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Die Entscheidung darf nicht ein paar Wissenschaftlern überlassen werden

Interview mit Fernando R. Funes-Monzote über Gentechnik in Cuba

Die Entscheidung Cubas, gentechnisch manipulierten Mais zuzulassen, hat zu internationalem Aufsehen geführt. Im letzten Jahr wurde auf 6000 Hektar gentechnisch modifizierter Mais ausgesät. Forschungsergebnisse zu den Wirkungen der Maissorten sind nicht öffentlich und somit bleiben die Risiken unklar. In Cuba fehlt bislang ein breiter gesellschaftlicher Dialog über die Gentechnik. Hierzu führten wir ein Interview mit Fernando R. Funes-Monzote, Mitherausgeber des ersten Buches in Cuba, das sich differenziert mit der Gentechnik in der Landwirtschaft auseinandersetzt.

Ute Evers
Werner Rätz

Wie ist es um die grüne Gentechnik in Cuba bestellt?

Es herrscht große Unklarheit über den Nutzen und die Risiken der Gentechnik für die Gesundheit der Menschen und der Umwelt. Und obwohl keine offene Debatte stattfindet, wird der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen vom Staat unterstützt, mit dem Argument, damit zur Versorgung der cubanischen Bevölkerung beizutragen. Trotzdem gibt es einige Themen, die man im Auge haben muss. Diejenigen, die von der Gentechnik überzeugt sind, sehen darin eine Art Wundermittel, um den Anbau von Lebensmitteln in Cuba zu gewährleisten. 

Der ursprünglich lediglich in cubanischen Labors angebaute genmanipulierte Mais breitet sich heute unkontrolliert auf der Insel aus. Neben Mais wird auch zu anderen Agrarprodukten geforscht: So gibt es genetische Veränderungen von Zuckerrohr, Kartoffeln, Bananen, Ananas, Reis, Tomaten, Kaffee, Papayas, Zitrusfrüchten und Soja. Die zwei gängigsten Modifikationen (Resistenz gegen Herbizide und Resistenz gegen Parasiten) finden sich auch im transgenen Mais, was durch die Kreuzung einer importierten transgenen Sorte mit einer cubanischen (FR-28) erreicht wurde.

Wer betreibt die Forschung?

Das Centro de Ingeniería Genética y Biotecnología (CIGB), ein wissenschaftliches Institut im Westen Havannas, das dem Staatsrat der Republik unterstellt ist. 

Gibt es gentechnisch veränderte Erzeugnisse, die bereits im Freiland ausgesät worden sind?

Im Jahr 2009 haben das Zentrum für Biologische Sicherheit, das Nationale Institut für Lebensmittelhygiene und das Landwirtschaftsministerium einer Ausweitung der Nutzung von transgenem Mais (FR-Bt1) zugestimmt, der nun auch unter freiem Himmel angebaut werden darf. Im letzten Jahr wurde auf 6000 Hektar gesät.

Sind in Cuba gentechnisch manipulierte Produkte für Menschen und Tiere bereits frei zu kaufen?

Nein, noch nicht, aber wir sind auf dem besten Weg dazu. Einmal ausgesät, lässt sich nicht mehr unterscheiden, welche Produkte transgen sind und welche nicht. 

Cuba kultiviert den Mais GV-FR-Bt1. Welche Eigenschaften hat diese Sorte?

Diese cubanische Maissorte ist in der Lage, das Gift Bacillus thuringiensis zu bilden, das die Maismotte abwehrt. Außerdem spaltet es das Ammoniumglufosatmolekül und toleriert somit Pflanzenschutzmittel wie Basta und Finalé. Cuba benutzt also für den cubanischen Mais die gleiche gentechnische Veränderung, mit der auch die transnationalen Unternehmen arbeiten.

Gab es vorher eine spezielle Forschung zur Sicherheit?

Scheinbar ja. Die Behörden für biologische Sicherheit und die entsprechenden Ministerien haben ihre Zustimmung angeblich auf Grundlage dieser Forschungen gegeben. Dennoch sind diese Forschungsergebnisse nicht öffentlich. Es gibt keinen öffentlichen (wissenschaftlichen) Beweis, der die Unschädlichkeit dieses Maises beweist. 

