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Atomtod exportiert man nicht!

Kampagne gegen Hermesbürgschaft für deutsch-brasilianisches Atomgeschäft
Gert Eisenbürger

Nach ihrem Amtsantritt schaffte die schwarz-gelbe Bundesregierung die 2001 eingeführten Hermesleitlinien ab. Die hatten unter anderem verboten, Exportbürgschaften für Atomtechnologie zu erteilen. Dies ist nun wieder möglich. Mit den nach dem griechischen Gott der Händler und der Diebe benannten Bürgschaften garantiert die Bundesregierung über Exportversicherungen deutschen Unternehmen, die Produkte auf „schwierige Märkte“ – dazu zählen z. B. Entwicklungs- oder Schwellenländer – exportieren wollen, bei Zahlungsausfällen die Rückerstattung ihrer Investitionen. Da Unternehmen ihre Risiken möglichst gering halten wollen, werden sie im Zweifelsfall nur solche Geschäfte abwickeln, für die die Bundesregierung Exportbürgschaften erteilt.

Im Februar 2010 beantragte das Unternehmenskonsortium Avera NP/Siemens eine Hermesbürgschaft in Höhe von 1,3 Mrd. Euro für die Lieferung von Anlagen zur Fertigstellung des Atomkraftwerks Angra dos Reis 3 in Brasilien. Die Bundesregierung hat den Antrag positiv beschieden und eine grundsätzliche Bürgschaft erteilt. Dies ist allerdings noch nicht die endgültige Bewilligung. Die Unterzeichnung des Bürgschaftsvertrags soll wahrscheinlich Anfang 2012 erfolgen. Im Fall einer „wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage“ kann die Bundesregierung die grundsätzliche Zusage noch zurückziehen.

Nach Ansicht der Umweltorganisation urgewald – und nicht nur von ihr – ist mit der Atomkatastrophe von Fukushima und dem festgelegten Atomausstieg in Deutschland diese Änderung der Sach- und Rechtslage eindeutig eingetreten. Zusammen mit attac und dem Internet-Kampagnenprojekt campact hat urgewald deshalb eine Kampagne gegen die Gewährung der Exportbürgschaft für die Fertigstellung von Angra dos Reis 3 organisiert. Am 23. März 2011 forderten zahlreiche Organisationen aus der Umwelt- und Nord-Süd-Szene in einem Brief an Bundeskanzlerin Merkel und die zuständigen Ministerien die Rücknahme der Bürgschaft. Es könne doch nicht angehen, dass die Bundesregierung für Deutschland den Atomausstieg beschlossen habe, gleichzeitig aber den Export dieser Technologie mit Bürgschaften unterstütze.

Campact initiierte eine Internetpetition an die zuständigen Minister gegen die Hermesbürgschaft für Angra 3, die bis Ende Oktober von mehr als 132 600 Menschen unterzeichnet worden ist. Ergänzend dazu hat urgewald nun eine Postkartenaktion an die Kanzlerin und die lokalen Abgeordneten der Regierungsparteien gestartet. Die Karten können über die Website der Organisation (s.u.) kostenlos bestellt werden. Vor einer Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestag im September, bei der es auch um die Hermesbürgschaft für Angra 3 gehen sollte, wurde in Berlin dagegen protestiert. Vom 14. bis zum 21. November findet eine Aktionswoche statt, in der vor möglichst vielen Parteibüros der Regierungsparteien die Ablehnung der Hermesbürgschaft für Angra 3 sichtbar zum Ausdruck gebracht werden soll. Urgewald schreibt dazu: „Die Bundestagsabgeordneten der Regierungsparteien müssen erfahren, dass die Öffentlichkeit keine Atomgeschäfte durch die Hintertür duldet und auch für die Außenwirtschaftsförderung einen Atomausstieg fordert. Wir wollen die Bürgschaft für Angra zu Fall bringen. Atomtod exportiert man nicht!“

Widerstand gibt es indes auch in Brasilien. Im Mai beteiligten sich 3000 Menschen in Caetité im Bundesstaat Bahia im Nordosten des Landes an Protesten gegen die dortige Uranmine. Sie blockierten eine Woche lang einen Atomtransport, der Uran für die Weiterverarbeitung nach Europa bringen sollte. Im Juni demonstrierten AktivistInnen von Greenpeace Brasilien vor der deutschen Botschaft in Brasilia gegen die Hermesbürgschaft. Auf juristischer Ebene versucht die brasilianische Anwaltskammer, einen Baustop für Angra 3 zu erreichen. Sie geht davon aus, dass der Bau gegen die brasilianische Verfassung verstößt, weil es keine Genehmigung des brasilianischen Kongresses für den Weiterbau des AKW gibt. Die Betreibergesellschaft Electronuclear behauptet, eine solche Genehmigung brauche es nicht, da der brasilianische Kongress Angra 3 bereits 1976 genehmigt habe. 1976 herrschte in Brasilien aber eine Militärdiktatur und im Kongress waren nur zwei von den Militärs erlaubte Parteien vertreten, wobei die Diktatur festgelegt hatte, welche von beiden die Mehrheit (ARENA) stellte und welche die Opposition zu spielen hatte (MDB).

Wie Celio Bermann in dem Interview auf den Seiten 4/5 dieser ila darstellt, hängt es entscheidend von der Hermesbürgschaft der deutschen Bundesregierung ab, ob das AKW Angra 3 letztendlich fertiggestellt wird. Neben allen grundsätzlichen Erwägungen und der Gefährdung des direkt am Meer gelegenen Standortes durch mögliche Erdbeben, Tsunamis und eine allgemeine Erhöhung des Meeresspiegels handelt es sich bei Angra 3 um eine inzwischen über 30 Jahre alte Atomanlage, die längst nicht mehr den heutigen Sicherheitsstandards entspricht. Die ila-Redaktion bittet daher alle ila-LeserInnen dringend, sich an den Protestaktionen gegen die Exportbürgschaft für die Fertigstellung von Angra 3 zu beteiligen. 

Weitere Infos: www.urgewald.de/ • Beteiligung an der Internetprotestaktion gegen die Hermesbürgschaft für Angra 3: www.campact.de/atom2/sn12/signer