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Grüne Palme – mit Risiken und Nebenwirkungen

Palmölproduktion und Ernährungssicherung in Brasilien

Brasilien hat sich mal wieder viel vorgenommen: Zum weltweit größten Palmölproduzenten will das Land aufsteigen. Und dies soll auch noch ohne Entwaldung vonstatten gehen, wie sie derzeit in Indonesien oder Malaysia an der Tagesordnung ist. Auch soll die kleinbäuerliche Familienlandwirtschaft gestärkt aus der Palmölproduktion hervorgehen. Damit dies alles auch klappt, hat der amtierende brasilianische Präsident Lula Anfang Mai das Programm Palma Verde („Grüne Palme“) aufgelegt. Doch kann Palma Verde indirekte Landnutzungsänderungen nicht verhindern, die letztlich zu mehr Abholzung führen. Bisherige Erfahrungen mit der Palmölproduktion in Nordbrasilien lassen Zweifel an der Art und Weise aufkommen, wie das Programm KleinbäuerInnen in die Produktionskette integrieren will.

Kirsten Bredenbeck

Der globale Konsum von Palmöl hat sich aufgrund des steigenden Bedarfs der Industrienationen seit 1998 fast verdreifacht. Derzeit werden weltweit auf etwa 13 Mio. Hektar Ölpalmen angebaut. Bis 2020 wird mit einer Verdoppelung der Nachfrage gerechnet. Kampagnen machen schon länger auf die desaströsen Folgen des seit Jahren andauernden Booms vor allem in Südostasien aufmerksam. Hier geht der Anbau mit Waldzerstörung, Landraub, Menschenrechtsverletzungen und hohen Treibhausgasemissionen einher. Aufgrund der Probleme und des Drucks von Seiten der Zivilgesellschaft hatte sich sogar die Weltbank im August 2009 vorläufig aus der Finanzierung des Palmölsektors zurückgezogen.

In Brasilien ist die Palmölproduktion noch auf ca. 63 000 Hektar im nordbrasilianischen Bundesstaat Pará und 7000 Hektar an der Küste Brasiliens nahe Bahia beschränkt. Die brasilianische Regierung fördert nun den Ölpalmenanbau, um in wenigen Jahren die Hauptproduzentenländer überflügeln zu können. Das Programm besteht im Wesentlichen aus fünf Elementen: der Festlegung von Förderregionen für den Anbau von Ölpalmen, einem Gesetzesentwurf zum Verbot von Abholzung für deren Anbau sowie Kreditlinien für KleinbäuerInnen, mittlere und größere ProduzentInnen. Zudem wurde eine Art brasilianischer Runder Tisch für den Palmölsektor eingerichtet (Cámara Setorial da Palma de Óleo), in dem verschiedene Ministerien, Palmölunternehmen, KonsumentInnen und ArbeiterInnen vertreten sind. Begleitend sollen öffentliche Mittel von umgerechnet etwa 27,5 Mio. Euro in die öffentliche Forschung und die Verbesserung der Infrastruktur für die Vermehrung von Setzlingen fließen. 

Die Förderregionen legte die Regierung ähnlich wie im vergangenen Jahr schon die Gebiete für den Zuckerrohranbau durch ein sogenanntes ZAE (Zoneamento Agroecológico – landwirtschaftlich-ökologische Gebietseinteilung) fest. Das staatliche Agrarforschungsinstitut EMBRAPA identifizierte alle Gebiete Brasiliens, die sowohl klimatisch als auch von der Bodenbeschaffenheit für den Ölpalmenanbau geeignet sind. Nach Abzug der Schutzzonen (Naturschutzgebiete und Naturparks), der Indigenengebiete, der Gebiete mit Ursprungsvegetation zum Stichjahr 2007 und der als sensible Ökosysteme eingestuften Regionen waren dies 31,8 Mio. Hektar förderwürdiges Land, das entspricht etwa neun Zehnteln der Gesamtfläche Deutschlands. Der Großteil hiervon – 29 Mio. Hektar – befindet sich in Amazonien, 2,8 Mio. Hektar im Nord- und Südosten des Landes. Die Region um die paraensische Bundeshauptstadt Belém ist Hauptförderregion. 

