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Nichts weiter als grüne Rhetorik

Der Auftritt Kolumbiens bei der UN-Klimakonferenz

In Kopenhagen zeichnete der kolumbianische Staatspräsident ein Bild von Kolumbien als eine Art Umweltparadies, dessen ausgedehnte Tropenwälder von indigenen und afrokolumbianischen BewohnerInnen geschützt werden und das lediglich vom Rauschgifthandel bedroht wird. Eine Vorstellung, die nicht viel mit der realen Situation zu tun hat. Tatiana Roa von der kolumbianischen Umweltorganisation Censat geht auf die Widersprüche zwischen offiziellem Kopenhagener Diskurs und kolumbianischer Realpolitik ein. 

Tatiana Roa

Kopenhagen ist vorbei und hinterlässt bei denjenigen, die an die Klimaverhandlungen geglaubt haben (die vor fast zwei Jahrzehnten in Rio de Janeiro initiiert worden waren), eine herbe Enttäuschung. Was sich in Kopenhagen ereignet hat, ist eine weitere Bestätigung für unsere Skepsis in Bezug auf derartige Anlässe. Aber warum kamen die Verhandlungen nicht voran? Welche Rolle spielte die kolumbianische Regierung beim Klimagipfel? Welche Erwartungen gibt es nach der UN-Klimakonferenz 2009, welche Sorgen wurden geweckt?

Nach mehreren Sitzungstagen endete die 15. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (COP 15) mit einer schwachen Vereinbarung, die am Ende des Gipfels von den USA präsentiert wurde und mit einigen Regierungen, darunter China, Indien, Brasilien und Südafrika, abgestimmt war. Die Kopenhagener Vereinbarung beinhaltet weder verbindliche Ziele noch Verpflichtungen. Das hat US-Präsident Obama vor einer Gruppe von JournalistInnen auch klar ausgedrückt: „Die Verhandlungen, die heute geführt wurden, verpflichten uns rechtlich gesehen zu nichts.“ So versetzte man dieser letzten Phase des Verhandlungsprozesses quasi den Gnadenstoß. Das unterstreicht auch, dass von Seiten der für den Klimawandel verantwortlichen Länder kein größeres Interesse daran besteht, die Veränderungen zu akzeptieren, die notwendig wären, um dieses globale Problem anzugehen. Im Gegenteil, es werden weiterhin falsche Lösungen propagiert, die sich auf die Kräfte des Marktes stützen und die Atmosphäre, Luft und Wälder zu einer Ware für „grüne“ Geschäfte machen. Das verleitet uns zu der Annahme, dass die Medizin vielleicht schlimmer als die Krankheit selbst sein wird.

Die offizielle Delegation Kolumbiens bei der UN-Klimakonferenz teilte diese Logik. Statt Initiativen zu zeigen, um die auf unserem Staatsgebiet schon spürbare Bedrohung aufzuhalten (Kolumbien ist wegen seiner Geographie, seiner Position am Äquator und seinen ausgedehnten Meeresküsten sehr verletzbar), optierte sie dafür, die vom Markt gesteuerten Mechanismen zu unterstützen. Die offizielle Position Kolumbiens passt sich dem dominanten Kurs an, um Zugang zu den Finanzfonds zu bekommen, die die Klimarahmenkonvention und das Kyoto-Protokoll vorsehen. 

Wie bei anderen Themen der lateinamerikanischen Politik auch nahm Kolumbien in Kopenhagen eine Gegenposition zu anderen Ländern der Region ein, die nicht nur deutliche Kritik an der merkantilen Sichtweise des Klimaproblems übten, sondern auch neue Vorschläge einbrachten, um es anzugehen: Ecuador mit der Yasuni-Initiative (vgl. Kommentar von Frank Braßel) und Bolivien, das die Anerkennung der Klimaschuld forderte und ein Tribunal für Klimagerechtigkeit vorschlug. Beides sind Ideen, die aus den Reihen der sozialen Bewegungen der beiden Andenländer kommen. 

Der kolumbianische Präsident Álvaro Uribe war einer von 15 Staatspräsidenten, die in Kopenhagen intervenierten. Er drückte Besorgnis über die Abholzung aus, die vom Rauschgifthandel verursacht wird, und mit einem „grün getönten“ Diskurs stellte er seinen Vorschlag von Waldhüterfamilien als Allheilmittel für die Bewahrung unserer Wälder vor. Er führte geschickt Zahlen an, die das Eigeninteresse unterstützten, und präsentierte Kolumbien als Umweltparadies auf dem Kontinent.

Bei seiner Rede hob er die weite Ausdehnung der Tropenwälder hervor, die Kolumbien besitzt (wir haben 606 304 km² Tropenwald) und vertrat die Meinung, dass über 40 Prozent des Staatsgebiets nicht kommerziell genutzt würden, weil es Kollektivland von indigenen und schwarzen Gemeinschaften sei. Das ist aber nur die halbe Wahrheit: In der Tat sind es die Auswirkungen seiner Politik, die nicht nur den traditionellen Lebensraum von indigenen und Afrogemeinden bedrohen, sondern auch die Autorität unterhöhlen, die die Verfassung eben jenen Gemeinden für die Selbstverwaltung ihres Kollektivlandes zuerkennt. 

