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Lateinamerika als Fluchtziel für Nazis

Fünf Fallbeispiele
Theo Bruns

Adolf Eichmann: Als Leiter des Referates IV B 4 im Reichssicherheitshauptamt verantwortlich für die Deportation und Ermordung von sechs Millionen Juden. Kurz nach Kriegsende in Österreich verhaftet, entkommt im Januar 1946 aus einem amerikanischen Gefangenenlager und lebt unter dem Namen Otto Eckmann als Holzfäller in der Lüneburger Heide. 1948 Antrag auf Einreisegenehmigung für Eichmann in der argentinischen Einwanderungsbehörde. Reist im Frühjahr 1950 über die Klosterroute nach Genua, wo ihm der Franziskanerpater Edoardo Dömöter einen Pass auf den Namen Riccardo Klement und ein Visum für Argentinien beschafft. Ankunft in Buenos Aires am 14. Juli 1950 an Bord der Giovanna C. Fuldner verschafft ihm einen Job bei der Firma CAPRI, die in Tucumán Vermessungsarbeiten durchführt. Später Anstellung bei Mercedes Benz Argentina. BND und CIA sind seit 1958 über Eichmanns Aufenthalt in Argentinien unterrichtet, unternehmen aber nichts. 1957 identifiziert ihn Lothar Hermann, ein ehemaliger Häftling des KZ Dachau, der Deutschland 1938 nach dem Novemberpogrom verlassen hatte. Hermann wendet sich an den hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Da Bauer den eigenen Behörden nicht traut, kontaktiert er den Mossad, der Eichmann schließlich im Mai 1960 entführt. Eichmann wird in Jerusalem vor Gericht gestellt, zum Tode verurteilt und am 31. Mai 1962 hingerichtet. 

Josef Mengele: KZ-Arzt von Auschwitz. Im Juni 1945 verhaftet, im September auf den Namen Fritz Hollmann entlassen. Versteckt sich als Knecht auf einem Bauernhof im bayrischen Mangolding. Im Frühsommer 1948 wird für Mengele der Personalausweis Nr. 114 der südtirolischen Stadt Termeno auf den Namen Helmut Gregor ausgestellt. 1949 begibt er sich über die Klosterroute nach Italien und erhält am 16. Mai 1949 in Genua einen Rote-Kreuz-Pass. Am 25. Mai 1949 schifft er sich in Genua an Bord der North King mit dem Reiseziel Buenos Aires ein. 1956 beantragt er bei der deutschen Botschaft einen Reisepass auf seinen wirklichen Namen. Flüchtet 1960 nach Paraguay und später nach Brasilien. Mengele ertrinkt am 7. Februar 1979 am Strand von Bertioga in der Nähe von Sao Paulo. 

Erich Priebke: SS-Hauptsturmführer, rechte Hand des Gestapo-Chefs von Rom, Herbert Kappler. Am 24. März 1944 beteiligt am Massaker in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom, Erschießung von 335 Geiseln. 13. Mai 1945 verhaftet, in der Sylvesternacht 1946 Flucht aus dem britischen Internierungslager Rimini. Begibt sich direkt „in die Arme der katholischen Kirche“. Lebt zwei Jahre in Sterzing in Südtirol. Entschließt sich 1948 nach der Verurteilung Kapplers durch ein italienisches Gericht, Europa zu verlassen. Hudal verhilft ihm zu einem Identitätspapier des Vatikans und einem Rote-Kreuz-Pass auf den Namen Otto Pape. Schifft sich mit Familie am 23. Oktober 1948 in Genua ein, drei Wochen später Ankunft in Buenos Aires. Zieht 1954 nach Bariloche in den Anden. Lässt regelmäßig seinen Pass auf seinen wirklichen Namen verlängern, reist nach Deutschland und Italien. Ein Verfahren in Deutschland wird 1971 eingestellt, der zuständige Staatsanwalt der Dortmunder Zentralstelle zur Verfolgung von NS-Verbrechen, Dr. Hesse, ist ein ehemaliges NSDAP-Mitglied. 1994 spürt ein amerikanisches Filmteam Priebke in Bariloche auf. Vor laufender Kamera gesteht er seine Beteiligung an dem Massaker in den Ardeatinischen Höhlen. 1995 wird er nach Rom ausgeliefert und am 7. März 1998 zu lebenslanger Haft verurteilt. 

Gerhard Bohne: Verwaltungsleiter der Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten, verantwortlich für die Planung der Euthanasie-Mordaktionen. Gegen Ende des Krieges in Italien von amerikanischen Truppen gefangen genommen, später freigelassen. Arbeitet in einer Anwaltspraxis in Düsseldorf. Flüchtet 1948 nach Italien. Bekommt einen Rote-Kreuz-Pass auf seinen wirklichen Namen, unterschrieben von Draganovic. Januar 1949 Einschiffung in Genua an Bord der Ana C, Ankunft Buenos Aires 29. Januar 1949. Gibt als Wohnadresse ein Apartment Fuldners an. Bohne kehrt später nach Deutschland zurück und wird im Frankfurter Euthanasieverfahren angeklagt. 1959 Verhaftung, 1963 Haftverschonung, erneute Flucht nach Buenos Aires, 1966 als erster NS-Verbrecher aus Argentinien ausgeliefert. 1968 für verhandlungsunfähig erklärt, Verfahren ein Jahr später eingestellt, gestorben 1981.

Josef Schwammberger: 1941 Kommandeur der Sicherheitspolizei in Krakau, ab 1942 SS-Kommandant von drei Zwangsarbeiterlagern in Polen, u.a. des Ghettos A in Przemysl, Sadist und Täter aus Mordlust, verantwortlich für den Tod zahlloser Juden. Juli 1945 verhaftet in Innsbruck, Januar 1948 Flucht aus französischem Internierungslager. In Rom von Hudal versteckt. Auf Antrag der Reiseagentur Vianord, die von Fuldner als Tarnadresse benutzt wird, Einreisegenehmigung auf seinen wirklichen Namen für Argentinien. 19. März 1949 Ankunft an Bord der Campana in Argentinien. Schwammberger lässt sich in Bariloche nieder und arbeitet für deutsche Firmen wie Siemens. Erhält 1963 von der deutschen Botschaft einen neuen Reisepass. 1987 Verhaftung, 1990 ausgeliefert. 1992 zu lebenslanger Haft verurteilt, 2004 im Vollzugskrankenhaus Hohenasperg gestorben.