos“ heraus, über die er mit Kolleg*innen aus Literatur und bildender Kunst in Kontakt kam.
Doch dann kam der Krieg. 1915 wurde er eingezogen und an die Westfront geschickt, wo Hunderttausende im aberwitzigen Stellungskrieg zu Tode kamen. Er selbst wurde 1916 verschüttet und schwer verwundet. Wieder genesen wurde er zur kulturellen Truppenbetreuung abkommandiert, dann im September 1918 zur „Militärischen Stelle des Auswärtigen Amts“ versetzt. Hatte er zu Beginn des Krieges wie viele Autor*innen noch patriotische Verse geschrieben, veränderten die Fronterfahrungen seine Einstellung grundlegend, was in zunehmend antimilitärischen Texten seinen Ausdruck fand.

Keine zwei Monate nach Zechs Ankunft in Berlin begann dort die Revolution, Arbeiter- und Soldatenräte waren kurzzeitig das Machtzentrum. Dann bildeten SPD und USPD eine provisorische Reichsregierung. Aus der „Militärischen Stelle des Auswärtigen Amts“ wurde der „Werbedienst für die deutsche sozialistische Republik“ und „Dr. Zech“ (wie er sich nun nannte) wurde zunächst ihr Stellvertretender, kurz danach ihr Leiter.

Der „Werbedienst“ produzierte 1918/19 in hohen Auflagen und von bekannten Künstler*innen gestaltete Plakate, Infoblätter und Broschüren, die für die Republik warben. Zech bekannte sich zur parlamentarischen Demokratie und polemisierte gegen die revolutionäre Linke, während diese auf Betreiben des SPD-Reichspräsidenten Friedrich Ebert und seines Reichswehrministers Gustav Noske, ebenfalls SPD, militärisch niedergemacht und ihre Köpfe Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht brutal ermordet wurden.

Als die revolutionäre Gefahr gebannt war, begannen die alten reaktionären Kräfte umgehend ihren vormaligen Partner, die SPD-geführte Reichsregierung, zu bekämpfen. Ins Fadenkreuz ihrer Angriffe gerieten bald auch der „Werbedienst“ und sein Leiter Paul Zech. Bereits ab April 1919 wurden die zunächst üppigen Zahlungen reduziert und die Publikationstätigkeit sukzessive eingeschränkt. Mit dem Ende des Jahres 1919 wurde der „Werbedienst“ aufgelöst und Zech entlassen.

Nun wieder ohne feste Einkünfte, versuchte er, sich und seine Familie als freier Autor durchzubringen. Da dies im Berlin der frühen 20er-Jahre schwierig war – die Wirtschaft lag darnieder und die Konkurrenz unter den Schreibenden war groß – gewöhnte sich Zech das an, was bis an sein Lebensende eines seiner Markenzeichen wurde und sein Verhältnis zu seiner Umgebung zunehmend erschwerte: Er schnorrte alle an, die ihm über den Weg liefen. In persönlichen Gesprächen und Hilfsersuchen an Institutionen stellte er seine finanzielle Situation stets dramatischer dar, als sie real war, und vermittelte allen, die ihn nicht unterstützten, sie seien unsolidarisch und asozial.
Literarisch ging es für den Autor in der Weimarer Republik zunächst aufwärts. Seine Gedichte wurden in Zeitschriften und dann auch als Bücher veröffentlicht, erste Prosatexte erschienen und einige seiner Theaterstücke wurden, allerdings mit mäßigem Erfolg, aufgeführt. Neben seiner Brotarbeit, dem Verfassen von Kritiken und Rezensionen, war er literarisch ungeheuer produktiv.

Auch wenn er als Autor durchaus geschätzt wurde, blieb ihm der große Durchbruch versagt. Das frustrierte ihn zunehmend und veranlasste ihn zu wütenden Attacken gegen alle, die seiner Meinung nach dafür verantwortlich waren: die Verlage, die zu wenig Werbung für seine Bücher machten und ihm zu wenig zahlten, die Zeitungen und Zeitschriften, die nicht genug über ihn berichteten, und die Bühnen, die seine Stücke ignorierten.

