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Erpressung macht's möglich

Das Ökonomische Partnerschaftsabkommen (EPA) mit der Karibik

Seit dem Abkommen von Cotonou, das 2000 zwischen der Europäischen Union und 77 Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP) unterzeichnet wurde, herrscht ein neues Klima in den Handelsbeziehungen der beiden Ländergruppen. Die beiden Grundpfeiler des Lomé-Abkommens (1975 unterzeichnet und bis 2000 verlängert) – Einfuhrquoten und Vorzugsbehandlung für Produkte aus den AKP-Staaten – wurden durch einen freieren Handelsaustausch ersetzt. Die neue Handelspolitik zielte zum Schaden der lokalen Entwicklung allein auf steigende Gewinne der europäischen Unternehmen. Bedeuteten Quoten und Vorzugsbehandlung auf dem EU-Markt doch ein garantiertes Einkommen für die Kleinbauern der AKP-Staaten. Mit den neuen Abkommen (EPAs) wird nun noch mal draufgesattelt.

Tsigereda Walelign

Im Gegensatz zum Lomé-Abkommen spalten die EPAs die AKP-Staaten in sechs Regionen auf. Afrika wird von der EU in vier Regionen aufgeteilt, unabhängig von existierenden regionalen Strukturen; weitere Regionen sind die Karibik- bzw. die Pazifikstaaten. Vor diesem Hintergrund haben die Karibikstaaten am 16. Dezember 2007 das EPA unterzeichnet, noch bevor die Vorzugsbehandlung Ende Dezember dieses Jahres ausläuft.

Die Debatte über die EPAs hat schon viele Seiten gefüllt. LandarbeiterInnen, Gewerkschaften, VertreterInnen der Zivilgesellschaft und ParlamentarierInnen der AKP-Staaten protestieren gegen dieses Abkommen, das von vielen als neokoloniales Projekt angesehen wird. Der Vorschlag von Seiten der AKP-Gruppe, in zwei Etappen zu verhandeln – zunächst mit allen AKP-Staaten gemeinsam und erst in einem zweiten Schritt mit den einzelnen Regionen – ist von der EU abgelehnt worden. Der AKP-Vorschlag sah vor, dass in der ersten Phase eine Prinzipienerklärung beschlossen wird, worin eine nachhaltige Entwicklung als Ziel festlegt wird, zu der die zukünftigen EPAs ebenso beitragen sollen. Bei der zweiten Phase handelte es sich darum, bei den Verhandlungen so vorzugehen, dass die Entwicklungsziele, die in der ersten Phase definiert worden sind, umgesetzt werden können, und zwar im Hinblick auf die jeweiligen Prioritäten, Ressourcen, Kapazitäten und Bedürfnissen der einzelnen Regionen. 

Die Europäische Union lehnte diesen Vorschlag ab und indem sie ihre Handelspolitik einfach durchgesetzt hat, zeigt sich der wahre Charakter der „Partnerschaft“: Die AKP-Märkte sollen für europäische Investoren geöffnet werden, was der Entwicklung der AKP-Staaten schadet. Als die AKP-Staaten mit Näherrücken des Stichtags, an dem Ende Dezember 2007 die EPAs abgeschlossen sein sollten, immer noch zögerten, schreckte die europäische Kommission auch nicht vor Druckmitteln zurück. Sie ging zur Bestechung über: Die Finanzierung der Projekte würde eingestellt, Importzölle würden erhöht werden etc. Vor diesem Hintergrund hat die Karibikregion ohne große Begeisterung das Abkommen unterzeichnet. Tatsächlich hat die Europäische Union damit gedroht, den Importzoll auf Produkte aus der Karibik, wie z.B. Zucker, Bananen und weiterverarbeitete Produkte, auf 30 Prozent zu erhöhen. Der Präsident Guyanas, Bharrat Jagdeo, hat diese Drohungen jedoch öffentlich verurteilt und kritisiert noch immer das Abkommen. 

Die Regierungschefs sind sich uneinig. Die Meinungsverschiedenheit zwischen dem (linken) guyanischen Präsidenten, demzufolge die Karibik mit dem EPA nichts gewinnt, und dem (rechten) jamaikanischen Premierminister, der das Abkommen verteidigt, belebt nach wie vor die Debatte. Welche Folgen hat das EPA für die Karibik? Mit der gegenseitigen Marktöffnung und der ebenso gegenseitigen Handelsliberalisierung sollen die Karibik und die EU um den karibischen und den EU-Markt konkurrieren, als ob die beiden Parteien über die gleichen Mittel und den gleichen Entwicklungsstand verfügten. So soll die Karibik ihren Markt zu 86,9 Prozent öffnen, um den zollfreien Import von EU-Produkten zu erlauben, und ihre Wirtschaft zu 82,7 Prozent liberalisieren. Da Quotierung und Vorzugsbehandlung für den Export von Produkten aus der Karibik in die EU Ende 2009 auslaufen sollen, muss die Karibik mit billigen Produkten konkurrieren, die aus anderen Ländern auf den europäischen Markt gelangen. Bei diesem ungleichen Konkurrenzverhältnis muss man keine Hellseherin sein, um voraussagen zu können, wer hier die Gewinnerin sein wird.

Die Bevölkerung in der Karibik macht sich Sorgen wegen der Auswirkungen des EPA und ist nach wie vor auf der Straße, um nicht nur eine Neuverhandlung des Abkommens zu verlangen, sondern auch eine öffentliche Debatte über die konkreten Folgen für Wirtschaft und Lebensbedingungen der Region. Bekannte Intellektuelle und AkademikerInnen, bekannte Wirtschaftswissenschaftler wie Norman Girvan sowie Nichtregierungsorganisationen haben einen offenen Brief an das Sekretariat des CARIFORUM geschickt, in dem sie Neuverhandlungen und eine Untersuchung über die Auswirkungen von einer unabhängigen Organisation fordern. In diesem Brief unterstützen sie die Position des Präsidenten Guyanas und verlangen von ihren Regierungen, dass sie Rechenschaft über den Verhandlungsprozess ablegen; sie fordern das Recht der Bevölkerung ein, über ein derart wichtiges Vorhaben informiert zu werden, schlagen vor, die formale Unterschrift unter das Abkommen, die für Juni 2008 vorgesehen ist, zu verschieben, und verlangen eine öffentliche Debatte über die Nebenwirkungen dieses Abkommens, das das Leben von mehr als 14,5 Millionen Personen betrifft.

Die Regierungen der Karibikländer haben zwei Möglichkeiten: Entweder hören sie auf die Sorgen ihrer Bevölkerung, fordern eine Neuverhandlung des EPA und suchen nach Alternativen, um die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Region zu stärken; oder sie geben den Erpressungsversuchen der EU nach, schaden damit ihrer Bevölkerung und liefern den Markt den multinationalen Firmen aus – in diesem Fall wären sie Komplizen.

Tsigereda Walelign ist Referentin in der Fraktion der Europäischen Grünen im EU-Parlament.

Übersetzung: Britt Weyde