Um innerhalb Brasiliens als „nachhaltig“ (sustentável) zu gelten, reicht es, wenn das Palmöl aus Palmen von den bezeichneten 31,8 Mio. Hektar hergestellt wird – ungeachtet weiterer ökologischer oder sozialer Kriterien. Auch eine Vergleichsuntersuchung im Hinblick auf den Anbau von Grundnahrungsmitteln fand nicht statt. Das bedeutet, dass unter den 31,8 Mio. Hektar, die für Palmölplantagen empfohlen werden, durchaus Böden sein können, die viel besser für den Anbau von Grundnahrungsmitteln geeignet sind oder auf denen heute noch welche angebaut werden. Die Bezeichnung „nachhaltig“ ist also letztlich Etikettenschwindel, der dem brasilianischen Palmöl auf internationaler Ebene einen Marketingvorteil bringen soll.

Bei den internationalen Klimaverhandlungen ist Palma Verde ein neuer Trumpf im Ärmel der brasilianischen Regierung. Das Programm kommt letztlich auch innenpolitisch nicht von ungefähr. Durch die Neuregelung des Waldgesetzes (Código Florestal) sind zur Erfüllung von Wiederaufforstungsverpflichtungen zukünftig voraussichtlich auch Palmölplantagen zugelassen. Dies wurde von den sozialen Bewegungen massiv kritisiert, da Wald und Baumplantagen im Hinblick auf ihren ökologischen Nutzen nicht gleichzusetzen sind. 

Die landwirtschaftlich-ökologische Einteilung verhindert außerdem per se noch nicht die Expansion in andere Gebiete. Dies soll der Gesetzesentwurf verhindern. Bis das Gesetz ggf. verabschiedet wird, kann allerdings noch eine unbestimmte Zeit ins Land gehen. Sollte es durchkommen, greift es dennoch nur teilweise. Denn das Programm kann indirekte Landnutzungsänderungen nicht verhindern. Gerade durch die Neuregelung des brasilianischen Waldgesetzes ist zu erwarten, dass viele neue legale Anbauflächen für Soja und andere landwirtschaftliche Nutzungen entstehen, die heute noch bewaldet sind. So könnten z. B. für die Viehzucht oder den Sojaanbau neue Gebiete abgeholzt werden, um Ölpalmenplantagen auf den bisherigen Viehweiden oder Sojafeldern Platz zu machen. Die Folge wäre ein erhöhter CO2-Ausstoß, den die jungen Plantagen erst nach und nach (und niemals gleichzeitig) wettmachen können. Hinzu kommt, dass die notorisch unterfinanzierten brasilianischen Behörden mit der Kontrolle des Abholzungsverbots voraussichtlich völlig überfordert wären. 

Für KleinbäuerInnen ergibt sich ein hohes Risiko aus dem Einstieg in die Palmölproduktion. Die Anlage von Palmölplantagen erfordert zunächst hohe Investitions- und Betriebskosten und generiert erst nach Jahren erste Einkommen. Die hohen Installationskosten (knapp 3000 Euro pro Hektar – für brasilianische Verhältnisse sind dies Unsummen) könnten zu einer Verschuldung der KleinbäuerInnen führen. 900 Familienbetriebe und 300 mittlere und große ProduzentInnen erhielten bereits Kredite aus dem Programm Palma Verde. 

Auffällig bei der Kreditlinie für KleinbäuerInnen ist, dass sie Abnahmeverträge und Lieferverträge für das Technologiepaket mit der Verarbeitungsindustrie nachweisen müssen. Diese Regelung soll den Familienbetrieben zwar den Absatz sichern. De facto läuft dies auf eine Förderung der Vertragslandwirtschaft hinaus und verhindert das Entstehen breiterer Verarbeitungsketten. Dies ist gerade angesichts des bereits oligopolisierten Palmölmarktes im Amazonasgebiet bedenklich. So wollte z. B. die Landlosensiedlung Calmaria II im Verwaltungsgebiet Mojú in Pará vor einigen Jahren einen Vertrag mit der Agropalma über lediglich zehn statt über 25 Jahre aushandeln, um langfristig eine eigene kleine Verarbeitungsanlage aufzubauen und beliefern zu können. Das Großunternehmen ließ sich hierauf nicht ein. Anstatt kleinere Verarbeitungsbetriebe zu fördern, sichert das Palmölprogramm so den Großbetrieben der Verarbeitungsindustrie die Zulieferer.

