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Sechs Tage nicht unter Terrorismusverdacht

USA/Cuba: Ein Kommentar zu einer Farce

Als eine ihrer letzten Amtshandlungen nahm die Biden-Administration Cuba von der Liste der sogenannten Sponsoren des Terrorismus, auf der das Land als Abschiedsgeschenk der ersten Trump- Regierung platziert worden war. Die Maßnahme hatte schwerwiegende wirtschaftliche Implikationen: Abkopplung vom internationalen Finanzsystem, Behinderung der Erdöltransporte und eine massive Schwächung des Tourismus. Im Gegenzug lässt Cuba 553 Gefangene frei, größtenteils Cubaner*innen, die im Zusammenhang mit den Unruhen vom 11. Juli 2021 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren. Gern hätte man von Joe Biden gehört, warum er mit einer solchen Entscheidung bis fast zum letzten Tag seiner Präsidentschaft gewartet hat. Denn schon sechs Tage später, am Tag eins nach seiner Inthronisierung, setzte Donald Trump in einem seiner ersten Dekrete Cuba wieder auf die berüchtigte Liste.

Andreas Hesse

Noch im Dezember letzten Jahres hatte der bisherige Außenminister Anthony Blinken mit der ihm eigenen Betroffenheitsmiene den Status Quo verteidigt. Es gebe keinen Grund, ihn zu verändern. Nur einen Monat später sah Joe Biden keine Anhaltspunkte für eine Unterstützung des Terrorismus durch Cuba. Von Anthony Blinken gab es weder zur Entscheidung seines Chefs noch zu seiner eigenen Fehleinschätzung eine bekannt gewordene Äußerung. Kann das Hakenschlagen der US-Politik in einen glaubwürdigen Zusammenhang mit einem entsprechenden Zickzackkurs auf cubanischer Seite gebracht werden? Oder handelt es sich dabei ausschließlich um ein Produkt innenpolitischer Vorgänge in Washington?

Vielleicht sollte man auf Marco Rubio hören, Trumps neuen Außenminister mit exilcubanischem Hintergrund, der gern erläutert, worum es geht. Nach Bidens Entscheidung ließ Rubio umgehend verlauten, Cuba gehöre sehr wohl sofort wieder auf die Liste. Neben Cubas Positionierung zum Nahen Osten führte er Havannas Unterstützung der kolumbianischen FARC-Guerilla als Begründung an. Rubio erwähnte nicht das durch cubanische Vermittlung in Havanna zustande gekommene Friedensabkommen zwischen Bogotá und der FARC. Das reale Kolumbien und seine politischen Verhältnisse spielen für den neuen US-Außenminister genauso wenig eine Rolle wie das reale Cuba und dessen Tun oder Nichttun. Rubio ist im Kampfmodus und Cuba bloß eine Zielscheibe und Projektionsfläche. Ob Cuba Gefangene macht oder freilässt, ist wurscht. Der verstorbene frühere US-Außenminister Colin Powell nannte die Aufnahme Cubas auf die Liste „eine Fiktion, die wir geschaffen haben, um die Begründung für die Blockade zu untermauern“.

Die Freilassungen einer hohen Zahl von Gefangenen bestätigt die These von Arturo López-Levy, Experte für Außenbeziehungen von der Autonomen Universität Madrid: Für die Inhaftierten des Aufstands vom 11. Juli 2021 gebe es erst dann eine Chance auf vorzeitige Freilassung, wenn die USA ihre feindselige Haltung aufgeben oder lockern. Die umgekehrte Logik, nämlich die Daumenschrauben anzuziehen, wie es von der exilcubanischen Organisation „Prisoners defenders“ vertreten wird, ist wirkungslos und zynisch. Die Organisation propagiert eine Verschärfung der Blockade gegen Cuba und gibt vor, auf diese Weise etwas für die Inhaftierten zu tun. Diese Haltung tobt sich auf dem Rücken der Bevölkerung aus.

Gehen aber nach dem Zurückdrehen der Uhr durch Trump nun die Freilassungen, die bereits eine dreistellige Zahl erreicht haben, tatsächlich weiter? Das ist noch unklar, aber Havanna steht gegenüber dem Vatikan, zu dem Cuba traditionell gute Beziehungen unterhält und der den „Deal“ offenbar vermittelt hatte, im Wort. Washington kann wortbrüchig werden, Havanna nicht.

Unter den ersten Freigelassenen befindet sich zur allgemeinen Überraschung der bekannte Dissident José Daniel Ferrer. Der als autoritär geltende Systemgegner ist offenbar weiterhin unangefochtene Spitzenfigur der Oppositionsbewegung UNPACU (Unión Patriótica de Cuba) im Osten Cubas. Dabei sah er sich noch vor wenigen Jahren mit heftigen Vorwürfen aus den eigenen Reihen wegen Gewaltanwendung an internen Kritiker*innen und Ex-Ehefrauen sowie wegen Veruntreuung von Geldern aus den USA konfrontiert.

Im Gegensatz zu den cubanischen Gefangenen sind die Langzeitgefangenen in den USA kein Thema. Immerhin hat Biden auf den letzten Drücker wenigstens für einen etwas getan: Leonard Peltier, bis dato dienstältester Politischer Gefangener der westlichen Hemisphäre, darf nach 48 (!) Jahren hinter Gittern in den Hausarrest in der Turtle Mountain Reservation wechseln. Die Liste des Grauens führt nunmehr der afroamerikanische Journalist Mumia Abu Jamal, ebenfalls Opfer rassistischer Willkürjustiz, mit 42 Haftjahren an.

Dass die US Regierung sich selber auf die Liste der Sponsoren des Terrorismus setzen wird, ist übrigens ein nicht verifiziertes Gerücht.