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Eine tödliche Lösung

Buchbesprechung: Biotreibstoff, eine Idee wird zum Bumerang
Eduard Fritsch

Mit dieser einschlägigen Überschrift eines Artikels aus dem Guardian vom 17. März 2007 und dem genauso klaren Urteil „Verbrechen gegen die Menschheit“, das der damalige UN-Sonderbeauftragte für das Recht auf Ernährung, Jean Ziegler, ebenfalls 2007 fällte, macht der Autor gleich in der Einleitung zu dem hier besprochenen Band klar, was er von den biofuels, die wir Agrotreibstoffe nennen, hält. James Smith ist Professor für Afrika- und Entwicklungsstudien an der Universität von Edinburgh, weshalb seine Beispiele und Fakten überwiegend aus Afrika stammen. Hier wütet der Agrotreibstoff-Komplex aus transnationalen Konzernen und den Regierungen der Metropolen, einschließlich Brasilien, Indien und China, besonders heftig.

Da der Anbau von Agrotreibstoffpflanzen viel Land braucht, ist der Boom dieses Industriezweiges konstituierend für das internationale Landgrabbing. Eingangs stellt der Autor unter anderem die Frage, weshalb so viel investiert wird in den Wechsel der Landnutzung von Nahrung auf Treibstoff, wo das Potenzial und die Effizienz der Agrotreibstoffe doch so gering sei, bedürfe es doch z. B. der gesamten Vegetation der Vereinigten Staaten, um auch nur ein Drittel des jährlichen US-Energiebedarfs zu decken, und die Effizienz der Umwandlung von Sonnenenergie in Kohlehydrate liege bei den leistungsfähigsten Nutzpflanzen Europas gerade mal bei zwei Prozent. Die Antwort findet James Smith in den Ölkrisen, im Klimawandel – und in den hohen Gewinnaussichten der Multis, der Ölkonzerne, Autohersteller, des Agrobusiness und der Chemiekonzerne.

Tatsächlich hat die erste Ölkrise von 1973 in Brasilien zum PROALCOOL-Programm geführt, in das von 1975 bis 1989 fünf Milliarden US-Dollar investiert wurden. Die Ersparnisse durch vermiedene Erdölimporte sollen im selben Zeitraum ca. 25 Milliarden US-Dollar ausgemacht haben. Das brasilianische Agroethanol-Programm gilt bis heute als Erfolgsmodell, als „Beispiel für einen sinnvollen Einsatz der Agrotreibstoffe“ (taz-Rezension vom 9./10.Februar 2013). Das räumt der Autor ein, benennt aber auch die Grenzen des Modells. Zurzeit werden auf acht Millionen Hektar Agrotreibstoffpflanzen angebaut. Wegen der anhaltenden Profitabilität soll die Produktion bis 2020 verdoppelt werden. Dafür muss nicht nur Ackerland umgenutzt, sondern auch die Agrarfront in das Amazonasbecken vorgeschoben werden. Dann wäre es mit der positiven Klimabilanz vorbei. Durch den Anbau von Zuckerrohr für die Gewinnung von Agroethanol kann Brasilien in vier Jahren die vorausgegangenen Kohlendioxyd-Emissionen neutralisieren. Um aber den Treibhausgaseffekt zu kompensieren, den das gleichzeitige Vordringen der Viehzüchter in den Regenwald hat, bedarf es weiterer 45 Jahre.

Den Ökobilanzen, die so tun, als ob Land für den Anbau von Agrotreibstoffen vorher brach gelegen hätte, widmet James Smith ausführliche Passagen seiner Untersuchung. Und er stellt fest, dass die Berechnungen des Kyoto-Protokolls fehlerhaft sind, weil sie das Kohlendioxyd, das bei der Verbrennung von Agrotreibstoffen entsteht, und die Emissionen beim Nutzungswechsel nicht berücksichtigen. Der Autor kommt zum Schluss, dass der Prozess, den er beschreibt und analysiert, von der lokalen Nahrungsmittelproduktion zur globalen Agrotreibstoffproduktion, von einer kleinteiligen Landwirtschaft zu einem Plantagensystem, und von lokalen Bedürfnissen zu globalen Prioritäten führt, und es dabei darum geht, die Produktions- und Konsumgewohnheiten und die Macht der Eliten aufrechtzuerhalten. In diesem Sinne wird nicht nur ein falsches Gefühl von Nachhaltigkeit erzeugt und suggeriert, wir könnten im alten Stil weitermachen, sondern es werden, was noch perverser ist, jene für die Kontrolle des Treibhausgasausstoßes verantwortlich gemacht, die ihn kaum verursacht haben. 

Diese „Globalisierung des Risikos“, wie es im Titel des englischen Originals heißt, „ist ein Echo der Vergangenheit, der durch den Kolonialismus geschaffenen Verhältnisse.“ „Im Grunde geht es um die Zukunft der Vergangenheit.“ Der Autor der zitierten taz-Rezension moniert das Fehlen einer Alternative in James Smith' Buch. Das stimmt nicht ganz. Er beschreibt den Jatrophaanbau in Mali, bei dem bäuerliche Genossenschaften den Treibstoff in elektrische Energie für Licht und Wasserpumpen verwandeln, wenn auch mit einem Fragezeichen versehen, als eine Lösung im kleinen Maßstab. An anderer Stelle fordert er ein Moratorium, weil für ihn eindeutig ist, dass die Schäden, die der Anbau von Pflanzen für Agrosprit verursacht, die Erfolge bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen übersteigen. 

James Smith, Bio-Treibstoff – Eine Idee wird zum Bumerang, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2012, 144 S., 15,90 Euro