Wird das Aussetzen der gentechnisch manipulierten Pflanzen überwacht?

Die dafür zuständige Behörde ist das Centro de Seguridad Biológica, das dem Wissenschaftsministerium unterstellt ist. Es gibt aber keine unabhängige Bewertung und die Daten über die Experimente mit dieser Technologie, die vom CIGB durchgeführt wurden, werden nicht veröffentlicht. Es gibt viele Gerüchte über Fehlschläge, trotzdem dauert die Forschung bis heute an.

Wird die Kritik anderer Länder in Cuba berücksichtigt?

Ich weiß nicht, worauf Sie hinaus wollen. Bis jetzt ist mir nicht bekannt, dass andere Länder die Entscheidung Cubas, Gentechnik in der Landwirtschaft einzusetzen, kritisieren. Aber ich weiß, dass Personen, die mit progressiven Bewegungen in Verbindung stehen, über diese Entscheidung sehr besorgt sind. 

Es scheint, als ob die Ingenieure in Cuba auf die gleiche ideologische, kurzsichtige Weise argumentieren wie die globalen Unterstützer dieser Technologie. Welche Argumente haben die GentechnikbefürworterInnen in Cuba?

Dr. Borroto, Hauptbefürworter der Gentechnik auf Cuba, hat diesbezüglich gesagt: „Man müsste dumm oder lebensmüde sein, wenn man die Möglichkeiten der cubanischen Wissenschaft nicht nutzen würde.“ Dieser Mann glaubt an die Gentechnik als Lösung für den Hunger und die Versorgungsprobleme – weltweit und auf Cuba. 

Zu den gängigsten Argumenten gehört, dass wir ohne Gentechnik mit unserer landwirtschaftlichen Produktion zurückfallen und ineffizient sein würden. Außerdem könnten wir unsere Ernährungssicherheit nicht garantieren und müssten deshalb immer mehr importieren. Diese Sichtweise lässt völlig außer Acht, welchen Beitrag die bereits seit vielen Jahren erfolgreichen Konzepte und Techniken der Agroökologie auf Cuba leisten. Sie reden von Koexistenz. Sie sagen, dass diese Technologie keine Gefahr darstellt und die Bauern keine Probleme haben werden; Saatgut und Technologie würden garantiert. Sowohl die Herbizide als auch die Ernte- und Saatmaschinen würden zur Verfügung gestellt werden. Das konventionelle Modell, das in Cuba schon in der Vergangenheit versagt hat, wird wieder eingeführt. 

Es heißt auch, dass durch diesen Mais der Einsatz von Pestiziden verringert wird, da er resistenter gegen Insektenbefall ist. Deswegen erhöhe sich auch die Menge der Nützlinge und dies fördere somit die Biodiversität. Stellen Sie sich vor, auf einmal sind Monokulturen gut, und das, was wir nur allzu gut über deren ökologische Grenzen zu wissen glaubten, ist plötzlich nicht mehr wahr. Bei den Labor-Biotechnologen herrscht großes Unwissen über die ökologischen und sozialen Gegebenheiten in der Landwirtschaft. Wir sollen auch vergessen, was wir über den Einfluss der Herbizide auf die Bodenfauna wissen. 

Arbeiten die Ingenieure der Gentechnikindustrie mit anderen internationalen Netzwerken zusammen? 

Clive James von der ISAAA (International Service for the Acquisition of Agri-Biotech Applications) war Ende 2008 in Cuba und informierte die cubanischen Technologieförderer. Die Cubaner stehen außerdem in Kontakt mit Spezialisten von Monsanto und anderen nordamerikanischen Gentechnikunternehmen. 

Benutzen und kopieren die Ingenieure fremde Technologie, oder handelt es sich um komplett eigenständigen Anbau?