Es bestehen also erhebliche Widersprüche zwischen dem Diskurs und der nationalen Realität. In den acht Jahren der Uribe-Regierung wurden die Flächen für Bergbau, Erdölförderung, Landwirtschaft und Viehzucht ausgeweitet – auf Kosten von bedeutenden Waldgebieten. Im Pazifiktiefland wurden durch Ölpalmplantagen für die Produktion von Agrodiesel weite Teile von artenreichem Regenwald zerstört. In der Karibik wird die Erkundung und Förderung von Erdöl in Betracht gezogen und auch in den Tropenwäldern der nördlichen Catatumbo-Region, im Amazonasgebiet, an der Pazifikküste und in anderen Landesteilen gibt es neue Erdölprojekte. Der Kohleabbau zerstört die letzten Wälder der Karibiksavannen. Die Konzessionen für den Abbau von Mineralien wie Gold und Silber werden auch für Forstschutzgebiete vergeben, wie es im Fall der Goldmine La Colosa im Ort Cajamarca geschehen ist. Die großflächige Land- und Viehwirtschaft wird weiter ausgedehnt, auch wenn dabei Tropenwald zerstört und Tausende von Kleinbauern und ihre Familien vertrieben werden. Des Weiteren werden Infrastrukturvorhaben in Urwaldgebieten gefördert, ein Beispiel dafür ist das Straßenbauprojekt im Darién-Gebiet an der Grenze zu Panama.

Mehr noch als die Rolle des Rauschgifthandels bei Abholzung und Entwaldung bereitet uns Sorgen, wie diese Regierungsprogramme der Besiedlung neue Möglichkeiten eröffnen, was die allmähliche Zerstörung unserer Wälder mit sich bringt. Auch gibt es bereits Stimmen lokaler Gemeinden, die kritisch vermerken, dass die Projekte zur CO2-Bindung in sog. Kohlenstoffsenken, die aus Baummonokulturen bestehen, weniger Nutzen als schwere Umweltkonflikte mit sich bringen. Die Einheimischen nennen sie „wahrhaft grüne Wüsten“. 

Die Rolle der offiziellen Delegation Kolumbiens blieb in Kopenhagen nicht unhinterfragt. Die Umweltorganisationen, die jeden Tag den „Fossil des Tages“-Preis vergaben, um anzuprangern, wer das Fortschreiten der Verhandlungen behinderte, zeichneten mit diesem Schmähpreis an einem Tag die kolumbianische Delegation aus. Gemeinsam mit den USA hatte sie es erschwert, mit der Vereinbarung über REDD weiterzukommen. REDD steht für Reducing Emissions from Deforestation and Degradation, die Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern. 

Die kolumbianische Delegation, die seit Dezember 2007 von Carlos Costa, dem derzeitigen Umweltminister, geleitet wird, legte den Schwerpunkt auf Themen, die mit Wäldern zu tun haben, sowie auf die Finanzierung von Abschwächungsmaßnahmen und die Einrichtung eines Anpassungsfonds durch die reichen Länder, um Aktionen in den sog. armen Ländern zu unterstützen. Kolumbien beantragte, eines der Pilotländer zur Anwendung der REDD-Strategie zu sein. Das Umweltministerium und seine Gruppe zur Abschwächung des Klimawandels kündigten einen Vorschlag an, der eine subnationale Durchführung sowie Einzelprojekte für den Emissionshandel einschließt.

Auf diese Art und Weise fördert Kolumbien die Finanzierung von REDD mit Marktmechanismen, stellt ein nationales Vorgehen in Frage und schlägt stattdessen vor, „subregional“ zu verfahren – mit dem Argument, dass auf diese Weise die Gemeinschaften, die in den Tropenwäldern leben, direkt die Mittel erhielten. Das Merkwürdige bei dieser Angelegenheit ist, dass das Interesse und die Sorge für die indigenen und Afrogemeinden nur in der Rhetorik der offiziellen Delegation bestehen. Eine Untersuchung über die Realitäten von REDD, die von der Global Forest Coalition durchgeführt wurde, bestätigt, dass die indigenen und Afrogemeinden gar nicht am nationalen Runden Tisch zum Thema beteiligt waren und beim Ausarbeiten von REDD-Politiken, -Programmen und -Projekten nicht mitwirkten. Die Ausgestaltung dieser Politik fand ohne die kolumbianische Gesellschaft statt, nur einige wenige Umweltorganisationen waren daran beteiligt. 

Es gibt zwei Marschrichtungen, um die Klimakrise anzugehen: eine, die uns der „grüne Kapitalismus“ vorgibt, den die Konzerne fördern, und eine andere Route, die der sozialen Bewegungen, die trotz der eisigen Kälte in Kopenhagen auf die Straßen gingen und forderten, „das System und nicht das Klima zu ändern“. Die starken Schneefälle in Europa und die Trockenzeiten, die unseren Teil des Planeten heimsuchen, sind Anzeichen dafür, dass uns die Natur große Veränderungen abverlangt, wenn wir uns als Gattung erhalten wollen. Die Entscheidung über unsere Zukunft liegt zweifelsohne in unseren Händen!

Tatiana Roa ist Mitglied der kolumbianischen Umweltorganisation Censat-Friends of the Earth. Spanische Fassung: http://censat.org/noticias/2010/1/26/Copenhague-un-nuevo-fracaso/ Übersetzung: Bettina Reis