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Gegenpart zu Venezuela und Bolivien

Schlüsselfiguren aus Obamas Kabinett und ihre Positionen zu Lateinamerika

Obama will eine „Neue Partnerschaft“ für den amerikanischen Kontinent. Klar ist, dass sich der Tonfall ändern wird, ein Dialog „auf Augenhöhe“ wird gar angestrebt. Mit Mexikos Präsident Calderón hat sich Obama schon vor seinem Amtsantritt getroffen, um u.a. über die Fortführung der US-amerikanischen Militärhilfe im Rahmen der sog. Mérida-Initiative zu verhandeln. Brasilien wird ein wichtiger Bündnispartner in Sachen alternativer Energieversorgung werden; wie sich das sehr spezielle Verhältnis zu Kolumbien weiter entwickelt, dürfte spannend werden. Neben Chef Obama wird auch sein neues Team für die Gestaltung der Lateinamerikapolitik sorgen. Sehen wir uns einmal an, welch politische Vorgeschichte die für Lateinamerika relevanten Figuren aus Obamas Kabinett mitbringen und was sie in den letzten Wochen von sich gegeben haben. 

Britt Weyde

Hillary Clinton wird die erste Außenministerin der USA sein, die Lateinamerika bereits persönlich bereist hat. Als Präsidentengattin ist sie in mehr als 15 Ländern der Region gewesen und hat mehrere (ehemalige) PräsidentInnen getroffen. Clinton gehört eher dem rechten Demokraten-Flügel an und wird den „Falken“ zugerechnet, die eine harte, Krieg befürwortende Linie verfolgen. In ihrer Zeit als New Yorker Senatorin stimmte sie z.B. auch für den Bau der mexikanischen Grenzmauer und unterstützte eine öffentliche Verurteilung von Venezuelas Präsident Chávez wegen seiner Bemerkungen gegen Ex-Präsident Bush vor den Vereinten Nationen im September 2006. 

Seitdem Clinton nun ihr neues Amt bekleidet, lässt sie immer wieder die Formel von der smart power fallen. Damit ist ein besonnener Einsatz aller außenpolitischen Mittel gemeint, im Gegensatz zur Vorrangstellung der militärischen Komponente unter George W. Bush. Die zukünftige Außenpolitik werde auf drei Säulen stehen: Diplomatie, Entwicklungshilfe und militärisches Engagement. In ihrer Anhörung vor dem Senat schlug Clinton gegenüber Cuba versöhnlichere Töne an als erwartet. Auf schriftliche Fragen erwiderte sie, dass die neue Regierung beabsichtige, die Politik gegenüber Havanna einer „Überprüfung“ zu unterziehen, was u.a. eine mögliche Erhöhung der Agrarexporte einschließe, des Weiteren eine bilaterale Zusammenarbeit in Umweltfragen und Energieversorgung sowie die Möglichkeit, Cuba von der Liste der Staaten zu streichen, die Terroristen unterstützen (dort ist Cuba seit 1982 gelistet).

Im Hinblick auf Lateinamerika sagte sie, dass die neue Administration eine „positive Agenda“ für die Region haben müsse, um der „Angst zu begegnen, die von Chávez und Evo Morales verbreitet wird.“ Auch während ihrer Kampagne als Präsidentschaftskandidatin hatte sie die Regierungen Venezuelas und Boliviens kritisiert, ebenso ihren damaligen Konkurrenten und jetzigen Vorgesetzten Obama, da er sich dazu bereit erklärt hatte, sich „ohne Vorbedingungen auch mit Diktatoren“ zu treffen. Wichtig zu erwähnen ist ferner, dass Hillary Clinton gegen ein Freihandelsabkommen mit Kolumbien ist, auch wenn sich ihr Ehemann Bill dafür ausgesprochen hat.

Clintons Vize, Unterstaatssekretär John Steinberg, sprach in seiner Anhörung vor dem Senat viel mehr über lateinamerikanische Themen als die Außenministerin selbst wenige Tage zuvor. Die USA müssten wieder die Führerschaft in der Hemisphäre übernehmen und eine neue Zusammenarbeit anstreben. Die Bush-Regierung hätte keine eigenständige Strategie für die Region besessen, vielmehr hätte sie lediglich reagiert. Die Aktionen der Vorgängerregierung seien außerdem zu einseitig auf den Kampf gegen die Drogen ausgerichtet gewesen. „Unsere Freunde in Lateinamerika wenden sich an die USA, damit wir der Region eine stabile Führung bieten, als Gegengewicht zu Regierungen, wie sie aktuell in Venezuela und Bolivien an der Macht sind, und die eine Politik verfolgen, die weder ihrer Bevölkerung noch der Region dienlich ist.“ 

