Für wen wird eigentlich die Energiewende gemacht? Das fragten wir in der ila von Mai 2024. Was wir festgestellt haben, war wenig überraschend: vor allem für die, die auch im fossilen Zeitalter zu den Gewinnern zählten. Aber Moment mal – im fossilen Zeitalter? Klingt, als wäre das schon vorbei. Doch das ist reine Wunschvorstellung. Allein im letzten Jahr stieg der Energieverbrauch weltweit um 2,2 Prozent. Das geht aus dem Globalen Energiebericht der Internationalen Energieagentur hervor. Die Treiber sind demnach vor allem die Stromfresser Klimaanlagen und KI. Zwar stieg der Verbrauch der Erneuerbaren am meisten, aber auch die Energieträger Erdöl und Gas legten zu. Das zeigt: Die Energiewende ist bisher eher eine Energieblende.

Die eurozentrischen Antworten auf die Klimakrise reichen von CO2-Verpressung über Subventionen für E-Autos bis zu Investitionen in den Aufbau einer Wasserstoffindustrie. Als wären diese Maßnahmen nicht ohnehin ungenügend, weist die weltweite Tendenz inmitten des Rechtsrucks in Richtung weniger Klimaschutz statt mehr. Auf der anderen Seite der globalen – und sozialen – Medaille kämpfen Menschen gegen die alten (Erdöl, Monokulturen) und neuen (Wasser, kritische Rohstoffe) Extraktivismen.

In der letzten Energiewende-Ausgabe konnten wir wichtige Bausteine zur Analyse der globalen Energiepolitiken liefern: Konzepte wie Energieimperialismus oder Energiekolonialismus besitzen vor allem politische Schlagkraft, werden den verschiedenen nationalen und lokalen Kontexten aber nur selten gerecht. Es macht einen Unterschied, ob ein Land auf neoliberalen Ausverkauf (wie Argentinien) oder auf Industrialisierung (wie Chile) setzt.

Trotzdem blieben wir mit langen Gesichtern zurück. Ist es ausweglos, eine gerechte Energie­wende zu gestalten? Das wollten wir nicht glauben – und haben weiter recherchiert. Wir haben Engagierte sozialer und indigener Bewegungen gefragt sowie progressive Wissenschaftler*innen: Wie diskutiert ihr über eine gerechte Energiewende? Habt ihr Antworten, wie wir es schaffen, global gesehen den Rohstoffbedarf herunterzufahren? Wie wir in Zukunft Energieproduktion organisieren wollen? Durch welche demokratischen Prozesse und auf welchen Ebenen wir entscheiden, welche Industrien und Wirtschaftsbereiche es für ein gutes Leben wirklich braucht?

Auf unsere großen Fragen haben wir große Antworten samt neuer Fragen bekommen – und ein paar konkrete Vorschläge, die eher auf der lokalen Ebene verankert sind. Dass die Klimakrise ein direktes Produkt der kapitalistisch-imperia­len Wirtschaftsweise ist, diese Analyse wird in sozialen Bewegungen und der progressiven Wissenschaft breit geteilt. Doch den Masterplan zur Überwindung gibt es nicht.

Regierungen, Großorganisationen, Unternehmen und die etablierte Wissenschaft bleiben im besten Fall weit hinter den Notwendigkeiten zurück. Im schlechtesten zerstören sie bestehende Ansätze. Konzepte einer sozialökologischen Transformation müssen ohne, ja oft gegen sie entwickelt werden. Und dazu tragen auch die kleinteiligsten Kämpfe um selbstbestimmte Entwicklungswege bei. Zusammen ergeben sie ein Mosaik der Alternativen. In Bolivien haben Gemeinden den Goldbergbau aus ihren Territorien verbannt und setzen stattdessen auf Agrarökologie. Gold ist zwar kein kritischer Rohstoff der Energiewende, aber die bolivianische Erfahrung kann Vorbildcharakter für andere haben. In Chile regt sich – wenn auch leise – Widerstand dagegen, dass die Zivilgesellschaft bei der Entwicklung der natio­nalen Wasserstoffstrategie nicht ausreichend beteiligt ist. Und Gemeinden im peruanischen Amazonas installieren Photovoltaiksysteme, bilden sich weiter und eröffnen so neue ökonomische Perspektiven.

Unser Dossier gliedert sich entlang der wesentlichen Bausteine einer gerechten Energiewende: Senkung des Konsums, Veränderung der Produktion, staatliche Regulierung, basisdemokratische Prozesse, Vernetzung über Grenzen, Aufbau dezentraler Alternativen.

Ob aus diesen Bausteinen eine global enger vernetzte Bewegung für eine sozialökologische Transformation erwächst? Wir bleiben dran.