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Problem erkannt

Die Nutzung von Mais als Energiepflanze wird in Deutschland langsam zurückgefahren

Im Gegensatz zu weiten Teilen Lateinamerikas, aber auch Chinas, Indiens, Süd- und Ostafrikas, in denen Mais das Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung darstellt, ist der Verzehr in Deutschland nach wie vor von marginaler Bedeutung, und das obwohl die mittelamerikanische Kulturpflanze heute auf 2,6 Millionen Hektar, das sind 22 Prozent der bundesweiten Ackerfläche, angebaut wird und damit knapp hinter Weizen auf Platz zwei rangiert. Mais wird hierzulande vor allem als Futter für die Tierhaltung und seit Anfang der 2000er-Jahre vermehrt als Energiepflanze zur Erzeugung von Biogas angebaut. Wie es zu dieser Entwicklung kam, soll im Folgenden kurz umrissen werden.

Konrad Egenolf

Als eine von vielen exotischen Pflanzen brachte Christoph Kolumbus, von seiner ersten Entdeckungsreise zurückkehrend, den Mais bereits 1493 nach Europa. Nur wenige Jahrzehnte später gelangte dieser über die venezianischen Handelshäuser auch nach Süddeutschland. Zunächst nur als Zierpflanze genutzt, wurde sein hohes Ertragspotenzial bald erkannt und bereits im 17. Jahrhundert vereinzelt gärtnerisch für den Eigenverzehr angebaut. Dies war in Deutschland jedoch nur in milden Lagen möglich und auch dort reifte das tropische Gewächs nicht jedes Jahr rechtzeitig vor Herbsteinbruch vollständig. So verhinderte der hohe Wärmeanspruch des Maises einen großflächigen Anbau. Erste Bestrebungen, den Mais züchterisch an das hiesige Klima anzupassen, wurden zwar bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts unternommen, die landwirtschaftliche Kultivierung war aber weiterhin nur in begünstigten Regionen wie Baden möglich und so pflegte diese Kultur weiterhin lange Zeit ein Nischendasein.

Erst in den 1960er-Jahren gelang die Züchtung von Sorten mit geringerem Wärmeanspruch, die einen kommerziellen, großflächigen Anbau ermöglichten, der dann auch stetig zunahm, dies vor allem, weil sich Mais als Futtermittel schnell zunehmender Beliebtheit erfreute. Der mittelamerikanische Import überzeugte auf ganzer Linie: Sowohl Korn- als auch Biomasseerträge stellten alle anderen heimischen Kulturpflanzen in den Schatten. Die für Pflanzen aus subtropischen und tropischen Regionen typische C4-Photosynthese und eine damit einhergehende deutlich höhere Wassernutzungseffizienz (Gramm Biomasseproduktion pro Gramm Wasserverbrauch) erwiesen sich in trockenen Jahren als überaus vorteilhaft. Ähnliches zeigte sich bald für die Stickstoffnutzung, der Mais brauchte auf den Ertrag bezogen weniger Stickstoff als unsere heimischen Getreide. Darüber hinaus stellt Mais geringe Ansprüche an die Vorfrucht, bis hin zur Selbstverträglichkeit. Das bedeutet, dass Mais mehrere Jahre in Folge auf der gleichen Fläche angebaut werden kann, ohne dass es wie üblicherweise zu einem Ertragsrückgang kommt, eine Eigenschaft, die dem/der Landwirt*in eine flexiblere Fruchtfolgegestaltung ermöglicht.

Es verwundert also nicht, dass sich der Maisanbau seit den 1960er-Jahren rasant entwickelt hat. Beim Körnermais werden die reifen Kolben geerntet und das Korn an Schweine oder Geflügel verfüttert. Der reif geerntete Kolben kann aber auch als Ganzes gehäckselt werden. Dies wird als CCM (Corn-Cob-Mix) bezeichnet und zunehmend in der Schweinefütterung eingesetzt. Beim Silomais wird sogar die ganze Maispflanze, noch grün, siliert und ergibt ein energiereiches Futter, das in der Rinderhaltung zum Einsatz kommt. Die verstärkte Nutzung als Futtermittel führte zu einer ersten Boomphase, in der über 30 Jahre ein stetiger Anstieg des Maisanbaus verzeichnet werden konnte. Anfang der 1990er-Jahre war eine Anbaufläche von 1,5 Millionen Hektar erreicht, die dann für das nächste Jahrzehnt mehr oder weniger konstant blieb.