Zum zukünftigen Umgang mit Venezuela befragt, nahm er kein Blatt vor den Mund. „Viel zu lange haben wir Chávez machen lassen, dessen Aktionen und Visionen weder seinen Bürgern noch irgend jemandem sonst in Lateinamerika helfen. Wir möchten eine aktivere Rolle in Lateinamerika übernehmen, mit einem positiven Ansatz, der es vermeidet, Präsident Chávez und seinen unheimlichen Versuchen, die regionale Agenda zu dominieren, übermäßig viel Aufmerksamkeit zu schenken.“ 

Die neue Heimatschutzministerin Janet Napolitano bekleidete vorher u.a. den Posten als Bundesstaatsanwältin und zuletzt als Gouverneurin von Texas. Migrationsexperte Tom Barry vom Washingtoner Center for International Policy sagt von ihr, dass sie „auf keinen Fall als Anti-Einwanderungs-Hardlinerin“ bezeichnet werden kann. Doch als Gouverneurin hat sie in Sachen Einwanderungspolitik eine harte Linie verfolgt: militärische Aufrüstung an der Grenze, aber auch scharfe Sanktionen gegen Arbeitgeber, die MigrantInnen ohne gültige Papiere beschäftigen (siehe auch Beitrag von David Bacon auf S. 22). Sie wird auf jeden Fall keine leichte Aufgabe haben. 

Das Heimatschutzministerium (DHS) ist eine Mammutbehörde, das nach den Anschlägen vom 11. September 2001 geschaffen wurde. Das drittgrößte US-Ministerium ist sehr unübersichtlich und mit so verschiedenen Aufgaben wie Terrorabwehr, Grenzsicherung und Katastrophenhilfe betraut. Eine ernsthafte Einwanderungsreform, meint Tom Barry, sollte zunächst dafür sorgen, dass das DHS und seine auf Antiterrorkampf ausgerichtete Bürokratie nicht mehr für Einwanderungsfragen zuständig ist, stattdessen sollte die Thematik beim Handels- oder Arbeitsministerium angesiedelt sein.

Womit wir bei der einzigen Hoffnungsträgerin auf weiter Flur wären, der Arbeitsministerin Hilda Solís. Die kalifornische Abgeordnete stammt aus einer Arbeiterfamilie mit mexikanisch-nicaraguanischem Migrationshintergrund. MigrantInnen-Organisationen und Gewerkschaften beglückwünschten Obama zu ihrer Ernennung. Die 51jährige gilt als liberal und gewerkschaftsnah; Arbeitsbedingungen, Umweltthemen und Geschlechtergerechtigkeit sind stets wichtige Themen für sie gewesen: So hat sie sich z.B. für höhere Mindestlöhne eingesetzt und vertritt als Katholikin eine liberale Haltung gegenüber Abtreibungen.

Der Sondergesandte für Lateinamerika, im Original Assistant Secretary for the Western Hemisphere,Thomas Shannon jr., bleibt bis zum Amerikagipfel in Trinidad und Tobago im April 2009 im Amt. Shannons Meinung nach wird es in seiner verbleibenden Amtszeit keine Reibungsverluste mit der neuen Administration geben, da Obamas Politik gegenüber Lateinamerika Kontinuität verspreche. Kurz vor Obamas Amtsantritt sagte er auf einem Treffen in Madrid, im Hinblick auf Lateinamerika werde es „keine großen Veränderungen geben. Wir haben die gleiche strategische Vision für die Region“. Seiner Meinung nach hinterlasse George W. Bush seinem Nachfolger ein gutes Erbe, das als „Ausgangsbasis“ dient, um die Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika „aufzubauen und zu vertiefen.“ Als sein möglicher Nachfolger werden der Rechtsanwalt und ehemalige Mitarbeiter der Clinton-Regierung Frank Sánchez aus Tampa, Dan Restrepo, der von Obamas Übergangsteamchef John Podestá unterstützt wird, sowie Arturo Valenzuela, ebenfalls damals für Bill Clinton als Berater tätig, genannt.

In Lateinamerika wurde kritisch aufgenommen, dass ein weiterer ehemaliger Clinton-Mitarbeiter,Greg Craig, zu einem der engsten außenpolitischen Berater in Obamas Team berufen wurde. Zu den Klienten des Rechtsanwalts Craig zählt nämlich auch der ehemalige bolivianische Präsident Gonzalo Sánchez de Lozada: Gegen ihn liegt wegen seines brutalen Vorgehens gegen den Volksaufstand 2003 ein Auslieferungsantrag an Bolivien vor.