Das Regime und die Reservate
Wir sind die Hüter des Waldes. Aber ohne die Unterstützung der Polizei oder des Umweltministeriums können wir überhaupt nichts erreichen“, bringt es der Waldranger Margarito McRea auf den Punkt: „Wenn uns niemand hilft, werden uns die Siedler vertreiben und das Reservat zerstören.“ Margarito gehört zu einer Gruppe von Waldrangern der Lokalregierung, die die indigene Gruppe der Rama gemeinsam mit der afrokaribischen Gemeinschaft der Kriol vertritt. Von 2017 bis 2023 begleiteten Camilo de Castro Belli und Brad Allgood die Waldranger. Sie kontaktierten zunächst die regionalen Gemeinschaften der Rama und Kriol und filmten sie dann mit deren Unterstützung (im Abspann werden zahlreiche Produktionsassistent*innen aus den Gemeinschaften von Greytown und vom Río Indio genannt).
Der rote Faden sind die Patrouillenfahrten auf dem Río Indio, quer durch das nach dem Fluss benannte Reservat. Die Flüsse sind im tropischen Regenwald Reise- und Transportwege. Die Doku begleitet aber nicht nur die ausschließlich männlichen Waldranger beim Patrouillieren auf dem Boot. Armando John McRea ist auch mit seinen Kindern am Fluss zu sehen. Was der Hurrikan für ein Tier sei, fragt der Sohn seinen Vater. Der erklärt ihm das Naturphänomen: sehr starker Wind und Regen. Auf einer Patrouillenfahrt wurden die Waldranger zuvor vom Hurrikan Otto überrascht, der im November 2016 für große Zerstörung im Reservat sorgte. Bevor der Hurrikan loswütete, hatten sie Siedlerfamilien aufgesucht, deren Spuren sie entdeckt hatten: ehemalige Waldstücke, von den Siedler*innen niedergebrannt und niedergesägt, auf denen sie ein Holzhaus errichtet haben und Rinder züchten.
Die Ranger sprechen die Siedlerfamilien an, machen sie darauf aufmerksam, dass ihre Ansiedlung illegal ist und sie gegen das Gesetz zum Schutz der Reservate und der indigenen Gruppen verstoßen. Sie drohen den Siedlerfamilien nicht, sie ermahnen sie. Doch die Siedelnden sind meistens Landlose. Sie hören sich zwar die Ermahnungen an, erklären dann aber, sie müssten auch von irgendetwas leben, das Land im Reservat sei doch herrenlos und ungenutzt. Dass sie für reiche Rinderzüchter tätig sind, verschweigen sie.
Immer wieder kommt das Gespräch darauf, dass die Waldranger die Regierung von Präsident Daniel Ortega zum Handeln bewegen müssten. Schließlich könnten hier nur das eigentlich zuständige, aber untätige Umweltministerium sowie die nationale Polizei für die nötige Regulierung sorgen, also für die Durchsetzung von Gesetzen zum Schutz der Reservate, die nur auf dem Papier existieren.
Ursprüngliche Akkumulation
Eine Delegation der Lokalregierung der Rama und Kriol wird auf eine dreitägige anstrengende Anreise nach Bluefields begleitet. In der nächstgrößeren Stadt an der südöstlichen Karibikküste Nicaraguas wollen sie dem Vertreter des Umweltministeriums Beweise für das Eindringen und die Zerstörung durch die illegal agierenden Rinderzüchter vorlegen. Der Beamte erklärt findig, für eine Prüfung der Vorwürfe müsste die Regionalkommission zusammentreten. Ob die Lokalregierung denn genug Geld hätte, um die Reisekosten für alle Teilnehmenden zu bezahlen?
Damit ist die Delegation ausgebremst, eine Prüfung der Umweltzerstörung findet nicht statt. Der Film beantwortet die Frage nach dem Warum: In einem Nachrichtenausschnitt ist Präsident Daniel Ortega zu sehen, wie er mit dem Präsidenten des Fleischexportkonzerns SuKarne einen neuen Schlachthof einweiht und verkündet, der Rindfleischexport werde weiter steigen und dem Land Wohlstand bringen.
Filmemacher Camilo de Castro Belli wurde von Daniel Ortegas Regierung ausgewiesen, genau wie seine Mutter, die Schriftstellerin Gioconda Belli. Beide leben mittlerweile im Exil und gehören zu den Hunderten von Oppositionellen, die 2023 ausgebürgert wurden. „Nicaragua erlebt einen der schlimmsten Momente seiner jüngeren Geschichte. Wir sind mit einer brutalen Diktatur konfrontiert, viele Umweltschützer und Menschenrechtsverteidiger mussten das Land verlassen, um einer Inhaftierung zu entgehen. Ortega hat fast 25 Prozent des Staatsgebiets an Bergbauunternehmen vergeben und begünstigt Gruppen, die gesetzwidrig Gold schürfen, Holz exportieren und Fleisch in die Vereinigten Staaten verkaufen“, erklärte Camilo de Castro Belli im Interview mit dem Blog Mongabay. De Castro Belli und sein Ko-Regisseur und Kameramann Brad Allgood haben den Dokumentarfilm, der das Publikum zu Zeug*innen einer aggressiven Landnahme und zerstörerischen ursprünglichen Akkumulation werden lässt, im Exil in den USA fertiggestellt. Mit dem Film wollen sie die internationale Solidaritätskampagne zur Rettung des Reservats Indio Maíz unterstützen.
Camilo de Castro Belli, Brad Allgood, „Patrol“ (OT: „Patrullaje“), Nicaragua/USA 2023, 83 min., Kreolisch/Englisch/Spanisch OmdU & OmeU, seit 6. März in Programmkinos