Dazu gab es immer wieder Affären um seine Person, vor allem Vorwürfe wegen falscher Angaben und Plagiaten. Wurde er deswegen angegangen, war er in Ausreden sehr kreativ, aber nicht unbedingt intelligent, da viele der Fake-News, die er zu seiner Herkunft, seiner Ausbildung oder seinem angeblich in den USA verliehenen Doktortitel machte, mit einiger Recherche widerlegt werden konnten, was seinem Ansehen keineswegs zuträglich war. Noch stärker schadeten seiner Reputation Plagiatsvorwürfe anderer Lyriker. Auch dagegen versuchte sich Zech mit unrichtigen Angaben zu verteidigen, vor allem mit der Behauptung, seine Texte seien lange vor denen der ihn beschuldigenden Autoren erschienen, und gab fiktive Erscheinungsorte und -daten an.

Zech verfügte zweifellos über eine enorme Phantasie. Er mag einige Verse anderer Autor*innen in seinen Gedichten übernommen haben (wobei Hübner nachweist, dass mindestens ein Plagiatsvorwurf unberechtigt und Zech der Bestohlene war), was er aber in weitaus größerem Umfang machte, war, eigene Texte anderen Autor*innen „unterzuschieben“. Zech betätigte sich nämlich auch als Übersetzer aus dem Französischen, was er bedingt beherrschte, und im Exil sogar aus dem Spanischen, was er sich konsequent weigerte zu lernen. So hat er etwa Gedichtsammlungen von François Villon, Louise Labé, Arthur Rimbaud oder Léon Deubel „übersetzt“ und herausgegeben. Meist stützte er sich dabei nicht auf die französischen Originaltexte, sondern auf schon vorhandene deutsche Übersetzungen, die er dann äußerst frei nachdichtete, so frei, dass sich für viele seiner Nachdichtungen in den Originalen keine Vorlagen finden, es sich also um originäre Texte Zechs handelte. Auch bei seiner im argentinischen Exil entstandenen deutschen „Übersetzung“ des Romans „Huasipungo“ des ecuadorianischen Autors Jorge Icaza, einem der Klassiker des lateinamerikanischen Indigenismo, hat er einige Kapitel hinzugefügt.

In der 1930 erstmals erschienenen Sammlung „Die lasterhaften Balladen und Lieder des François Villon“ stammte sogar die Mehrzahl der Gedichte nicht von dem französischen Dichter des Spätmittelalters, sondern von Zech. Dennoch wurde die Ausgabe, auch weil sie Klaus Kinski 1959 zur Basis eines auch auf LP erschienenen Rezitationsprogramms machte, in der BRD und der DDR mit mehr als 300 000 verkauften Exemplaren zu einem echten Bestseller (keines der sonstigen Bücher Zechs erreichte annähernd eine solche Auflage), obwohl mehrere textgenaue Übertragungen vorlagen. Aber die „Villon-Gedichte“ Zechs waren einfach derber, lustiger, spöttischer – und damit beliebter.

1925 erhielt Zech auf Vermittlung sozialdemokratischer Freunde seiner neuen Lebensgefährtin Hilde Herb (von seiner Frau Helene hatte er sich 1923 getrennt) eine Stelle als Hilfsbibliothekar bei der Berliner Stadtbibliothek. Er, der keinerlei bibliothekswissenschaftliche Ausbildung hatte (obwohl er das später immer behauptete), wurde mit der Aufgabe betraut, der Stadtbibliothek vererbte oder überlassene Privatbibliotheken zu katalogisieren und in den Bestand zu überführen. Dabei hat er sich großzügig selbst bedient, also viele Bücher, darunter wertvolle Erstausgaben, bevor sie aufgenommen wurden, entwendet.

Diese Diebstähle waren auch Hauptgrund dafür, dass Zech Deutschland im August 1933 verließ. Weil er als SPD-nah galt, verlor er im April 1933 seine Stelle in der Stadtbibliothek, war aber nicht unmittelbar gefährdet, als Oppositioneller festgenommen zu werden. Gefährlich waren aber die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen Fehlbeständen in der Berliner Stadtbibliothek, die schon vor der Machtübernahme der NSDAP begonnen hatten und sich im Verlauf des Jahres 1933 auf seine Person ausdehnten. Weil ihm Hausdurchsuchungen und sogar Verhaftung drohte, fuhr er im August 1933 über Prag nach Genua, wo er sich nach Buenos Aires einschiffte. Die Passage finanzierte ihm seine in Berlin zurückgebliebene Lebensgefährtin, die dafür ihren Schmuck verkaufte. In Buenos fand er zunächst Aufnahme bei seinem Bruder Robert, der dort schon seit Mitte der 20er-Jahre lebte.
In Argentinien suchte Paul Zech umgehend nach Publikationsmöglichkeiten. Da er es ablehnte, Spanisch zu lernen, blieben ihm nur die Blätter der rund 200 000 in Argentinien lebenden Deutschstämmigen und Deutschen, deren wichtigste das „Argentinische Tageblatt“ und die „Deutsche La Plata Zeitung“ waren. Letztere war, wie die große Mehrheit der deutschsprachigen Community (die meisten antifaschistischen und jüdischen Deutschen kamen erst ab 1938 nach Argentinien) pronazistisch eingestellt. Nur das von der aus der Schweiz stammenden Industriellenfamilie Alemann herausgegebene „Argentinische Tageblatt“ behielt seine liberale Orientierung bei und stellte sich entschieden gegen die Propaganda der nazideutschen Botschaft und der in Argentinien starken NSDAP-AO (Auslandsorganisation).

