Die Rückkehr der Eisenbahn
Präsident Petro setzt auf die Schiene. Die wichtigsten Linien, etwa am Pazifik, sollen reaktiviert werden, wofür die Regierung viel Geld in die Hand nimmt. Das Verkehrsministerium hat im September 2024 ein entsprechendes Gesetz zur Reaktivierung eingebracht. Evelyn Schreiber hat bei Ministerin García nachgefragt.
Wie groß ist das Schienennetz in Kolumbien und wie viel wird zur Zeit genutzt?
Kolumbien verfügt über ein Eisenbahnnetz von 3533 Kilometern, 1734 sind im Besitz des Nationalen Straßeninstituts (Invías), 1065 Kilometer gehören der Nationalen Infrastrukturagentur (ANI), und 189 Kilometer sind privates Netz. Derzeit sind 1112 km für den Güterverkehr in Betrieb, und zwar die Strecken La Dorada-Chiriguaná, Chiriguaná-Santa Marta und Bogotá-Belencito. Angesichts des Vorhabens, den Eisenbahnverkehr wiederzubeleben, hat die Regierung Investitionen von mehr als 570 Milliarden Pesos (etwa 124 Millionen Euro) getätigt, um die wichtigsten Korridore zu reaktivieren.
Nächstes Jahr werden wir die erste öffentlich-private Partnerschaft für die Eisenbahn in Kolumbien vergeben. Sie betrifft den Korridor La Dorada-Chiriguaná mit einer Länge von 526 Kilometern. Das wird eine zehnjährige Konzession sein, mit einer Investition von 3,4 Milliarden Pesos (etwa 737 000 Euro) für die Sanierung, Verbesserung, den Betrieb und die Wartung dieses Korridors. Dieses Güterprojekt wird ein Meilenstein sein, da es nicht nur die Effizienz steigert, sondern auch zum Wirtschaftswachstum und zur nachhaltigen Entwicklung beiträgt, Arbeitsplätze schafft und Investitionen in andere Bereiche wie den Bau und die Wartung der Infrastruktur fördert.
Mit unserem Regierungsprogramm und dem Nationalen Entwicklungsplan haben wir klare Ziele, um die Reaktivierung des Eisenbahnverkehrs weiter voranzutreiben, auch im Personenverkehr. Das wird sich positiv auf die Umwelt auswirken, da dieses Verkehrsmittel die Abhängigkeit von anderen, umweltschädlicheren Verkehrssystemen verringert.
Derzeit sind unsere fünf wichtigsten Projekte die Regiotram del Norte, Tren del Río, Tren del Valle, Tren del Caribe und Tren del Eje Cafetero. Beim Regiotram del Norte von Bogotá nach Zipaquirá arbeitet die Regierung von Cundinamarca an der Machbarkeitsstudie und kooperiert mit der nationalen Regierung, um die Ziele zu erreichen. Beim Personentransport ist es besonders wichtig, Projekte zu fördern, die die Vororte an Bogotá anbinden: Regiotram de Occidente und Regiotram del Norte.
Wie viele Kilometer sollen jetzt reaktiviert werden?
Wir erwarten Investitionen von über 60 Milliarden Pesos (etwa 13 Millionen Euro) für die Aktivierung der priorisierten Linien, um einen nachhaltigen Betrieb zu gewährleisten und neue Linien zu entwickeln. Derzeit werden die Korridore Titumate-Cupica (267 Kilometer), Tren del Pacífico (560 Kilometer), Tren del Catatumbo (258 Kilometer) und die Verbindung Bogotá-Zentrales Eisenbahnnetz (410 Kilometer) neu strukturiert.
Zusätzlich befinden sich die Abschnitte Bogotá-Belencito und Yumbo-Caimalito (251 Kilometer) in der Machbarkeitsprüfung für öffentliche Bauvorhaben. Wir entwickeln auch das Eisenbahnprojekt Villavicencio-Puerto Gaitán (251 Kilometer), das zusammen mit dem Eisenbahningenieurbataillon der kolumbianischen Armee durchgeführt wird. All diese Projekte sollen bis 2026 weit fortgeschritten sein.
Warum wurden die Strecken nicht mehr genutzt?
Kolumbiens Eisenbahnen haben eine lange Geschichte. Ende des 19. Jahrhunderts wurden Projekte wie die Eisenbahn von Girardot, Puerto Wilches, Antioquia und Sabana realisiert, um neue städtische Gebiete mit dem Fluss Magdalena zu verbinden. Hinzu kam die Pazifik-Eisenbahn, vom Cauca-Tal nach Buenaventura, sowie die Eisenbahn von Norte de Santander, die Cúcuta mit dem Fluss Zulia verbindet.
Von 1854 bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurden in unserem Land 3500 Kilometer Schienennetz gebaut. Trotz dieses Fortschritts gab es zu Beginn der 1970er-Jahre eine Eisenbahnkrise, die auf verschiedene Faktoren zurückzuführen war: zum Beispiel einen langen Winter, der die Gleise beschädigte, Probleme bei der Wartung und Modernisierung des Systems sowie eine nationale Entscheidung – die im Rückblick schwer verständlich ist – zugunsten des Straßenverkehrs, was den Eisenbahnverkehr sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr nach und nach verdrängte. Das führte dazu, dass 1989 das Unternehmen Ferrocarriles Nacionales de Colombia aufgelöst und zehn Jahre später das Eisenbahnnetz an der Atlantikküste mit seiner Infrastruktur, seinen Vermögenswerten und beweglichem Material für 30 Jahre an Ferrovías und Fenoco vergeben wurde. Dieser Vertrag endet 2029.
Wie viel Prozent der Strecken sind für den Gütertransport und wie viel für den Personentransport vorgesehen?
