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Orientierung und Inspiration auf dem Weg zu einer „anderen Welt“

Neuer Sachcomic bietet kurzweiligen Überblick über die zapatistische Bewegung

Schon fast 18 Jahre ist es her, dass sich am 1. Janaur 1994 tausende meist indigene KleinbäuerInnen in Mexikos südlichstem Bundesstaat Chiapas gegen ihre rassistische Unterdrückung und kapitalistische Ausbeutung erhoben. Doch angesichts der weltweit ausbrechenden Protest- und Aufstandsbewegungen sind die sympathischen Guerilleros mit den Skimasken heute erneut relevanter denn je. Sie waren schließlich eine der ersten, die nach dem (zu) früh ausgerufenen „Sieg des Kapitalismus“ der neoliberalen Globalisierung offen den Kampf ansagten und eine „andere Welt“ für möglich erklärten. Mit dem Sachcomic „Kleine Geschichte des Zapatismus“ haben der Autor Luz Kerkeling und der Comiczeichner Findus jetzt eine kompakte und unterhaltsame Einführung in eine der wichtigsten linken Bewegungen der letzten Jahrzehnte vorgelegt, die Lust auf mehr macht.

In Form einer Info-Veranstaltung werden in lockerer Abfolge eine Vielzahl von Aspekten rund um die Zapatistas auf je ein bis zwei Seiten dargestellt: Wie kam es zum Aufstand und wie verlief dieser? Was hat es mit den autonomen Strukturen der Zapatistas in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Verwaltung auf sich? Was sind die wichtigsten Grundsätze der Bewegung? Wie ist die Lage der Frauen in den zapatistischen Gebieten? Wie funktioniert ihre Basisdemokratie in der Praxis? Warum haben die Zapatistas immer diese Skimasken auf? Und so weiter.

Dabei erklären die Autoren auch, was das Neue und Besondere an der Bewegung ist: Neben dem basisorientierten und undogmatischen Aufbau eigener Strukturen von Unten vor allem die neuartige Kommunikations- und Vernetzungsweise der sogenannten „Medienguerilla“. Wie bei anderen Themen auch wird dies anhand von Beispielen wie „intergalaktischen Treffen“, den Erzählungen von Subcomandante Marcos oder der „Anderen Kampagne“ veranschaulicht. Daneben werden schwerpunktmäßig auch die verschiedenen Formen der Aufstandsbekämpfung durch die politischen und wirtschaftlichen Eliten thematisiert – vom offenen Krieg bis zu ausbeuterischen Megaprojekten.

Nachdem so ein guter Überblick über die zapatistische Bewegung gegeben wurde, kommt es – wie bei einer guten Info-Veranstaltung üblich – am Ende natürlich zur Diskussion zwischen verschiedenen Projektionen und Kritiken bezüglich der Zapatistas – für die LeserInnen ein guter Einstieg in eine kritischen Reflexion von Gelesenem und eigenen Wertungen. Abschließend gibt es dann noch Hinweise auf Informationsquellen wie Webseiten, Literatur und Filme zum Thema.

Die „Kleine Geschichte des Zapatismus“ bietet also einen schnellen und doch enorm breiten Einstieg ins Thema. Luz Kerkeling, ein langjähriger Begleiter und Kenner der Zapatistas, erläutert alles wichtige und wissenswerte in einfacher Sprache. Unterhaltsam und leicht verständlich wird die Lektüre auch durch die Zeichnungen von Findus, der schon für die „Kleine Geschichte des Anarchismus“ verantwortlich ist. Beide Bücher stehen in der Tradition von Sachcomics wie „Marx, Lenin, Trotzki, Kapitalismus etc. für Anfänger“ aus den 1970/80er Jahren. Wobei der Begriff Sachcomic vielleicht etwas zu hoch gegriffen ist. Die Zeichnungen, die dem einen oder der anderen vielleicht etwas zu niedlich geraten sind, illustrieren vor allem den Text. Trotzdem, mit der Kombination von Text und Zeichnungen gelingt es, komplizierte Zusammenhänge einfach zu erklären und durch die verbildlichte Sprache diejenigen anzusprechen, die sonst eher nicht zu Sachbüchern greifen würden.

Inhaltlich schafft das Buch den schwierigen Spagat zwischen breiter Übersicht über ein komplexes Thema und notwendiger Kürze meist sehr gut. Allerdings versuchen die Autoren an einigen Stellen, zu viele Aspekte und Zusammenhänge auf engem Raum unterzubringen. Dadurch überfrachten sie manchmal die kurzen Texte zu den einzelnen Themen und erklären nicht alle Begrifflichkeiten ausreichend. Aber egal wie man es angeht: Für EinsteigerInnen werden immer offene Fragen bleiben – und das kann ja durchaus Lust auf eine weitere Auseinandersetzung machen.

Diese Lust auf mehr zu wecken, einen (ersten) Überblick zu geben und gleichzeitig auf weitere Informationsquellen hinzuweisen, all das leistet die „Kleine Geschichte des Zapatismus“ insgesamt sehr gut. Menschen mit Interesse an emanzipatorischen Bewegungen und dem Herz auf der linken Seite bietet es erstmals in deutscher Sprache einen gut zu lesenden und schnellen Einstieg – nicht allein zur Information, sondern wie die Autoren hoffen, auch dazu, selbst aktiv zu werden. Den mutigen Zapatistas und dieser Welt wären viele derart Inspirierte zumindest sehr zu wünschen.

Findus/Luz Kerkeling, Kleine Geschichte des Zapatismus. Ein schwarz-roter Leitfaden, Unrast-Verlag: Münster 2011, 72 Seiten, 8,90 Euro