Bis 1935 brachte das Tageblatt regelmäßig Gedichte und auch journalistische Beiträge Zechs, bis er sich, wie schon zuvor mehrfach in seiner Berliner Zeit, mit dem Verleger überwarf. Danach wurde es sehr schwierig, etwas zu veröffentlichen, und erst recht, damit Einnahmen zu erzielen. Eine Erwerbsarbeit anzunehmen, wie andere Emigranten und vor allem Emigrantinnen das taten, kam für ihn nicht in Frage. Er nahm Kontakt zu Exilpublikationen in anderen Ländern auf. Im „Aufbau“ in New York, der „Internationalen Literatur“ in Moskau und der von Klaus Mann herausgegebenen „Sammlung“ in Amsterdam erschien einiges von Zech, aber Geld verdiente er damit kaum.

Auch mit den bald zahlreicher eintreffenden Flüchtlingen aus Nazideutschland und ihren Vereinigungen und Publikationen stand er nach kurzer Zeit auf Kriegsfuß und beschimpfte ihre Vertreter*innen. So sah er eine Verschwörung der Sozialdemokraten gegen ihn, die von drei Personen, Ernesto Alemann, August Siemsen und Felix Weil, ausginge. Alemann, weil er seine Texte nicht mehr im Tageblatt veröffentlichte, Siemsen, weil er und die von ihm geleitete Organisation und Zeitschrift „Das Andere Deutschland“ Distanz zu ihm hielten, und der reiche Mäzen Felix Weil, einfach nur weil der ihn nicht finanziell unterstützte. Sozialdemokrat war allerdings keiner der drei: Alemann war ein liberaler Unternehmer, Siemsen ein Linkssozialist, der mit der SPD gebrochen hatte, und Felix Weil war trotz seines Reichtums zeitweilig Repräsentant der Kommunistischen Internationale (Komintern) in Argentinien, was aber nicht bekannt war. In Deutschland hatte er den Aufbau des kritisch-marxistischen „Frankfurter Instituts für Sozialforschung“ finanziert sowie verschiedene Publikationsprojekte sowohl der KPD als auch der oppositionellen KPO unterstützt (vgl. ila 406).

Von den argentinischen Exilpublikationen zählte nur das zwischen 1941 und 1943 von KPD-nahen Emigrant*innen herausgegebene „Volksblatt“ Paul Zech kurzeitig zu seinen Mitarbeitern, bis er sich auch mit deren Redaktion überwarf. Danach polemisierte er auch gegen die Kommunisten, obwohl er vorher in durchaus regem Briefkontakt mit Johannes R. Becher gestanden hatte, der in Moskau die Zeitschrift „Internationale Literatur“ redigierte.
Lediglich mit den ab 1943 in Santiago de Chile erscheinenden „Deutschen Blättern“, die weitaus stärker literarisch-kulturell ausgerichtet waren als andere Exilzeitschriften, entspann sich eine mehrjährige Zusammenarbeit, die zwar keineswegs immer harmonisch war, aber letztlich bis zum Tod Zechs im September 1946 dauerte. Es ging vor allem auf die Initiative Zechs zurück, dass die „Deutschen Blätter“ die einzige deutschsprachige Exilzeitschrift war, die sich intensiver mit lateinamerikanischer Literatur beschäftigte und einige lateinamerikanische Prosatexte erstmalig in deutscher Übersetzung veröffentlichte, darunter die von Zech angefertigte Übersetzung einer Erzählung von Jorge Luis Borges. Bei seinen „Übersetzungen“ ließ sich Zech, der auch nach einem Jahrzehnt in Argentinien kein Spanisch sprach, die Texte von Bekannten (unter anderem seinem Hausarzt) grob übersetzen und machte daraus einen literarischen Text. Auch wenn den „Deutschen Blättern“ und Zech das Verdienst gebührt, die deutschsprachige Emigration mit lateinamerikanischer Literatur in Kontakt gebracht zu haben, erschien der erste Prosatext aus dem Subkontinent in einer anderen Exilzeitschrift: Die „Internationale Literatur“ in Moskau veröffentlichte bereits 1937 die Erzählung „Die Schulkinder“ (Los escoleros) von José Maria Arguedas, einem der wichtigsten lateinamerikanischen Erzähler des 20. Jahrhunderts und ganz sicher kein strammer Kommunist.