Die Technologie ist kopiert worden; die transgenen Produkte sind aus importiertem Saatgut gewonnen worden. Mir ist in diesem Zusammenhang keine Beschwerde von Monsanto gegenüber den cubanischen Behörden bekannt und ich kann mir nicht erklären, warum der Monsantokonzern nicht sein Urheberrecht geltend macht, so wie er das häufig mit anderen Ländern handhabt. 

Gibt es auch kritische Positionen? Wenn ja, wer äußert sie?

Im Bereich der Gentechnik herrscht großer Informationsmangel. Bisher gab es nie nationale Debatten, stattdessen ein allgemeines Entgegenkommen oder eine Akzeptanz gegenüber allem, was „von oben“ kommt. Das Interesse nimmt aber zu, angefangen bei Akademikerkreisen bis hin zu Agrarwissenschaftlern. Verschiedene Autoren haben ein Buch veröffentlicht, das zu einer offenen, nationalen, gesellschaftlichen und engagierten Debatte aufruft. Es ist ein kleiner Beitrag, doch sollte die Gesellschaft in die Diskussion einbezogen werden. Sie sollte wissen, was hinter ihrem Rücken läuft. 

Das Schicksal von Millionen von Menschen kann nicht in den Händen einiger Wissenschaftler liegen, die von der Gentechnik besessen sind. Und die politischen Machthaber sollten imstande sein, die kritische Lage zu erkennen und dementsprechend zu handeln. Die Risiken sind bekannt, es ist allerdings noch nicht bewiesen, dass diese Frankensteins („frankenstein-food“ ist ein im Englischen gebräuchlicher kritischer Begriff für genetisch veränderte Lebensmittel – d. Red.), die sie uns ins Essen stecken, kein Risiko tragen.

Gibt es öffentliche Plattformen, in denen kritische Debatten geführt werden können? Und wenn ja, finden sie womöglich nur unter Spezialisten und Wissenschaftlern statt?

Im Prinzip gibt es keine öffentlichen Debatten, weder im Fernsehen noch im Parlament. Aber intern, in der wissenschaftlichen Gemeinschaft, gibt es sie schon. In den letzten Wochen wurde aufgrund eines Artikels in der Zeitung Juventud Rebelde eine Diskussion auf der Internetseite Rebelión (www.rebelion.org) eröffnet.

Hast du negative Erfahrung mit den Gentechnikern auf Cuba gemacht? 

Neutrale Untersuchungen konnten nicht durchgeführt werden, und die CIGB kontrolliert die aktuellen Studien, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Es herrscht ein riesiger Mangel an Transparenz bei den Daten. Über die Einführung des genmanipulierten Maises herrscht völlige Unkenntnis. Es gibt keine Informationen, nur Kommentare und Anekdoten.

Ist es ein besonderes Problem, dass Cuba in der Antiglobalisierungsbewegung eine wichtige Rolle spielt, während die wiederum die Gentechnik ablehnt?

Diese Tatsache haben wir verurteilt. Ich persönlich denke, dass es viel mit dem Verlust der wahren Werte der Revolution zu tun hat. Wie können wir danach streben, die landwirtschaftliche Produktion zu demokratisieren, wenn wir gleichzeitig im Labor hergestellte Sorten durchsetzen? Vor allem wenn diese Sorten diejenigen verseuchen, die die Landwirtschaft Jahrhunderte lang aufrechterhalten haben. Bei der Handhabung der Gentechnik herrscht eine ideologische Sicht, die der Selbstverwaltung, der Innovation und der Fähigkeit der Bauern, ihre Gegenwart und Zukunft zu bestimmen, entgegensteht.

Die Fragen von Ute Evers und Werner Rätz hat Fernando R. Funes-Monzote per E-Mail beantwortet. Übersetzung: Frederik Caselitz / Oana Lefticariu

Literatur: Fernando R. Funes-Monzote, Agricultura con futuro. La alternativa agroecológica para Cuba, Matanzas 2009. Fernando R. Funes-Monzote und Eduardo F. Freyre Roach (Hrsg.), Transgénicos. ¿Qué se pierde? ¿Qué se gana? Textos para un debate en Cuba, Havanna 2009.