Unser Nationaler Entwicklungsplan verfolgt das Ziel, den Eisenbahnverkehr nicht nur im Güter-, sondern auch im Personenverkehr zu reaktivieren. Im Plan unserer Regierung sind über 1920 Kilometer vertraglich gebundener und/oder betriebsbereiter Strecken sowie die Beförderung von mehr als 39 Millionen Tonnen Gütern vorgesehen, in einem gemischten Modell, das den Passagier*innen Sitzplätze in einem intermodalen System bietet.
Wer wird die neuen Strecken bauen und die bestehenden Strecken modernisieren?
Die Ausschreibungen werden gemäß dem kolumbianischen Recht durchgeführt. Diejenigen, die den Zuschlag erhalten, werden die Bauunternehmen sein. Darüber hinaus wird, wie bereits erwähnt, zum Teil mit dem Bataillon der Eisenbahningenieure der kolumbianischen Armee zusammengearbeitet.
Gibt es Kritik oder Widerstand gegen die Pläne der Regierung, beispielsweise von der lokalen Bevölkerung oder der Opposition?
Im Gegenteil, die Regierung arbeitet mit den Gemeinden zusammen, bei allen Infrastrukturprojekten, die sie leitet, so auch beim Zugverkehr. Bei Projekten wie der Strecke Titumate-Cupica wird die lokale Gemeinschaft als Partner mit einbezogen. Es gibt keinen Widerstand gegen die Rückkehr der Eisenbahn in Kolumbien.
Der Eisenbahnverkehr kann Verbindungen schaffen, CO2-Emissionen reduzieren und Logistikkosten senken. Wir arbeiten daran, ein vernetztes Kolumbien zu realisieren, das die entlegeneren Gebiete bis hin zu den entwickelten Regionen umfasst. Mit verbesserter Infrastruktur kann die Lebensqualität der Kolumbianer*innen verbessert werden.
Wir müssen unser Versprechen einhalten, sozioökonomische Ungleichheiten abzubauen und Investitionen in historisch vernachlässigte Regionen zu bringen. Wir müssen mit einer ganzen Reihe von Projekten in die Regionen gehen, dabei in erster Linie die Gemeinden und Territorien berücksichtigen. Gleichzeitig müssen alle Akteure der Wertschöpfungskette einbezogen werden: Konzessionäre, Bauunternehmen und Zulieferer, die Wissenschaft, die Gewerkschaften, die lokalen Behörden und Aufsichtsgremien, um gemeinsam einen positiven Kreislauf rund um die Infrastruktur zu schaffen.
Unser Sektor stellt die Bedürfnisse der Menschen in den Vordergrund und berücksichtigt sowohl das Wissen über das Territorium als auch den Kontext. Wir sehen Infrastruktur als ein Mittel, um bessere Verbindungen zu erreichen, die die Menschen, die Natur, die Gemeinden und ihre Umgebung einbeziehen, damit Entwicklung mit Gerechtigkeit und Chancengleichheit einhergeht.
Wie möchte die Regierung Korruption bei kostenintensiven Eisenbahnprojekten verhindern?
Alle Infrastrukturprojekte, die enorme öffentliche Investitionen erfordern, müssen sich an die Gesetze und die Normen halten, die es in unserer Gesetzgebung gibt, angefangen bei der Projektentwicklung, die im Gesetz 1508, dem Infrastrukturgesetz, geregelt ist, bis hin zur Förderung von Kontrollen durch die Bürger*innen, die ebenfalls durch bestehende Normen gedeckt sind. Die Regierung ist fest davon überzeugt, dass die Beteiligung der Gemeinden wesentlich dazu beiträgt, dass eine transparente Umsetzung ohne Korruption, ohne Kostenüberschreitungen und ohne Versäumnisse in strategischen Projekten garantiert werden kann.
Was ist Ihr Traum für Kolumbien?
Mein Traum ist, dass unsere Regierung die notwendigen Projekte umsetzt, damit Kolumbiens Infrastruktur als Brücke dient, um Gemeinden und Menschen mit ihren Rechten und Chancen zu verbinden. Das bedeutet, Projekte mit sozialer Verantwortung zu entwickeln, die die sozioökonomischen Ungleichheiten in den Gebieten verringern helfen, in denen wir historische Schulden haben, sowie Infrastruktur zu schaffen, die zum Wirtschaftswachstum des Landes und seiner Wettbewerbsfähigkeit beiträgt.
Unsere Ziele im Bereich der maritimen, luftgestützten, terrestrischen und Flusstransporte sehen vor, 33 102 Kilometer Straßen in den Regionen zu verbessern, 105 Kais zu sanieren, 48 essentielle Luftverkehrsrouten bereitzustellen, die Folgen von zwei Millionen Tonnen CO2, die durch den Verkehrssektor verursacht werden, einzudämmen, 1817 Kilometer Eisenbahnstrecken neu zu strukturieren, vier Zugangskanäle zu den Häfen zu vertiefen, 15 Flughäfen auszubauen, die Zahl der Verkehrstoten zu reduzieren und die Logistikkosten um 11,5 Prozent zu senken. Das erfordert eine enge Zusammenarbeit mit allen Akteuren der Infrastrukturwertschöpfungskette. Dafür müssen wir die Rolle jedes Einzelnen anerkennen, mit einem gemeinsamen Ziel, das Kolumbien heißt. Damit meine ich unter anderem die Privatwirtschaft, die Gewerkschaften, die Wissenschaft, die lokalen Regierungen, die Aufsichtsbehörden, die multilateralen Banken, die internationalen Partner und die sozialen Organisationen.
Das Interview führte Evelyn Schreiber im November 2024 per Mail.