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Militärputsch in Honduras

Die Vorgeschichte

Während des Layouts dieser ila erreichte uns die Nachricht vom Militärputsch in Honduras. Heute, am 1. Juli, dem Tag der Fertigstellung dieser Ausgabe, ist die Lage völlig offen. Wenn das Heft Mitte Juli in den Briefkästen unserer AbonnentInnen liegt, wird wahrscheinlich klar sein, ob sich die Putschisten erstmal halten können oder ob Präsident Zelaya wieder in sein Amt zurückgekehrt ist. Wir haben kurzfristig ein kleines Dossier zusammengestellt, das unabhängig vom Ausgang des Konfliktes dessen Hintergründe beleuchtet: Ina Hilse stellt die Vorgeschichte des Putsches dar, Bettina Reis hat einen Kommentar des argentinischen Politikwissenschaftlers Atilio Borón übersetzt und Gert Eisenbürger sprach mit dem in der BRD lebenden honduranischen Ökonomen und Aktivisten Pedro Morazán.

Ina Hilse

Bei seiner Regierungsbildung 2006 scharte Präsident Manuel „Mel“ Zelaya von der Liberalen Partei Leute aus der Widerstandsbewegung der 80er Jahre um sich und gab sich dadurch einen linken Anstrich. Doch die Distanz zu den traditionellen Machtgruppen, ohne dabei einen eindeutigen Bezug zur Basis zu haben, hat seine Regierung von Anfang an geschwächt.

Auch in seiner eigenen Partei konnte er nur auf die Unterstützung einer kleinen Gruppe zählen; deshalb suchte seine Regierung die Nähe zu zivilgesellschaftlichen Gruppen wie z.B. Menschenrechtsorganisationen. Der Regierungspalast wurde für bestimmte Sektoren der Gesellschaft geöffnet, die nun eine Art Regierungskontrolle durchführen konnten und von den höchsten StaatsfunktionärInnen die Einhaltung ihrer Rechte einforderten.

Im Kongress wiederum hat nur eine kleine Gruppe von Abgeordneten seine Gesetzesprojekte und Initiativen unterstützt. Durch verschiedene Maßnahmen im Laufe seiner Regierungszeit hat er sich nicht unbedingt FreundInnen in der Oligarchie gemacht: Steuerflucht wurde stärker verfolgt als vorher; das Monopol auf die Einführung von Benzin wurde aufgehoben, der Import von Waffen und Medikamenten, an dem sich ein großer Me­dieninhaber in den letzten Jahren sehr bereichert hatte, wurde unterbunden.

Auch in der Außenpolitik wurde die Linie geändert: Während die bisherigen honduranischen Regierungen immer treu an der Seite der USA standen, hat sich die Regierung Zelaya stärker den neuen „linken“ Regierungen aus Lateinamerika angenähert.

Im Laufe des Jahres 2008 regte die Regierung weitere Vorhaben an, denen die Mehrheit der Abgeordneten im Kongress nicht zustimmte: Die Änderung des Wahlgesetzes, die bedeutet hätte, dass die Parteien dauerhaft aus dem Staatshaushalt finanziert würden, wurde verhindert. Auch bei der Besetzung der RichterInnen für den Obersten Gerichtshof widersetzte sich Zelaya den Personalvorschlägen der alten Elite. Dieser Konflikt spitzte sich bei der Besetzung des Amts des Generalstaatsanwaltes zu.

Hinzu kam, dass der Mindestlohn beträchtlich erhöht wurde, was den großen UnternehmerInnen überhaupt nicht gefiel. All diese Maßnahmen brachten eine Verschiebung der alten Trennlinien zwischen der Nationalen und der Liberalen Partei mit sich: Nun wandten sich beide Parteien gegen den Präsidenten, um die Interessen der Oligarchie zu wahren.

Für den 28. Juni 2009 war eine Volksbefragung geplant, bei der entschieden werden sollte, ob am Wahltag am 29. November nicht nur die drei Urnen für die Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen aufgestellt werden, sondern auch darüber abgestimmt werde, ob eine Verfassunggebende Versammlung einberufen wird. Vordergründig wurde die Notwendigkeit einer neuen Verfassung mit der Suche nach einem neuen, auf mehr Partizipation beruhenden Modell begründet. Maßgeblich dürfte jedoch das Interesse gewesen sein, Präsident Zelaya eine weitere Amtszeit zu ermöglichen. Dies lässt die aktuelle Verfassung nicht zu.

Gegen diesen Vorschlag ist eine millionenschwere Kampagne gestartet worden, um das Vorhaben als illegal zu brandmarken; dabei wurden sowohl juristische Argumente ins Feld geführt als auch Parolen wie „Dir werden alle Besitztümer weggenommen werden“ benutzt. Dass eine Verfassungsänderung neben der erstrebten zweiten Amtszeit für Zelaya nicht zu einer wirklichen Änderung der Machtverhältnisse, zu mehr sozialer Gerechtigkeit und einer Reform des nicht funktionierenden Rechtssystems geführt hätte, war in der scheinbaren Kontroverse der politischen Kaste nicht relevant.

In den Tagen vor der consulta popular spitzten sich die Ereignisse zu: Mel Zelaya setzte am 24. Juni den Generalstab der Streitkräfte ab und stieß damit die Militärs vor den Kopf. Eilige Treffen mit den Spitzen des Heeres folgten, der Kongress deklarierte sich in „permanenter Sitzung“.

Am 28. Juni wurde Mel Zelaya früh morgens – im Schlaf­anzug – nach Costa Rica entführt. Über die wenigen noch funktionierenden – den Putsch unterstützenden – Medien wurde verbreitet, er sei zurückgetreten. Roberto Micheletti, Präsident des Kongresses, wurde als Interimspräsident eingesetzt und bildete am folgenden Tag bereits ein neues Kabinett. In den Straßen der großen Städte Tegucigalpa und San Pedro Sula demonstrierten trotz starker Militärpräsenz AnhängerInnen Mel Zelayas. Die Gewerkschaft der LehrerInnen rief einen unbefristeten Streik aus, von Straßensperren wird berichtet. Inzwischen haben die meisten lateinamerikanischen Staaten und die US-Regierung erklärt, Zelaya sei weiterhin der Präsident von Honduras. Neun lateinamerikanische Länder zogen ihre BotschafterInnen ab, die Anliegerstaaten schlossen die Grenzen zu Honduras.

Die Stimmung in Tegucigalpa ist sehr angespannt und die Informationslage durch die Nachrichtensperre schlecht. Bei den Menschen, die bereits in den 80er und 90er Jahren verfolgt wurden, kommen alte Ängste hoch, nicht wenige sind untergetaucht. Honduras 2009 – ein Pulverfass.

Ina Hilse ist Redaktionsmitglied der ila und war von 2003 bis 2007 in Honduras in der Entwicklungszusammenarbeit tätig.