Trump-Luft im Andenstaat
Am 9. Februar 2025 fanden in Ecuador Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Für das höchste Amt im Staat traten 16 Kandidat*innen an. Das Ergebnis zeigt die tiefe Polarisierung des Landes: Der bisherige Amtsinhaber Daniel Noboa von der Acción Democrática Nacional (ADN) und seine Herausforderin Luisa González vom Movimiento Revolución Ciudadana (RC) lagen nur einen halben Prozentpunkt auseinander. Leonidas Iza, Kandidat der indigenen Partei Movimiento de Unidad Plurinacional Pachakutik, erreichte etwas mehr als fünf Prozent, Andrea González von der rechtskonservativen Unidad Popular knapp drei Prozent. Die zwölf anderen Bewerber*innen blieben jeweils unter einem Prozent. Da die beiden Bestplatzierten die erforderliche absolute Mehrheit verfehlten, findet am 13. April eine Stichwahl statt. Ein ähnliches Ergebnis zeigt sich auch im neu gewählten Parlament: Von den 151 Abgeordneten entfallen auf ADN 66 und auf RC 64 Mandate.
Daniel Noboa entstammt einer der reichsten Familien Ecuadors, die mit dem Handel von Bananen ein Milliardenvermögen angehäuft hat. Daniels Vater versuchte fünf Mal vergeblich, das Präsidentenamt zu erobern. Der Sohn studierte an den exklusivsten Universitäten in den Vereinigten Staaten und ist erst vor wenigen Jahren ins politische Geschäft eingestiegen. Nachdem Präsident Guillermo Lasso (2021-2023) wegen Korruptionsvorwürfen gegen ihn vorgezogene Neuwahlen anberaumt hatte, wurde der bis dahin unbekannte Daniel Noboa im zweiten Wahlgang zum neuen Präsidenten gewählt. Er zeigte sich in seiner eineinhalbjährigen Amtszeit wenig in der Öffentlichkeit. Lieber nutzte er die sozialen Medien als Kommunikationsforum. Das größte Problem in jüngster Zeit waren die Kämpfe der Drogenmafia untereinander und gegen den Staat, die Kriminalität marodierender Banden und die überbordende Gewalt in den Gefängnissen. Noboa versuchte, die landesweit verbreitete Unsicherheit zu bekämpfen, indem er nach dem Vorbild des salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele Polizei und Militär massiv aufrüstete (siehe u.a. ila 480, 482 und 483). Ohne nennenswerten Erfolg.
Auch bei der Verfolgung seiner politischen Gegner*innen zeigte er sich wenig zimperlich. Im April 2024 drang die Polizei gewaltsam und völkerrechtswidrig in die mexikanische Botschaft in Quito ein, um den Ex-Vizepräsidenten Jorge Glas, der dort Asyl erbeten hatte, festzunehmen. Noboas Wirtschafts- und Sozialpolitik war geprägt von massiven Steuererhöhungen, allerdings nicht um die Armut und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, sondern hauptsächlich um sein aufwändiges Sicherheitsprogramm zu finanzieren. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 12 auf 15 Prozent und die Einführung von Arbeitsverträgen auf Stundenbasis haben die unteren Schichten der Bevölkerung hart getroffen. Vor allem der marode Energiesektor – im Herbst vorigen Jahres war es zu stundenlangen Stromausfällen im ganzen Land gekommen – müsste durch kräftige staatliche Investitionen gefördert werden.
Missachtung von Recht und Gesetz
Hinzu kommt, dass es der amtierende Präsident mit der Verfassungstreue und der Anerkennung der Justiz nicht besonders ernst nimmt. Das Zerwürfnis zwischen ihm und seiner Vizepräsidentin Verónica Abad zeigte sich schon bald nach Amtsübernahme. Zunächst wurde sie als „Botschafterin des Friedens“ nach Tel Aviv abgeschoben, um im israelisch-palästinensischen Konflikt zu vermitteln, später „aus Sicherheitsgründen“ nach Ankara abkommandiert, ohne einen definierten Aufgabenbereich, ohne Bezahlung und Personenschutz. Als Abad daraufhin nach Quito flog, um ihre beiden minderjährigen Söhne zu besuchen, nahm das Arbeitsministerium diese kurze Reise von wenigen Tagen zum Anlass, sie wegen „ungerechtfertigter Abwesenheit vom Dienst“ mit 150 Tagen Arbeitsverbot zu belegen. Ein doppelter Rechtsbruch, da eine solche Maßnahme nur für Beamt*innen vorgesehen ist und nicht für eine gewählte Repräsentantin des Staates. Außerdem ist die Höchstdauer dieser Maßnahme auf 30 Tage beschränkt und darf nicht für die Dauer von fünf Monaten verhängt werden. Noboa wollte sie dauerhaft loswerden, entließ sie gegen ihren Willen per Dekret und ernannte Sariha Moya zur neuen Vizepräsidentin. Der Grund für diese verfassungswidrige Entscheidung war die Angst des Präsidenten, er müsse, da er laut Gesetz während des Wahlkampfes sein Amt nicht ausüben darf, seiner Vizepräsidentin die Regierungsgeschäfte überlassen. Parlamentarische Initiativen und juristische Urteile gegen diese präsidentielle Willkür ließen ihn unbeeindruckt. Die ausgeprägte Medienaffinität, die lächerlichen Selbstinszenierungsspektakel vor der Wahl und die willkürliche Missachtung von Recht und Gesetz lassen ein wenig Trump-Luft durch den Andenstaat wehen. Das verspricht im Falle seiner Wiederwahl nichts Gutes.