Die zweite Phase, in der sich der Maisanbau erneut massiv ausweitete, wurde mit der Novellierung des „Erneuerbare Energien Gesetz“ (EEG) im Jahr 2004 eingeleitet und führte in nur wenigen Jahren zu einer Erhöhung der Anbaufläche auf den heutigen Stand von 2,6 Millionen Hektar (davon 0,4 Millionen Hektar Körnermais und 2,2 Millionen Hektar Silomais). Mais ist nun nicht mehr nur Futtermittel, sondern auch Energiepflanze, die in Biogasanlagen zu Methan vergoren wird, welches im Blockheizkraftwerk verstromt werden kann. Die Gründe, warum sich Mais als vorherrschendes Substrat für den Betrieb von Biogasanlagen durchsetzt, sind dieselben, die Silomais zuvor zu einem beliebten Futtermittel in der Rinderhaltung gemacht haben: hohe Energiedichte und Energieertrag pro Hektar, gute Silierbarkeit, was eine Konservierung/Lagerung ermöglicht, sowie eine gute Verdaulichkeit (im Pansen des Rindes wie in der Biogasanlage).

Dass sich der ab 2004 massiv einsetzende Ausbau des Biogassektors überhaupt auf die direkte Verwertung von Energiepflanzen beziehungsweise Nawaros (Nachwachsenden Rohstoffen) fokussiert, ist aber auch die direkte Folge der im Rahmen des EEG veränderten Förderpolitik. War das explizite Ansinnen des im Jahre 2000 ursprünglich formulierten EEG eine energetische Nutzung von biogenen Reststoffen, sprich von Haushaltsabfällen und anderen organischen Abfällen aus der Lebensmittelindustrie sowie von Wirtschaftsdüngern aus der Landwirtschaft (Mist, Gülle, Hühnertrockenkot), so wurde mit Einführung des Nawaro-Bonus die direkte Vergärung von Energiepflanzen plötzlich wirtschaftlich attraktiv. Das Ergebnis war eine vollständige Neuausrichtung der Biogasbranche. Der Großteil der ab 2004 gebauten Biogasanlagen und damit das Gros der heute in Betrieb stehenden Anlagen wurde auf die Fermentierung von Energiepflanzen und damit de facto auf Mais ausgerichtet. Durch die höhere Energiedichte von Mais im Vergleich zu organischen Reststoffen oder Wirtschaftsdüngern konnten so weitaus höhere Methanerträge erzielt werden.

Das war politisches Programm. Der Ausbau der Erneuerbaren musste mit Tempo vorangetrieben werden und die Landwirtschaft sollte ihr Potenzial der Energieerzeugung aus nachwachsender Biomasse voll ausschöpfen. Wie begrenzt dieses Potenzial eigentlich war, wollte damals offensichtlich niemand sehen. Zudem hatte in Zeiten von Butterbergen, Milchseen und Stilllegungsprämien sicherlich manch ein*e Entscheidungsträger*in den irrigen Eindruck gewonnen, dass landwirtschaftliche Fläche im Überfluss vorhanden sei.

Dem war natürlich schon damals nicht so. Wie heute war Deutschland keineswegs selbstversorgend, sondern beispielsweise zur Deckung des Proteinbedarfs der heimischen Nutztierbestände auf erhebliche Sojaimporte aus dem Ausland angewiesen. Die Folgen für den brasilianischen Regenwald sind mittlerweile hinlänglich bekannt.

Die geschilderte Änderung des EEG im Jahre 2004 ist daher in zweierlei Hinsicht sehr bedauerlich, zum einen, weil der Anbau von Energiepflanzen unter dem Vorwand des Klimaschutzes weltweit den Druck auf landwirtschaftliche Nutzflächen erhöht hat. Anstatt den Anbau von Energiepflanzen anzustoßen, hätte man sich auch für die Ausweitung des heimischen Anbaus von Futterleguminosen (eiweißreiche Hülsenfrüchte wie Ackerbohnen, Lupinen u.a.) entscheiden und damit dem Ansturm auf landwirtschaftlich nutzbare Flächen in den Tropen entgegenwirken können (was in den ausgehenden 1990er-Jahren durchaus auch als Alternative diskutiert worden war). Zum anderen wurde durch die Ausrichtung auf Nawaros der Ausbau von Biogasanlagen zur energetischen Nutzung von Gülle ausgebremst. Dabei werden Treibhausgasemissionen durch die Vergärung von Gülle gleich doppelt eingespart, indem erstens über die Biogasanlage grüner Strom erzeugt wird und zweitens dadurch, dass die bei der Lagerung von Gülle kaum zu verhindernde Ausgasung von klimaschädlichem Methan in die Atmosphäre effektiv verhindert wird.