Das Programm zementiert damit Marktstrukturen, wie sie in Pará bereits bestehen. Zwar dominieren wie in Pará auch in Bahia vier mittlere bis große ProduzentInnen den Markt. Doch im Unterschied zu Nordbrasilien ist die große Mehrheit der Verarbeitungsanlagen in der Hand von ländlichen Kleinbetrieben. Die Vermietung dieser Anlagen an andere Familien ist üblich. Dieses Modell ist im Rahmen des Palmölprogramms nicht vorgesehen. Big is beautiful, scheint erneut die Devise der Regierung. KleinbäuerInnen sollen maximal die Anlage von zehn Hektar Palmölplantage finanziert bekommen. Dahinter steht die Annahme, dass für die Bewirtschaftung von zehn Hektar Plantage im Mittel eine Arbeitskraft notwendig ist. So könne die Familie auch weiterhin Grundnahrungsmittel für den eigenen Bedarf anbauen. Erfahrungen deuten allerdings darauf hin, dass auch zehn Hektar die kleinbäuerliche Landwirtschaft überfordern. In Mojú schloss die Agropalma mit den SiedlerInnen bereits früher Abnahmeverträge für die Palmölproduktion von jeweils zehn Hektar pro Familie. Im Jahr 2008 berichteten ausnahmslos alle 150 Familien, dass sie aufgrund des hohen Arbeitsaufwands im Palmölanbau den Eigenanbau aufgegeben hatten und in ihrer Ernährung nun komplett vom Markt abhängig seien. Aufgrund der langen Lieferverträge war es den Familien nicht möglich, aus der Palmölproduktion auszusteigen, obwohl sie z.T. über große Verluste klagten. Wahrscheinlich gibt es einen anderen Grund für die Zahl von zehn Hektar: Abnahmeverträge über weniger als zehn Hektar sind für die Großbetriebe schlichtweg nicht rentabel.

Die Studie berichtete auch davon, dass Palmölfirmen die ungesicherte Landrechtssituation gezielt ausnutzen. Konkret ging es um die Biopalma (inzwischen Biovale, ein Joint-Venture aus Biopalma und dem Bergbaukonzern Vale). UnterhändlerInnen, die für das Unternehmen in der Region Concórdia do Pará Land aufkauften, verängstigten die BewohnerInnen mit der Behauptung, alle, die über keine Landtitel verfügten und nicht verkaufen wollten, würden gerichtlich enteignet. Es besteht die Gefahr, dass das Palmölprogramm einen neuen Anreiz schafft, sich illegal Land anzueignen. Zwar sieht das Palmölprogramm vor, dass die im ZAE identifizierten Gebiete im Programm Terra Legal zur Regulierung der Landrechtssituation vorrangig behandelt werden sollen, d.h. dass die Menschen hier schnellstmöglich Landtitel für das Land bekommen sollen, auf dem sie leben und wirtschaften. Doch das Programm Terra Legal selbst wird von den sozialen Bewegungen als Freibrief zur illegalen Aneignung von Land kritisiert, da es vor allem auf die Quantität der Landrechtsregulierung ausgerichtet ist, dabei aber qualitative Kontrollen, ob die behaupteten Landbesitzverhältnisse tatsächlich legitim sind, fehlen. 

Abschließend lässt sich festhalten, dass das Palmölprogramm wohl kaum ohne zusätzliche Abholzungen umgesetzt wird. Erst wenn Abholzungsverbote alle anderen möglichen Nutzungsarten umfassen und ein ausreichendes Monitoring besteht, kann Entwaldung tatsächlich vermieden werden. Um eine Umwidmung von Flächen mit Nahrungsmittelproduktion auszuschließen, wären weitere Maßnahmen nötig. Die ungeklärte Landrechtssituation lässt eine gewaltsame Expansion der Palmölproduktion befürchten. Und die durch das Programm unterstützte Vertragslandwirtschaft führt zu starken wirtschaftlichen Abhängigkeiten der VertragsbäuerInnen sowie dem drohenden Verlust ihrer Ernährungssouveränität. Das Programm stärkt letztlich Verarbeitungsstrukturen, die sich in Händen weniger zentralisieren. Hinzu kommen Monokulturlandschaften mit den bekannten negativen Effekten auf Biodiversität und Umwelt.

Die Autorin arbeitet bei der Kooperation Brasilien KoBra.