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Fridísima

Ein wunderschöner Bildband zu Frida Kahlo in Kunst, Pop und Kitsch
Gaby Küppers

Erstanden habe ich sie auf dem zentralen Alameda-Platz in Mexiko-Stadt vor einem noch leeren Podest: Ohranhänger in Fußform mit dem Konterfei Frida Kahlos. Schön bunt, ein Kauf irgendwo zwischen Zeittotschlagen und Solidarität. Das Warten auf die Hauptrednerin, die damalige indigene Präsidentschaftskandidatin Marichuy, zog sich hin und beim Herumstehen fiel der Blick auf einen Stand voller Schmuck, Schals und Mützen, mit deren Verkauf Zapatist*innen die Bewegung finanzieren wollten.

Die Ohranhänger stellten sich als Hingucker heraus. An der Supermarktkasse, im Büro, am Bankschalter, immer zeigte jemand auf meine Ohren: „Das ist doch Frida Kahlo.“ War ich unfreiwilliges Mitglied eines Frida-Fanclubs? Ich erinnerte mich, dass seit Studienzeiten zwei Plakate mit berühmten Bildern Frida Kahlos jeden meiner Umzüge mitgemacht und einen Platz an irgendeiner Wand gefunden hatten. War ich in Wirklichkeit also uneingestanden Frida-Jüngerin?

Das fragte sich auch Gaby Franger, als sie merkte, was sich im Laufe eines guten Jahrzehnts an Frida-Reisemitbringseln angesammelt hatte. Frida-Souvenirs, Frida-Kuriositäten und Frida-Portraits auf allen möglichen Materialien im Wandel der Zeit. Warum Frida Kahlo? War das Kunst oder Kitsch?

Gaby Franger, Professorin und Ausstellungskuratorin, machte sich ans Werk, sortierte und interpretierte. Herausgekommen ist eine einzigartige Ausstellung zu Frida Kahlo, die ganz ohne ihre Werke auskommt. Stattdessen enthält sie unzählige Objekte, in denen die Legende Frida verarbeitet ist, gefunden oder gesehen (und fotografiert) von Santiago bis Chicago, von Kolumbien bis Köln.

Diese Ausstellung kann nun auf Wanderschaft gehen. Vorab aber ist sie zu goutieren in einem außergewöhnlichen Bildband, der so ganz anders ist als die vielen existierenden Frida-Kahlo-Bände. Auf dem Außendeckel Kostproben der auf knapp 200 Seiten gezeigten herrschenden Fridomanía, der Innendeckel im intensiven Blau der Außenwände der Casa Azul im Stadtteil Coyoacán der Hauptstadt Mexiko, in der Frida lebte und die heute ein Frida-Kahlo-Museum beherbergt. Dieses leuchtende Blau kennen alle, die je versucht haben, dieses Museum zu betreten. Stundenlang muss man sich an ihm entlangschieben, bevor man endlich inmitten von Tourist*innenschwärmen aus China bis Kanada bis zur Einlasskasse vorgedrungen ist.

Warum ist Frida Kahlo so grenzenlos beliebt? Schon zu Lebzeiten Ikone, war sie eine Meisterin der sorgfältigen Selbstinszenierung, gelebtes Kunstwerk, Symbolfigur für in Kunst verwandelten Schmerz und tatsächlich erfahrenes Leid – Kinderlähmung als Mädchen, Straßenbahnunglück als Jugendliche, lebenslange Korsettträgerin. Und sie ist bis heute die Verkörperung schlechthin von Rebellion, Revolution und Freiheit. Frida Kahlo und ihr Gefährte Diego Rivera waren zeitlebens Teil der politischen und künstlerischen Avantgarde, Leo Trotzki, André Breton oder Tina Modotti zählten zu ihrem Freundeskreis.

Der Bildband zeigt Fundstücke aus allen Epochen. Er macht explizit keinen Wertunterschied zwischen hoher Kunst und Kunsthandwerk. Gaby Franger erklärt, warum Avantgarde und Volkskunst kein Gegensatzpaar sein müssen. Volkskunst, sagt sie, dekoriert Alltagsgegenstände, zitiert dabei hohe Kunst und beeinflusst diese wiederum. Und anders als Elitekunst entzieht sie sich der Funktion als Spekulationsobjekt und Geldanlage.

Frida Kahlo selbst hat ausdrücklich und vorurteilslos Elemente der mexikanischen Volkskunst in ihrem Werk verarbeitet. Und so machen es all die, welche die schöne Frida mit den zusammengewachsenen Augenbrauen, ihr Werk oder ihren Mythos in Tonfiguren, Umhängetaschen, Trinkbecher oder Sofakissen verwandeln und damit Käufer*innen anziehen. „Naja“, möchte man bei manchem Objekt sagen, oder auch: „Ein wahres Kunstwerk.“ Beides wird dem Phänomen nicht gerecht, das zeigen Gaby Frangers spannende Begleittexte. Es braucht den umgekehrten, ja feministischen Blick, um die Wechselwirkung zwischen Eindruck und Ausdruck zu erfassen und bei Kategorisierungen der Kunst in hoch und niedrig schlicht mit den Achseln zu zucken.

Übrigens, meine Ohrringe sind im Band nicht abgebildet. Fridolatría ist eben ohne Ende.

 

Gaby Franger: Frida Pop (deutschsprachig), Tara Books, UK 2018, 193 Seiten, 37 Euro. Zu beziehen über: www.tarabooks.com oder im Buchhandel (Vertrieb in Deutschland: Runge). Über tarabooks.com kann auch die englischsprachige Ausgabe bezogen werden, die unter dem Titel „Frida Folk“ erschienen ist.