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Ein Institut und sein General

Buchbesprechung
Laura Held

Das quietschegelbe Buch „Ein Institut und sein General : Wilhelm Faupel und das Ibero-Amerikanische Institut in der Zeit des Nationalsozialismus“ ist eine geschichtliche Annäherung, die thematisch weit über die Geschichte des Iberoamerikanischen Institutes (IAI) in der Nazi-Zeit herausreicht. Es geht um Fragen der politischen und kulturellen Einflussnahme und Beeinflussung Deutschland – Lateinamerika (mit Schwerpunkt Argentinien), vor der Nazi-Zeit, während der Nazi-Zeit und danach. Es geht auch um Mythen und Propaganda – US-amerikanische, deutsche und lateinamerikanische, um Nazigrößen, Fälscher und den Versuch, diese unbequeme Zeit - bei schwieriger Quellenlage - akribisch aufzuarbeiten. Über ein halbes Jahrhundert nach Ende des zweiten Weltkrieges ein mehr als überfälliges Unterfangen. Hier wird nun in verschiedenen Aufsätzen zumindest zu wichtigen Teilbereichen der Stand der Forschung dargestellt. 

Im Mittelpunkt des Bandes steht eine umfangreiche Biographie Wilhelm Faupels. General Faupel leitete von 1934 bis 1945 das Iberoamerikanische Institut, unterbrochen nur für die Zeit des Spanischen Bürgerkriegs, als er Botschafter Hitlers bei Franco war. Dieser ehrgeizige Mann, der als Freiwilliger an brutalen Einsätzen der deutschen Armee gegen die Herero und Nama in Namibia beteiligt war, sein eigenes Freikorps (eine paramilitärische Eingreiftruppe) in Schlesien gründete und sich intensiv an der intellektuellen Vorbereitung der Machtergreifung der Nazis beteiligte, wurde Präsident des IAI – wahrscheinlich weil es das einflussreichste Amt war, das ihm – mit immerhin 60 Jahren und aufgrund seiner Auslandseinsätze ohne Hausmacht – nach der Machtergreifung zur Verfügung stand. Mit Sicherheit trieb er nationalsozialistische (Geheim-)Politik in Lateinamerika, das er aus seinen Einsätzen als Militärberater in Argentinien und Peru kannte. Aber seine privaten Briefe und Unterlagen wurden größtenteils gezielt vernichtet. Teilweise wurden sie wohl von russischen Einheiten sichergestellt, gelten aber heute als verloren. Die umfangreiche Biografie mit zahlreichen Quellen von Oliver Gliech gibt einen guten Einblick in Faupels Leben und die damalige Zeit. Und sie lässt verstehen, wieso dieser Mann im Zentrum so vieler Gerüchte und Nachkriegsmythen steht. (Eine Kostprobe: Faupel soll am 2. Mai 1943 heimlich mit einem U-Boot nach Argentinien gefahren sein, um Perón in einer evangelischen Kirche zum Putsch zu überreden. Und seiner Topagentin Evita ein Brillantkollier geschenkt haben...)

In der zweiten Biographie des Buches, die des „Fälschers Jürges“ von Günter Vollmer, geht es um solche und andere Mythen. Vor allem anhand der umfangreichen Stasi-Akten über Heinrich Jürges, sowie anhand verschiedener weiterer Akten und der zahlreichen Presse und Sekundärliteratur wird hier die Geschichte einer Fälschung aufgerollt. Jürges wurde in den 20er Jahren in Wuppertal geboren, war nach eigenen Angaben Mitarbeiter Goebbels, überwarf sich mit ihm, und emigrierte 1933 nach Lateinamerika (Buenos Aires und Montevideo). Nach dem Krieg arbeitete er für die US-amerikanische Militärregierung in Berlin, zog in den russischen Sektor, bekam Probleme mit der Stasi, zog in den britischen Sektor. Er wurde als Verfolgter des Nazi-Regimes anerkannt – ein Status, der ihm in langen Prozessen in den 50er Jahren in der Bundesrepublik wieder entzogen wurde. Vollmer weist in dem über 100seitigen Artikel nach, dass Jürges Briefe fälschte, die angeblich zwischen Faupel und Kapitän Niebuhr, Attaché der deutschen Botschaft in Argentinien während der Nazizeit, gesendet wurden. Er tat das u.a., um sich als Nazigegner zu beweisen und sein Vorstrafenregister als von der Nazi-Regierung gefälscht darzustellen. Später verkaufte er die Briefe an verschiedene Zeitungen. Im Anhang wird das gesamte bisher bekannte Corpus der Fälschungen, bisher elf Dokumente (außer den sechs Faupel-Briefen gibt es noch weitere Fälschungen) komplett veröffentlicht und auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht. Das ist keineswegs müßig: Auf in den Briefen enthaltene Informationen stützen sich nicht nur Silvano Santander in seinem Buch „Técnica de una traición“, wo er die Zusammenarbeit Pérons mit dem NS-Regime „nachweist“, sondern bis heute zahlreiche weitere Veröffentlichungen über die Nazis in Argentinien – auch höchst seriöse, in denen weder der Name Jürges, noch der Name Santander erwähnt wird. Und da dieses Buch im Umkreis des IAI entstand, werden die Spekulationen wohl weitergehen. 

Denn welche Rolle Faupel und das Institut bei der Entdemokratisierung der lateinamerikanischen Staaten und bei der faschistischen Einflussnahme auf ihre Regierungen zwischen 1933 und 1945 spielte, ist noch keineswegs geklärt. Aber dieses Buch ist ein guter Anfang. Außer den beiden oben erwähnten tragen noch sechs andere, höchst unterschiedliche Artikel, zur Erhellung weiterer Aspekte bei. Ein Aufsatz von Dawid Bartelt z.B. untersucht die Unterschiede im Rassismus hispanischer und nationalsozialistischer Prägung. Andere behandeln die Kulturpolitik des IAI, seine Geheimdienstaktivitäten im Dritten Reich und die DDR-Politik gegenüber dem IAI. Nach jahrzehntelanger Verdrängung der eigenen Geschichte innerhalb des IAI entsteht – wenn auch nur bruchstückhaft – ein Bild, das unbedingt weiterer Forschung und Auseinandersetzung bedarf. Also, obwohl ostereiergelb, das Buch kann unter den Weihnachtsbaum.

Liehr, Reinhard/Maihold, Günther/Vollmer, Günther (Hrsg.) Ein Institut und sein General, Wilhelm Faupel und das Iberoamerikanische Intitut in der Zeit des Nationalsozialismus. Frankfurt, 2003, Vervuert, 616 Seiten plus 24 S. Abbildungen, 48,- Euro