Die Redaktion hört ... Kumbia Boruka
Von „Conscious Rap“ mit sozialkritischem Gehalt habt ihr bestimmt schon gehört. „Cumbia consciente“ nennt die Band Kumbia Boruka aus Lyon ihre Musik. Akkordeonist und Bandgründer Hernán Cortés erzählt der ila, warum: „Ein Teil der Band kommt aus dem Reggae, deshalb sind die Lyrics wichtig für uns. Wir machen Musik mit Botschaft.“ Reggae-Einflüsse sind auf ihrem ersten Album „La Vida se Vive“ (2017) zu hören, etwa in „Danza Negra“. Insgesamt aber bleibt die Band ihrem Namen treu: Sie macht stabile Cumbia, im Stil ihrer Heimatstadt Monterrey. In der nordmexikanischen Stadt entstand vor etwa 50 Jahren eine rege Cumbia-Szene und prägte die Sonidero-Kultur.1 Ihr berühmtester Vertreter ist der 2019 verstorbene Celso Piña, der „Rebell des Akkordeons“. In den Nuller-Jahren landete er zusammen mit mexikanischen Hiphop- und Mestizo-Bands wie Control Machete und El Gran Silencio globale Hits. Auch die Brüder Hernán und Tadeo Cortés lernten Piña kennen. Hernán war einige Jahre lang als Perkussionist für Piñas Ensemble aktiv und lernte vom Maestro himself Akkordeon zu spielen.
Im Jahr 2006 ging Hernán nach Frankreich und gründete mit Bruder Tadeo „Kumbia Boruka“. Sechs weitere Musiker aus Chile, Argentinien und Frankreich machen die Combo komplett. Der Kontakt zu Celso Piña blieb, so war Hernán mit auf Tour, wenn Piña samt Band in Europa und Asien auftrat.
Der Sound von Kumbia Boruka ist angereichert mit nordmexikanischer Banda-Musik („No Bailes de Caballito“, ein Cover von Casimiro Zamudio), mit psychedelischer E-Gitarre wie bei der peruanischen Cumbia-Chicha (bei den Songs „El Grito“ oder „Un Pedazo de Mi“) oder mit energischer Afro-Percussion („El Din Dun“). Mit „La Cumbia del Amor“ (ursprünglich vom kolumbianischen Großmeister Lisandro Meza, der letztes Jahr verstarb) gelingt der Band ein fulminanter Einstieg in ihr erstes Album. Das darauffolgende „El Grito“ groovt mit besagtem Chicha-Touch weiter und beklagt, dass sich „nichts ändert“. Das nächste Highlight folgt mit Track 5: „El Porro Magangeleño“, ein traditionelles Stück, das durch Totó la Momposina und eben Celso Piña weltweit bekannt wurde. Für die Coverversion auf Kumbia Borukas erstem Album steuert Piña selbst Stimme und Akkordeonspiel bei. Lebensbejahend geht es weiter mit „La Vida se Vive“, inklusive einer Reminiszenz an Celia Cruz‘ „La Vida es un Carnaval“. Dieser (extrem partytaugliche) Song ist auch im Soundtrack der Netflix-Serie über den Fußballgott Diego Maradona zu hören. „Auf einer der letzten Touren von Celso Piña kam ich in Kontakt mit den Machern der Netflix-Serie“, erzählt Hernán. „Jetzt sind fünf unserer Stücke Teil des Soundtracks.“
Sind auf dem ersten Album von Kumbia Boruka noch knapp die Hälfte der Songs Coverversionen, wartet „El Remedio“ (2019) mit zwei auf. Dieses Album startet druckvoll mit „Machaca Boruka“. In „Mi Mundo“ wird die Vision einer besseren Welt entworfen. Ein Highlight ist „Virgen de la Candelaria“, beeindruckend durch den Dialog zwischen Bläsersektion und Akkordeon. Der Song stammt aus der Feder der kolumbianischen Sängerin und Komponistin Betty Ochoa, die mit ihrem Mann José Anillo für Cumbia-Größen wie Andrés Landero komponierte. Der Lovesong „Vivir Juntos“ sowie „La Vitamina“ feiern wieder den Reggae. Das beschwingte „La Culebra“ (ursprünglich vom kolumbianischen Akkordeonisten Morgan Blanco) lädt auf die Tanzfläche ein.
Die Pandemie sorgte auch bei Kumbia Boruka für Brüche. „Die Band hat sich umstrukturiert. Jetzt ist Cris ,Trombón‘ aus Guadalajara mit dabei. Ich kenne ihn seit den 90er-Jahren von Reggaefestivals in Mexiko“, erzählt Hernán Cortés. Auch ein neuer Sänger ist mit an Bord. Ende letzten Jahres veröffentlichten sie ihr drittes Album, „Santa Suerte“ (2023), insgesamt ein Ohrenschmaus. Besonders mitreißend sind „Santa Suerte“, „Fiesta en las Calles“ und „Amores del Río“. „Eternamente Celso“ und „Mis Raíces“ (mit der cubanischen Sängerin La Dame Blanche) bestechen durch herzerwärmende Melancholie.
Mit dem neuen Album ist Kumbia Boruka dieses Jahr ausgiebig getourt. Im März spielten sie zum ersten Mal in Mexiko. „Es war so toll zu sehen, wie die Leute in Lateinamerika reagieren, dass sie unsere Musik annehmen. Wir sind voller Energie zurückgekehrt“, freut sich Hernán. In Europa sind sie mittlerweile in über 15 Ländern aufgetreten. „Wir waren in Ländern wie Estland, Norwegen oder Albanien, wo du nicht vermutest, dass die Leute etwas mit Cumbia anfangen können. Aber sie waren begeistert. Wir wollen in alle Ecken dieser Welt vordringen und die Cumbia weiter wachsen lassen“, sagt Hernán. Mission erfüllt, sagen wir.
„La Vida se Vive“, Dibyz Music 2017
„El Remedio“, InOuïe Distribution, 2019
„Santa Suerte“, InOuïe Distribution, 2023
- 1. Im ila-Schwerpunkt „Cumbia“ (ila 353) widmeten wir der Cumbia made in Monterrey einen Beitrag, hier nachzulesen: https://norient.com/stories/cumbia-grenzwelten/