Bei all dem Kritischen, was in Hübners Biografie und auch in dieser Rezension über die Persönlichkeit Zechs und den Umgang mit seinen Zeitgenoss*innen (allein über die Instrumentalisierung der Frauen in seinem Umfeld ließe sich ein eigener Artikel schreiben) gesagt wurde, muss eines erwähnt werden, was vieles relativiert: Zech war zeitlebens ein psychisch äußerst labiler, ja kranker Mensch. Er war schwer depressiv, weswegen er immer wieder für Wochen oder sogar Monate abtauchte, oft in psychiatrischen Einrichtungen und „Sanatorien“ behandelt wurde. Er hat mindestens einen Selbstmordversuch unternommen und wenn er in Schreiben an Leute, die er um Unterstützung anging, immer wieder mit Suizid drohte, geschah das nicht nur, um Druck auszuüben, sondern er war eine reale Option.

Zudem kommt in den verbalen Ausfällen und Diffamierungen in Zechs Briefen immer die Wut des Underdogs gegen alle zum Ausdruck, die es einfacher hatten als er, die durch ihre Geburt in die Mittel- oder Oberschicht die Möglichkeit hatten, Schulen und Universitäten zu besuchen, was ihm verwehrt blieb. So erklären sich vielleicht auch seine Zerwürfnisse mit vielen seiner Weggefährt*innen, die es gut mit ihm meinten und ihn aufrichtig unterstützten. Zech war zwar zweifellos ungemein intelligent, kreativ und trotz fehlender Diplome sehr gebildet. Seine Tragik bestand darin, dass er darauf nicht stolz war und daraus ein Selbstbewusstsein bezog, sondern dass er immer „dazugehören“ wollte, sich dem Bildungsbürgertum andiente, selbst mit seinen frisierten Lebensläufen und erfundenen Doktortiteln, und um Akzeptanz buhlte, obwohl er dies nicht nötig gehabt hätte.

Alfred Hübners Arbeit zeichnet dieses schwierige Leben, den dauernden Kampf gegen innere und äußere Windmühlen, akribisch und, bei aller kritischen Betrachtung der Handlungen Zechs, mit

großer Empathie nach. Neben dem enormen Rechercheaufwand hat mich am Buch Hübners ganz besonders ein kleiner Nebenstrang beeindruckt, nämlich die Beschreibung des Leidensweges von Paul Zechs Schwester Ida. Die Frau, die lange als Dienstmädchen in Berlin gearbeitet hatte, im Zuge der Weltwirtschaftskrise arbeitslos geworden war und auf der Straße lebte, wurde im Dezember 1931 wegen ihres Angriffs auf einen Geliebten, der sie verlassen hatte, festgenommen. Die spontane Tat wurde zum Politikum, weil der Angegriffene der Fahrer des US-Botschafters in Berlin war und der Stein, den Ida Zech nach ihm warf, die Botschaftskarosse getroffen hatte. Nachdem sie in ihrer Vernehmung widersprüchliche und verwirrte Angaben gemacht hatte, wurde sie in die Psychiatrie eingewiesen. Behandelt wurde sie nicht, nur weggesperrt und ruhiggestellt. Nach der Machtübernahme der NSDAP wurde ihre Lage, wie die der meisten Psychiatriepatient*innen, immer schlimmer und bedrohlicher. Am 7. Februar 1940 wurde sie von den Nazis ermordet und teilte damit das Schicksal von 200000 weiteren psychisch kranken oder beeinträchtigten Menschen, die von den braunen Machthabern und skrupellosen Weißkitteln als „lebensunwert“ eingestuft wurden. Paul Zech hat sich für das Schicksal seiner Schwester nicht interessiert, Alfred Hübner sehr wohl.