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Tabaré Vázquez zum zweiten

Linksbündnis Frente Amplio gewinnt Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Uruguay

Am Ende war es deutlich: Mit 53,6 Prozent der abgegebenen Stimmen wurde der Sozialist Tabaré Vázquez in der Stichwahl am 30. November 2014 zum zweiten Mal nach 2004 zum Präsidenten Uruguays gewählt. Dabei sah es wenige Wochen vor dem ersten Wahlgang am 26. Oktober gar nicht so aus. Der linken Frente Amplio war der Verlust ihrer absoluten Mehrheit im Parlament und für die zweite Runde ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Tabaré Vázquez und Luis Alberto Lacalle Pou von der konservativen Nationalpartei (Blancos) prognostiziert worden.

Gert Eisenbürger

Die UruguayerInnen gelten vielen als konservativ. Nicht im politisch-ideologischen Sinne, aber allgemein. Sie tendieren zu dem, was ihnen vertraut ist, was sie kennen. Dem trugen auch die wichtigsten Parteien bei der Aufstellung ihrer Präsidentschaftskandidaten Rechnung. Die Frente Amplio (FA) nominierte den 74-jährigen Tabaré Vázquez, Vorgänger des amtierenden 79-jährigen Präsidenten José (Pepe) Mujica. Die Blancos und die Colorados, die beiden konservativen Parteien, stellten mit Luis Alberto Lacalle Pou und Pedro Bordaberry zwei Söhne ehemaliger Staatspräsidenten auf, wobei Bordaberry senior zwischen 1973 und 1976 einer zivil-militärischen Diktatur vorgestanden hatte.

Seit bald zehn Jahren wird Uruguay von der FA regiert, einer Allianz von über 30 linken Gruppen. Die Bilanz der beiden Amtsperioden von Tabaré Vázquez und Pepe Mujica kann sich sehen lassen. In den zehn Jahren wuchs die Wirtschaft jährlich um sechs Prozent, das Lohnniveau und der Lebensstandard stiegen erheblich, die Armut wurde deutlich reduziert, wichtige Reformprojekte auf den Weg gebracht. Dazu gehören der Umbau des Steuerwesens, das nun nicht mehr in erste Linie auf der Mehrwertsteuer basiert, sondern auf einkommensabhängigen Steuern und dadurch Wohlhabende stärker belastet als GeringverdienerInnen. Als zweites Land nach Cuba1 hat Uruguay Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert, ebenso wie den Konsum von Marihuana. Wie bei großen Reformvorhaben üblich, waren diese Maßnahmen nicht unumstritten, insbesondere gegen das Marihuanagesetz gab es bei vielen älteren UruguayerInnen Vorbehalte, die die Rechte mit einer Angstkampagne schürte.

Nach zehn Jahren in der Opposition wollten die Blancos und Colorados zurück an die Regierung. Und sie hatten aus ihren beiden Wahlniederlagen 2004 und 2009 gelernt. Sie griffen die Steuer- und Sozialpolitik der FA nicht mehr frontal an. Dem 41-jährigen Lacalle Pou von den Blancos, der wichtigeren der beiden Oppositionsparteien, verpassten seine PR-Berater das Image eines jungen, dynamischen, ideologiefreien Politikers, der mit seinem Team nicht alles anders, aber vieles besser machen würde. Dagegen bestünde die FA aus alten Frauen und Männern, die zu einer modernen Politik nicht mehr fähig seien. Gleichzeitig warf die Opposition der FA vor, die Kriminalität nicht genügend zu bekämpfen. Die hat zwar längst nicht das Ausmaß wie in den großen Städten Brasiliens, Argentiniens, Kolumbien und Venezuelas, aber eine Oase der Sicherheit ist auch Montevideo schon lange nicht mehr. Das erzeugt Angst und Gefühle von Unsicherheit, auf die die Rechte mit dem Vorschlag reagierte, StraftäterInnen schon mit 16 (statt wie bisher mit 18) nach dem Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen. Das bringt zwar erfahrungsgemäß nichts, kommt aber gut an und gibt den dafür eintretenden PolitikerInnen das Image, die Sorgen der BürgerInnen ernst zu nehmen. Die Colorados initiierten mit Unterstützung der Blancos ein Referendum für ein entsprechendes Gesetz. Sie erreichten das notwendige Quorum an Unterschriften, sodass am 26. Oktober 2014 nicht nur Präsidentschafts-, Parlaments- und Regionalwahlen stattfinden sollten, sondern auch eine Volksabstimmung über diesen Gesetzentwurf. Nach Umfragen wollte eine Mehrheit der UruguayerInnen dafür stimmen.

Doch dann traten Uruguays Jugendliche auf den Plan. Sie sahen in dem Vorhaben ebenso wie in der Polemik gegen die Entkriminalisierung des Marihuanakonsums eine Kampfansage an die Jugend. Einige Jugendliche gründeten das Komitee No a la Baja (Nein zur Senkung), das seinen Sitz im Kulturzentrum Bertolt Brecht hatte, und organisierten die Proteste, die bald eine beeindruckende Breite und Vielfalt erreichten. Quasi als Nebeneffekt dieser Jugendbewegung wurde das jugendliche Getue von Lacalle Pou als billige PR-Strategie eines Repräsentanten der alten Eliten und Familien entlarvt, während die Opas und Omas von der FA die Proteste der Jugendlichen unterstützten.

In den Wochen vor dem Wahltermin am 26. Oktober 2014 gelang es, die Stimmung im Land zu drehen. Entgegen allen Prognosen wurde der Gesetzesvorschlag der Colorados bei der Volksabstimmung abgelehnt. Die FA erreichte erneut die absolute Mehrheit im Parlament und Tabaré Vázquez gewann mit 47,8 Prozent im ersten Wahlgang deutlich mehr Stimmen als Lacalle Pou und Bordaberry zusammen. So war sein Sieg in der Stichwahl zwar keine Überraschung, dass er am Ende mehr als zwölf Prozent vor Lacalle Pou liegen würde, aber schon.

  • 1. Außer in Cuba und Uruguay sind Schwangerschaftsabbrüche auf den Niederländischen und Französischen Antillen, in Guyane, dem mit den USA assoziierten Puerto Rico sowie im mexikanischen Hauptstadtdistrikt D.F. erlaubt. In den anderen Ländern Lateinamerikas gehören innere Blutungen nach unprofessionellen, in der Illegalität durchgeführten Abtreibungen zu den häufigsten Todesursachen jüngerer Frauen.