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Grünes Gold, Weißes Gold, Schokolade?

Ein Film zeigt, wie kolumbianische Gemeinden von der illegalen in die legale Wirtschaft wechseln
Verena Lucía Landes

Der Dokumentarfilm „Postconflicto Corp – De Esmeraldas, Coca y Cacao“ (Postkonflikt AG – Von Smaragden, Koka und Kakao) führt uns in den Westen des Departements Boyacá in Kolumbien. Der Film aus dem Jahr 2021 ist das erste Kapitel einer Reihe kolumbianischer Dokumentarfilme mit dem Titel „Postconflicto Corp“. Sie basieren auf den Recherchen des Journalisten André Bermúdez Liévano, die Drehbücher stammen von Autor und Co-Produzent Robert Max Steenkist. Der ist außerdem Geschäftsführer der zweisprachigen Schule Colegio Bilingüe José Max León, die auch an dem Filmprojekt beteiligt ist.

Mit den intensiven Landschaftsaufnahmen der legendenumwobenen Natur zeichnet Regisseur Felipe Martínez ein intimes Porträt einer unschuldig anmutenden Region. Die Wunden ihrer Bevölkerung sind so tief wie ihre Schluchten, die Hoffnungen so groß wie ihre Berge. Anhand der von Armut und gewaltvollen Konflikten gebeutelten Munizipien San Pablo de Borbur und Pauna erhalten wir einen Einblick in einen steinigen Transformationsprozess. Er läuft in drei Phasen, die vom Handel mit drei lokalen Waren bestimmt sind.

Im Vordergrund des Films stehen die Erfahrungsberichte lokaler Bäuer*innenfamilien um Juan Urbano. Ausgangspunkt sind die Smaragdvorkommen, die das Territorium seit Jahrhunderten prägen. Parallel zum Beginn des bewaffneten Konflikts migrierte die Landbevölkerung ab den 1960er-Jahren in Richtung der Minen, um nach dem grünen Gold zu schürfen. Damals war der Edelsteinabbau noch informell. Die gewaltvollen Auseinandersetzungen um die Kontrolle im Smaragdbergbau arteten in die sogenannten grünen Kriege aus. 1990 wurde ein regionales Friedensabkommen geschlossen.

Als die Bäuer*innen in den Folgejahren nach und nach mit ihrem Erlös aus den Minen aufs Land zurückkehrten, widmeten sie sich zunächst wieder ihrem alten Leben, bis sich in der Gegend mit dem Kokain ein neues lukratives Geschäft breitmachte. Folglich bauten viele Kleinbäuer*innen auf ihren Feldern Kokapflanzen an. Manche mischten sogar selbst bei der Kokainproduktion und dem Handel mit. Bekannterweise brachte der illegale Drogenhandel, im Zusammenspiel mit dem bewaffneten Konflikt, sozio-ökonomische Probleme und Gewalt mit sich.

Im Kampf gegen den „narcotráfico“ versuchte der Staat nach jahrzehntelanger Abwesenheit die Menschen in den betroffenen Gebieten mit harter Hand von den illegalen Geschäften abzubringen. Da sich dies als nur bedingt erfolgreich erwies, wurde Anfang der 2000er mit internationaler Zusammenarbeit in einigen Pilotgemeinden das staatliche Programm „Familias Guardabosques“ (Försterfamilien) umgesetzt. Mit zweckgebundenen Zahlungen sollte es einen finanziellen Anreiz schaffen, freiwillig Kokapflanzen durch den Anbau von legalen Früchten zu ersetzen. Die Familien, die sich für den Kakao entschieden, organisierten sich, bildeten sich weiter und begaben sich auf ein nicht immer einfaches unternehmerisches Abenteuer in der Weiterverarbeitung des Kakaos, zu Schokolade zum Beispiel.

Interview mit dem Drehbuchautoren Robert Max Steenkist

Wie sieht die Lage in der Region heute aus?

Es gibt noch viel Verbesserungsbedarf, zum Beispiel in der Infrastruktur, aber die Gewalt unter den Einheimischen ist nicht mehr das Hemmnis der Entwicklung. Insbesondere die neuen Generationen, die während ihres Studiums in die Städte gegangen sind und nun als Fachkräfte aufs Land zurückkehren, haben die Region durch ihr Engagement und ihre Kenntnisse auf ein höheres Produktions- und Organisationsniveau gehoben.

Wieso entscheiden sich Kleinbäuer*innen freiwillig gegen illegale Ökonomien, wenn sie durch diese finanziell besser dastehen könnten?

