Unmögliche Kindheit
Der Vater kurz nach ihrer Geburt gestorben, die Mutter Alkoholikerin und Prostituierte, der Stiefvater die linke Hand des örtlichen Clanchefs, der Geschichtslehrer ein übergriffiger Geldsack. Tête fêlées Jugend steht unter keinem guten Stern. Ihr Zuhause: eine Bruchbude ohne Wasseranschluss in Cité de Dieu, „einem verkommenen Viertel“ in einer „Drecksgegend“. Für den Partner ihrer Mutter, „Papa“, erledigt sie kleinere Jobs. Aber sie will mehr als nur überleben. Sie ist auf der Suche nach Licht. Ihr Fixpunkt am Firmament ist eine Klassenkameradin, Tête fêlée vergöttert sie. Heimlich schreibt sie ihr Liebesbriefe und nennt sie zärtlich „mein liebes Mondmädchen“. Dummerweise ist ihr Crush die Tochter des überheblichen Geschichtslehrers. Und der geht eines Tages zu weit. Tête fêlée muss ihre Würde wiederherstellen. Auch Fleur d’Orange, die alkoholkranke Mutter, begeht einen Fehler. Ein Politiker von der falschen Seite gehört zu ihren Stammkunden. Als Papas Auftraggeber, der Clanchef „Metall-Engel“, das herausfindet, scheint das Schicksal von Fleur d’Orange besiegelt.
In bildreicher Sprache (Chapeau an die Übersetzerin!) erzählt Jean D‘Amérique den Lebenskampf eines jungen Mädchens, das zu einer unwahrscheinlichen Liebe fähig ist. „Das ist meine Figur, ich kann ihr poetische und politische Worte in den Mund legen“, erklärt der Autor auf einer Lesung. Absolute Lieblingsszene: Der Besuch im Leichenschauhaus, wo sich Tête fêlée mit den Bestatterinnen unterhält, die ihren Job „in erster Linie aus Liebe machen, um die Leichen zu pflegen, wie es sich gehört“. Liebe und Tod vereint! Der Autor selbst gibt zu, dass er viel Spaß beim Schreiben dieser Szene hatte und sich bereits überlegte, eine eigenständige Geschichte daraus entstehen zu lassen. Auf jeden Fall freuen wir uns auf weitere Geschichten dieses jungen haitianischen Poeten.