Undemokratisches Obst
Bis 1984 hieß sie United Fruit Company, doch nach zu vielen Skandalen war dieser Name verbrannt. Es folgte die Umbenennung: Chiquita Brands. Noch heute klebt auf einem Großteil der Bananen in deutschen Supermärkten der blaue Chiquita-Sticker. Geändert hat sich aber nur der Name, nicht die obskuren Geschäftspraktiken. Am 10. Juni wurde der multinationale Konzern von einem Gericht in Florida öffentlichkeitswirksam verurteilt: Chiquita Brands war mitverantwortlich für acht Morde, die paramilitärische Gruppen zwischen 1997 und 2004 in Kolumbien begangen hatten. Das ist die lange und blutige Geschichte hinter dem Urteil.
Es ist nicht das erste Mal, dass Chiquita Brands verurteilt wurde. Schon 2007 hatte der Konzern gestanden, 1,7 Millionen US-Dollar an die paramilitärische Gruppe Autodefensas Unidas de Colombia gezahlt zu haben, und wurde dafür zu einer Strafe von 25 Millionen US-Dollar verurteilt. Dieses Mal muss Chiquita die Opfer direkt entschädigen. Am 10. Juni 2024 wurde der Konzern in Südflorida für schuldig befunden, für acht von kolumbianischen Paramilitärs begangene Morde mitverantwortlich zu sein.
Dieses Urteil kann ein hilfreicher Präzedenzfall für zukünftige Gerichtsprozesse werden. Es ist mittlerweile gut belegt, dass diese Zusammenarbeit mit Paramilitärs gängige Geschäftspraxis von Chiquita war. Bis 1984 hieß der Konzern United Fruit Company (UFCO), änderte dann jedoch in einem Versuch, das Image aufzubessern, seinen Namen. Die lange Liste an Vergehen in Ländern wie Kolumbien, Costa Rica, Panama, Guatemala, Nicaragua und Honduras hat dem Unternehmen traurige Berühmtheit gebracht. Ihre Geschichte zählt zu den dunkelsten Kapiteln der lateinamerikanischen Geschichte.
Ein Imperium der Ausbeutung
Seit der Gründung 1899 durch den US-amerikanischen Unternehmer Minor Keith war das Wachstum der United Fruit Company kometenhaft. Keiths Erfahrung im Schienenbau erleichterte den Transport der Früchte zu den Häfen. Das sparte Kosten und erhöhte die Wettbewerbsfähigkeit. Der Einfluss des Unternehmens reichte jedoch weit über den Landwirtschaftssektor hinaus. Schon nach wenigen Jahren kontrollierte die UFCO die Schienen, Häfen und Kommunikationsinfrastruktur in den Ländern, in denen sie aktiv war, und untergrub so deren Souveränität.
Die Arbeitsbedingungen waren miserabel: lange Arbeitstage, äußerst schlechte Bezahlung, Einpferchung und fehlender Schutz gegen Tropenkrankheiten waren nur einige der Probleme, mit denen die Arbeiter täglich zu kämpfen hatten. Das belegen Studien und journalistische Recherchen, auch Romane erzählen davon. Im Dezember 1928 kam es während eines Streiks, zu dem die Gewerkschaft der Arbeiter der UFCO Kolumbien aufgerufen hatte, zu einem der erschütterndsten Verbrechen des multinationalen Unternehmens. Die nationale Armee beendete einen fast einmonatigen friedlichen Streik, indem sie das Feuer auf streikende Arbeiter in Ciénaga, Magdalena eröffnete. Die Zahl der Toten schwankt je nach Quelle zwischen 47 und 2000. Sicher ist, dass dieses Ereignis einen so markanten Einschnitt in der kolumbianischen Geschichte darstellt, dass sogar der Nobelpreisträger Gabriel García Márquez in seinem Opus Magnum Hundert Jahre Einsamkeit davon erzählt.
Mitte des vergangenen Jahrhunderts war allgemein bekannt, dass der Einfluss der UFCO in den Ländern, wo sie präsent war, weit über das Wirtschaftliche hinausging. 1954 kooperierte der Konzern mit der CIA, um den guatemaltekischen Präsidenten Jacobo Arbenz zu stürzen, der drei Jahre zuvor demokratisch gewählt worden war. Arbenz hatte mit seinem Amtsantritt eine Agrarreform umgesetzt, die den Interessen der UFCO zuwiderlief. Die hatte in den Jahren zuvor enorme landwirtschaftlich nutzbare Flächen zu sehr niedrigen Preisen erworben, mit dem Zweck, sie dem Markt zu entziehen, damit die Konkurrenz sie nicht nutzen kann. So wollte sie ihr Obstmonopol aufrechterhalten.
Die CIA handelte unmittelbar und unterstützte einen Staatsstreich, der Arbenz als Präsidenten stürzte und mit ihm seine Ideale eines modernen und unabhängigen Guatemala. Es sollte der Auftakt von einer Reihe an Militärdiktaturen sein, die Guatemala Repression und politische und soziale Instabilität gebracht haben.
Eine andere Strategie der UFCO bestand darin, Preise zu manipulieren und die Handelspolitik dahingehend zu beeinflussen, dass sie zulasten der lokalen Wirtschaft ihre Gewinne steigern konnte. Sie kontrollierte Märkte, erlegte unabhängigen Landwirten niedrige Preise auf und zerstörte mit unlauteren Praktiken den Wettbewerb. Dieses erdrückende Monopol verhinderte eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung in den Ländern, es festigte eine chronische Abhängigkeit und eine strukturelle Ungleichheit.
Hundert Jahre Ungerechtigkeit
Die UFCO hat in den Ländern, in denen sie präsent war, tiefe Wunden hinterlassen: nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich und kulturell. Die wirtschaftliche Abhängigkeit, die sie geschaffen hat, liefert die Bedingungen, die auch heute noch Ausbeutung ermöglichen.
Die Geschichte der UFCO ist eine dunkle Erinnerung an den wirtschaftlichen Imperialismus und die Ausbeutung durch große Konzerne. Sie zeigt, wie ein Unternehmen übermäßige Macht ausüben kann, wenn es Regierungen beeinflusst und manipuliert, um auf Kosten von Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit die eigenen Interessen durchzusetzen.
Es ist heute unerlässlich, über die Lehren der Vergangenheit nachzudenken. Multinationale Konzerne haben weiterhin immense Macht über Wirtschaft und Politik strukturell benachteiligter Länder. Die UFCO wurde von Chiquita Brands abgelöst. Doch ihre Unternehmenspraktiken der Ausbeutung und der politischen Einflussnahme sind keine Relikte der Vergangenheit. Es gibt sie bis heute, wenn auch oft subtiler.
Die berüchtigte Geschichte der UFCO erinnert uns daran, dass wir der Macht der Unternehmen Grenzen setzen müssen, um Menschenrechte und -würde zu schützen. Diese Prinzipien sollten heute zentraler sein denn je. Erst wenn wir uns mit der Vergangenheit auseinandersetzen, können wir eine Zukunft aufbauen, an der Gerechtigkeit und Menschlichkeit wichtiger sind als die Interessen von einigen wenigen.