Ich glaube, mein Dokumentarfilm zeigt, wie der Wunsch nach Frieden uns dazu zwingt, langfristig zu denken. Die Gewalt lässt uns vergessen, dass wir nur durch unser tägliches Handeln eine große Zukunft erreichen können. Die Menschen in diesem und vielen anderen Teilen Kolumbiens haben erkannt, dass ein hartes Leben mit langfristigen Prognosen besser ist als ein bequemes Leben, das angesichts der Folgen des Krieges immer kurz davor steht, in sich zusammenzufallen.

Im September 2024 hat der kolumbianische Senat einen Gesetzentwurf zur flächendeckenden Einführung der Försterfamilien vorgelegt. Ist die Geschichte von San Pablo de Borbur und Pauna im ganzen Land reproduzierbar? Immerhin hat die Regierung 2023 eine neue Strategie zur Bekämpfung des Drogenhandels verabschiedet (siehe Artikel auf Seite 25).

Ein Großteil der Faszination und der Schwierigkeiten Kolumbiens liegt in seiner unfassbaren Vielfalt. So wie es in diesem Land mehr als 90 verschiedene Ökosysteme gibt, hat auch die Gewalt je Ort unterschiedliche Akteure, Gründe und Lösungen. Die Friedenserfahrungen sind in diesem Land grundsätzlich überall reproduzierbar, solange die historische Komplexität, die Identität der Akteure und die Rolle der Natur berücksichtigt werden.

Hat der kolumbianische Staat den Kampf gegen den „narcotráfico“ bereits verloren?

Ich glaube, die gesamte Menschheit hat den Krieg gegen den Drogenhandel verloren. Auf der anderen Seite der Welt gibt es gravierende Folgen von Substanzabhängigkeiten: Krankheit, Obdachlosigkeit, Beschaffungskriminalität bis hin zum Tod. Trotzdem scheint das keinerlei Auswirkung auf die Menge des Konsums oder auf den Rückgang der Zahl der Konsument*innen zu haben.

Wie kann bei der marginalisierten Bevölkerung noch angesetzt werden?

Die Kosten der Produktion von Lebensmitteln und anderen Produkten auf dem kolumbianischen Land sind einfach zu hoch für ihren Gegenwert. Es geht also nicht nur um Ungleichheit, sondern auch darum, einen Weg zu finden, damit die Arbeit ländlicher Gemeinden mehr wertgeschätzt wird. Im Rahmen der UN-Biodiversitätskonferenz (COP 16) in Cali finden gute Diskussionen statt, zum Beispiel über den Beitrag, den diese vermeintlich armen Menschen für die gesamte Menschheit leisten. Vielleicht eröffnen sich Möglichkeiten für eine Agenda, bei der der Wert der Arbeit auf den Feldern und im Regenwald neu definiert wird.

Ist es im Kampf gegen den Kokainhandel sinnvoll(er), die Maßnahmen gegen den Drogenkonsum in den Empfängerregionen auszuweiten?

Es ist lächerlich, dass in Zeiten der technologischen Integration, internationalen Umweltabkommen und internationalen Allianzen für Frieden (und Krieg) weiterhin so hartnäckige Grenzen zwischen der Produktion und dem Konsum illegaler Substanzen gezogen werden. Keiner will zugeben, dass die wahren Profiteure eines illegalen Geschäfts in der Regel eine Handvoll Mächtige sind. Sie haben herausgefunden, wie sie als Vermittler bei der Internationalisierung eines im Grunde genommen einfachen Produkts einen großen Gewinn machen können. Je weiter entfernt vom Anbau, desto weniger Arbeit, desto weniger Opfer. Je näher die Substanz dem Konsum kommt (im Allgemeinen ein flüchtiger Moment ohne jegliche Bedeutung), desto mehr vergessen die beteiligten Personen die Tragödie, die sie verursacht hat, um zu ihnen zu gelangen. Diese Tragödie kann nur verhindert werden, wenn die Verbraucherländer ihre Rolle in all dem Leid anerkennen, das ihre Leichtfertigkeit in der Konsumfrage mit sich bringt.

Welchen weiteren Beitrag leistet eure Schule im Rahmen der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit?

Wir versuchen Schüler*innen und ihren Familien den Kern zahlreicher Konflikte Kolumbiens näherzubringen, die ländliche Realität. Daher organisieren wir Exkursionen nach Boyacá, auf denen sie sich ein eigenes Bild von den Bäuer*innen machen können: von ihren Frustrationen und Leiden, aber auch von ihren Träumen und ihrem Stolz.