Luisa González, Noboas Konkurrentin im zweiten Wahlgang am 13. April, ist das Gegenteil ihres Rivalen. Die 47-jährige Anwältin ist schon lange in verschiedenen politischen Ämtern tätig gewesen. Bei ihrer Karriere wurde sie entscheidend durch den heute im belgischen Exil lebenden Ex-Präsidenten Rafael Correa (2007-2017) gefördert. Im Wahlkampf trat sie behutsam und mäßigend auf und mied möglichst jede Polarisierung. Ihr Wahlprogramm konnte jedoch nicht richtig mitreißen. Sie will die Sozial- und Wohlfahrtsprogramme Correas reaktivieren und Milliarden US-Dollar in die Verbesserung der Infrastruktur stecken. Umweltpolitisch will sie einerseits die Tierrechte stärken, andererseits die Erdölförderung im Nationalpark Yasuní vorantreiben. Umstritten ist auch ihre uneingeschränkt positive Haltung gegenüber der katholischen Kirche, was dazu führte, dass sie als Parlamentsabgeordnete gegen einen Gesetzentwurf zur Abtreibung nach einer Vergewaltigung stimmte.
Leonidas Iza: Schlechte Erfahrungen mit Correa
Es lohnt, einen gesonderten Blick auf Leonidas Iza, den Vorsitzenden der indigenen Dachorganisation Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador (Conaie) zu werfen. Als Anführer der Pachakutik-Bewegung, dem politischen Arm der Conaie im Parlament, wird ihm trotz seines mageren Wahlergebnisses eine gewisse Bedeutung zugesprochen. Aufgrund seiner aktiven außerparlamentarischen Arbeit ist er für die rund eine Million zählende indigene Bevölkerung (von knapp 18 Millionen Ecuadorianer*innen) ein wichtiger Akteur. Als scharfer Gegner der Wirtschafts- und Sicherheitspolitik Noboas fordert er die Anerkennung und den Respekt vor den zivilisatorischen Leistungen der indigenen Bevölkerung, eine Basisdemokratie auf Gemeindeebene, das Fortbestehen der traditionellen indigenen Rechtsprechung im ländlichen Raum und die Etablierung einer familiären und gemeinschaftlichen Wirtschaftsordnung neben der kapitalistischen Privatwirtschaft. Iza kritisiert den herrschenden Neoliberalismus und setzt auf einen Staat, der aktiv eingreift (Kontrolle von Arbeitsrechten, Regulierung von großen Gewinnen und Schutz von Kleinproduzent*innen vor Freihandelsverträgen). Noboas Militarisierung von Staat und Gesellschaft schadet seiner Meinung nach den Armen, die hauptsächlich die hohen Kosten für die Aufrüstung tragen müssen. In der Regel sind sie es auch, die zu Opfern der grassierenden Bandenkriminalität werden, während sich die Reichen weitgehend schützen können und obendrein an den Drogen-Milliarden kräftig mitverdienen. Die Wähler*innen Izas könnten bei der Stichwahl im April das Zünglein an der Waage sein. Aufgrund seiner schlechten Erfahrungen mit Rafael Correa (der zunächst seinen Ideen gegenüber aufgeschlossen war, als Präsident und danach aber nichts mehr von einer indigenenfreundlichen Politik wissen wollte) und wegen des demonstrativen Desinteresses von Luisa González an den Forderungen Izas hat er lange mit einer klaren Wahlempfehlung für die Revolución Ciudadana gezögert. Am 30. März haben RC und Pachakutik nun ein programmatisches Abkommen unterschrieben: Es gelte, dem Vormarsch einer gewalttätigen und antidemokratischen Rechten entgegenzutreten.