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Abschied von Alfredo Guevara

(1925-2013)
Ute Evers

Alfredo Guevara konnte es nicht ausstehen, Guayaberas zu tragen. Erzählt man sich. Seinen Sakko trug er stets lässig über die Schulter gehängt. So sah man ihn. Auf der Straße, im Kino, in Veranstaltungen. Am vergangenen 19. April 2013 erlag Guevara einem Herzinfarkt. Er hinterlässt eine solide Filmlandschaft, die er institutionell geprägt hat, aber auch menschlich.

Kurz nach dem Triumph der Revolution von 1959 gründete Alfredo Guevara das Cubanische Institut für Filmkunst und Filmindustrie (ICAIC), dessen Direktor er bis 1981 war. Vor der Revolution kamen die Kinofilme vorwiegend aus den USA oder höchstens aus Argentinien oder Mexiko. Unter Guevaras Federführung und der neuen revolutionären Gesetzgebung wurden nun die Bedingungen geschaffen, um die nationale Filmproduktion zu fördern. Das cubanische Kino bekam mit den Spielfilmen Memorias del subdesarrollo von Tomás Gutiérrez Alea und Lucía von Humberto Solás (beide aus dem Jahr 1968) endlich auch ein internationales Echo.

„Spricht man von der visuellen Kultur Cubas ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, so ist es unumgänglich…, auch von den Kinoplakaten zu reden“, merkt Flor de Lis López Hernández in dem Buch Soy Cuba. El cartel de cine en Cuba después de la revolución (Mexiko 2011) an. Die 60er- und 70er-Jahre wurden gar als goldenes Zeitalter der Plakatkunst angesehen. Auch hier war die treibende Kraft Alfredo Guevara. Er reformierte die Cinemathek, das nationale Filmarchiv wurde ausgebaut. Ebenso initiierte er die Kinozeitschrift Cine Cubano und den Noticiero ICAIC Latinoamericano (Dokumentarfilme mit aktuellen Themen, die bis in die 90er-Jahre im Kino ausgestrahlt wurden). 1978 gründete er das Internationale Festival des Neuen Lateinamerikanischen Kinos, bis heute das beliebteste Filmereignis dieses Kontinents. Die Liste der Errungenschaften ist lang, der Erfolg des lebenslangen Weggefährten Fidels offensichtlich.

Dennoch musste Guevara schließlich das ICAIC im Oktober 1981 verlassen. Er hatte sich für die Realisierung des Spielfilms Cecilia von Humberto Solás eingesetzt, dessen Produktionskosten sehr hoch waren. Die öffentlichen Attacken gegen ihn waren so vehement, dass ihn Fidel Castro schließlich 1983 als Botschafter bei der UN-Kulturorganisation UNESCO nach Paris schickte. Im Jahre 1991 kehrte er zur Direktion des ICAIC zurück, wo er bis 2000 blieb. Neben seinen schriftstellerischen Tätigkeiten und Veranstaltungen an Filminstituten und Universitäten der Insel leitete Alfredo Guevara bis zu seinem Tod das Internationale Festival des Neuen Lateinamerikanischen Films in Havanna.

Obgleich sein kultureller Beitrag unbestritten ist, gab auch Guevara, der sich sowohl im Auftrag der Kultur als auch der Revolution sah, Anlass zu polemischen Debatten. So etwa führte seine autoritäre Art oft zu Auseinandersetzungen mit Gutiérrez Alea. Das von Guevara eingeleitete Aufführverbot des Kurzfilms PM (1961, von Sabá Cabrera Infante und Orlando Jiménez Leal) über das Nachtleben von Havanna löste ebenfalls eine Welle des Protests unter den Intellektuellen Cubas aus. 

Wenige Tage bevor Guevara starb, habe er seinen letzten Wunsch geäußert: Seine Asche sollte auf den 88 Stufen der Universität von Havanna verstreut werden. Dort hatte er damals als Philosophie- und Literaturstudent Fidel Castro kennengelernt und sich seiner Untergrundbewegung gegen den Diktator Fulgencio Batista angeschlossen.