Ende der 2000er-Jahre taucht das Schlagwort „Vermaisung“ zum ersten Mal im öffentlichen Diskurs auf. Insbesondere die Naturschutzverbände beanstanden zu Recht die strukturelle Verarmung der Agrarlandschaft und die ausschließliche Konzentration auf wenige Kulturen, die erwiesenermaßen zu einem massiven Rückgang der heimischen Flora und Fauna geführt hat. In Regionen mit hoher Vieh- und Biogasanlagendichte ist der Maisanteil in der Fruchtfolge teilweise auf über 50 Prozent angestiegen. Nicht zuletzt der öffentliche Druck führt dazu, dass versucht wird, die früheren Fehler zu korrigieren. So wurde mit der EEG-Novelle 2009 durch die Einführung der Gülleprämie versucht, dem Trend zur einseitigen Nutzung von Energiepflanzen entgegenzusteuern. Biogasanlagen mit mehr als 30 Prozent Gülleanteil am Substrat werden zusätzlich gefördert. Da die Gülleprämie aber an den weiterhin bestehenden Nawaro-Bonus gekoppelt wurde, blieb der Anreiz zum verstärkten Energiemaisanbau de facto bestehen. So verdoppelte sich der Anteil des Energiemaises an der insgesamt relativ konstant bleibenden Maisanbaufläche in nur einem Jahrzehnt von damals 20 Prozent auf aktuell knapp über 40 Prozent.

Im Zuge der erneuten Novellierungen des EEG in den Jahren 2012 und 2014 wurde endlich reagiert: Zunächst wurde der sogenannte „Maisdeckel“ eingeführt, eine Regelung, durch die der Mais- und Getreideanteil am Biogassubstrat erstmalig begrenzt wurde und bis 2021 stufenweise auf 44 Prozent reduziert werden soll. Der Nawaro-Bonus wurde abgeschafft. Dafür werden nun wieder verstärkt kleine Biogasanlagen zur reinen Güllevergärung (>80 Prozent Gülleanteil am Substrat) oder Anlagen zur Bioabfallvergärung gefördert, also im Grunde das Biogasanlagenkonzept, das im ersten EEG zu Beginn des Jahrtausends vorgesehen war.

Rückblickend ist das Hin und Her in der Förderpolitik unverständlich. Der Stromerzeugung in Biogasanlagen wird zwar weiterhin eine gewisse Bedeutung für die Energiewende zugesprochen, weil sie im Gegensatz zu Wind und Sonne regelbar ist und so dazu genutzt werden kann, Flauten in den anderen Bereichen auszugleichen. Es ist aber auch klar, dass sie, was ihren Anteil am Strommix angeht, nur eine untergeordnete Rolle spielen kann. Die Flächeneffizienz ist letztendlich zu niedrig und kann, weil durch die pflanzliche Photosyntheseleistung begrenzt, auch nicht gesteigert werden. Aktuell beläuft sich die Stromerzeugung aus Erneuerbaren auf 244 TWh (2019), das entspricht einem Anteil von 42 Prozent am deutschen Strommix. Der Großteil dieser Energie wird durch Windkraftanlagen (52 Prozent) produziert, Sonne und Biomasse (Biogas und andere biogene Brennstoffe) tragen mit jeweils etwa 20 Prozent zum grünen Strom bei. Der Anteil des aus Biomasse gewonnenen Stroms sinkt damit seit seinem zwischenzeitlichen Höchststand von etwa 30 Prozent im Jahr 2009 kontinuierlich ab. Der derzeitige Ausbaukorridor für Wind, Sonne (jeweils 2500 MW/Jahr) und Biomasse (100 MW/Jahr) spiegelt diesen Trend wider und macht deutlich, wohin die Reise geht.

Es dürfte klar sein, dass Mais als Kulturpflanze nicht mehr aus der deutschen Agrarlandschaft wegzudenken ist. Der biogasbedingte Maisboom ist durch die jüngsten Anpassungen des EEG vorerst ausgebremst. Eine darüberhinausgehende Reduzierung der weiterhin hohen Anbaufläche zugunsten einer vielfältigeren und damit umweltverträglichen Landwirtschaft wäre dennoch allemal wünschenswert.

Konrad Egenolf ist Agrarwissenschaftler und Mitglied der ila-Redaktion.