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Der Politiker unter den Comandantes

Abschied von Schafik Handal (1930-2006)

Für viele war er das Gesicht der salvadorianischen Befreiungsfront FMLN. Obwohl die von ihm geführte Kommunistische Partei El Salvadors in den achtziger Jahren eine der kleineren Mitgliedsorganisationen der FMLN war, war Schafik Handal stets unter den fünf Comandantes, derjenige, der vermutlich am besten Allianzen schmieden und Verhandlungen führen konnte. In ganz Lateinamerika genoss er große Achtung, die Präsidenten Lula da Silva (Brasilien) und Evo Morales (Bolivien) luden ihn zusammen mit den lateinamerikanischen Präsidenten zu ihren Amtseinführungen ein. Der Besuch bei Evo Morales war Schafik Handals letzte Reise, bei seiner Rückkehr aus La Paz erlitt er auf dem Flughafen von San Salvador einen tödlichen Herzinfarkt.

Gert Eisenbürger
Gerold Schmidt

Es blieb ihm versagt, die von ihm mitbegründete Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) an der Regierung in El Salvador zu erleben. Schafik Handal, einer der charismatischsten mittelamerikanischen Politiker, erlag am 24. Januar 75-jährig einem Herzinfarkt. Von seinen Gegnern als „dogmatisch und unduldsam“ geschmäht, weigerte sich Handal im Gegensatz zu vielen Kampfgefährten in den Jahren nach dem Friedensschluss zwischen Regierung und Guerilla im Jahr 1992, dem Sozialismus abzuschwören. Dass er einer der wichtigsten Linken Mittelamerikas werden würde, war ihm keineswegs in die Wiege gelegt. Die ursprünglich aus Bethlehem stammende palästinensische Familie Handal ist sehr wohlhabend, sie besitzt Unternehmen und Fabriken in mehreren Ländern Zentralamerikas. Einer seiner Vettern war in den achtziger Jahren Bauminister in Honduras. Doch Schafik Handal entschied sich gegen ein Leben im Großbürgertum. Seit er sich noch als Jugendlicher 1944 im Rahmen des Streiks gegen den damaligen Diktator Hernández Martínez erstmals politisch engagierte, verbrachte er einen Großteil seines Lebens im Exil und im salvadorianischen Untergrund. 

Als Generalsekretär der Kommunistischen Partei El Salvadors betrieb er Ende der siebziger Jahre die Annäherung der reformistischen Linken, zu der auch die KP gehörte, an die politisch-militärischen Organisationen der revolutionären Linken. 1980 war er maßgeblich an der Bildung des Guerilla-Bündnisses FMLN beteiligt. Neun Jahre später, im November 1989, schien die FMLN mit einer Überraschungsoffensive in der Hauptstadt kurz vor dem Sieg gegen die von den USA hochgerüstete Armee zu stehen. Doch der entscheidende Schlag gelang nicht. Wie zunehmend auch im Nachbarland Guatemala wurde klar, dass die Guerilla mit militärischen Mitteln kaum an die Macht kommen würde. Dieser Ansicht war auch Schafik Handal. Zwei Jahre lang stand er der FMLN-Kommission vor, die unter UNO-Begleitung den Friedensschluss verhandelte. Das 1992 verabschiedete Abkommen beendete einen zwölfjährigen Bürgerkrieg, der über 70 000 Tote gefordert hatte.

Nach dem Krieg formierte sich die FMLN als politische Partei, ihre vormaligen Mitgliedsorganisationen, so auch die KP, lösten sich Ende der neunziger Jahre auf. Mehrmals schien die FMLN in dem polarisierten Land vor dem politischen Durchbruch. Doch letztendlich erzielte sie Erfolge nur auf kommunaler Ebene und im Parlament, in dem es seit dem Einzug der FMLN im Jahre 1994 erstmals in der salvadorianischen Geschichte eine parlamentarische Opposition gibt, die diesen Namen verdient. Die Nationalregierung stellt seit nunmehr 17 Jahren die rechtsgerichtete ARENA-Partei. Allerdings regiert die FMLN die Hauptstadt San Salvador und vieler der Umlandgemeinden, auch eine ganze Reihe von Orten, die während des Krieges in der Einflusszone der Guerilla lagen.

Seit der Umwandlung der Guerilla in die politische Partei FMLN war Schafik Handal abwechselnd Parteikoordinator und Vorsitzender der Parlamentsfraktion. Vor knapp zwei Jahren trat er als Präsidentschaftskandidat der FMLN an, unterlag aber bei von Betrugsvorwürfen überschatteten Wahlen klar gegen den Medienunternehmer Antonio Saca. Seine Kandidatur war intern sehr umstrittenen, manche in der FMLN meinten, ein „moderaterer“ Kandidat hätte größere Wahlchancen gehabt. 

Die soziale Ungerechtigkeit hat sich im vergangenen Jahrzehnt in El Salvador eher noch verschärft. Viele der Friedensvereinbarungen blieben ein Stück Papier. Das Ventil Migration (vor allem in die USA) und die Überweisungen der MigrantInnen an die Familienangehörigen zu Hause verhindern eine noch explosivere Situation im Land. Schafik Handal wollte eine andere Entwicklung für El Salvador. Zumindest hinterlässt er eine FMLN, die heute die einzige ernstzunehmende politische Opposition im Land darstellt. Und er selbst, der kantige, sicher oft autoritäre Ex-Guerillero, behielt auf seine Weise eins bis zuletzt: den aufrechten Gang.