ila

Der neue Flugzeugträger der USA

Militärabkommen zwischen USA und Kolumbien bedroht die Region

Die Bedrohung des Friedens in Südamerika wurde am frühen Morgen eines Freitags besiegelt. Hinter dem Rücken der kolumbianischen Bevölkerung und der gesamten internationalen Gemeinschaft wurde am 30. Oktober das Militärabkommen zwischen Kolumbien und den USA unterzeichnet. Dieses verschärft nicht nur die Spannungen mit Kolumbiens Nachbarland Venezuela, sondern ist eine potentielle Gefährdung für die gesamte Region. Davon gehen viele BeobachterInnen in Lateinamerika aus.

Juan Manuel Bueno Soria

Das Dokument, das vom Außenminister Kolumbiens, Jaime Bermúdez, und dem US-Botschafter in Kolumbien, William Brownfield, um sieben Uhr morgens hinter verschlossenen Türen im Außenministerium in Bogotá unterzeichnet wurde, erschüttert das empfindliche Gleichgewicht, das von den Ländern der Region in den letzten Jahren aufgebaut wurde. Nach Meinung vieler politischer BeobachterInnen gibt die kolumbianische Exekutive mit der Unterzeichnung des Abkommens die Souveränität des Landes ab. Sieben bedeutende kolumbianische Militärstützpunkte werden in den nächsten zehn Jahren auch von US-Truppen genutzt, deren militärisches und ziviles Personal neben vielen anderen Zugeständnissen diplomatische Immunität genießt.

Es fällt schwer, nicht von einem Verzicht Kolumbiens auf seine Souveränität zu reden. Denn obwohl das unterzeichnete Abkommen den US-Kongress passieren muss, wurde es dem Parlament Kolumbiens nicht zur Debatte und Abstimmung vorgelegt. Aus diesem Grund hat Gustavo Petro, Präsidentschaftskandidat der Oppositionspartei Polo Democrático Alternativo (Alternativer Demokratischer Pol) für die Wahlen 2010, Präsident Alvaro Uribe Vélez aufgefordert, den Vertrag wegen fehlender Legalität zurückzunehmen. Die Bedrohung des regionalen Friedens ist real. Der ehemalige kolumbianische Präsident Ernesto Samper (1994-98) hat diese Situation als die Vorphase eines Kriegs mit Venezuela bezeichnet. Seiner Ansicht nach wird Kolumbien dadurch zu einer Art Flugzeugträger, von dem aus elektronische Überwachungsoperationen in der gesamten südamerikanischen Region durchgeführt werden. 

In der Präambel des Abkommens wird dieses damit gerechtfertigt, dass es wichtig ist, die regionale Kooperation zu fördern, um „den Gefahren für Frieden und Stabilität, wie Terrorismus, dem weltweiten Drogenproblem, der transnationalen organisierten Kriminalität und der Verbreitung von Kleinwaffen“, entgegenzuwirken. Das Argument der Terrorismusbekämpfung haben die USA auch eingesetzt, um mit dem Vorwand der Wahrung der „nationalen Sicherheit“ die Kriege gegen Irak und Afghanistan zu entfesseln. 

Das zu früher Stunde unterzeichnete Dokument bestätigt die Nutzung von sieben kolumbianischen Militärstützpunkten durch die US-Militärs. Dabei handelt es sich um die Luftwaffenstützpunkte Palanquero, Malambó und Apiay, die Armeebasen Tolemaida und Larandía sowie die Marinestützpunkte in Cartagena (Karibik) und Málaga (Pazifik). Die US-Ausstattung ist höchst ambitiös, mit C-17-Flugzeugen und Orion C-3, die auf elektronische Spionage spezialisiert sind. Diese werden für wenig geeignet erachtet, um die Guerilla oder den Drogenterrorismus zu bekämpfen. Die US-Streitkräfte haben auf kolumbianischem Boden keine Beschränkungen. Ein bisher wenig beachteter Aspekt dieses Militärabkommens ist der, dass die US-Flugzeuge nicht nur Zugang zu den sieben kolumbianischen Militärstützpunkten, sondern auch zur gleichen Zahl von kommerziellen Flughäfen haben. 

Auch wird festgelegt, dass den USA die Nutzung von weiteren Einrichtungen gewährt wird, die für ihre Bediensteten erforderlich sind, ohne diese Örtlichkeiten aber genau zu benennen. Um keine Zweifel an den heimtückischen Klauseln des Abkommens zu lassen, sollen einige hier aufgeführt werden: Artikel IV des Abkommens über den „Zugang, die Nutzung und den Besitz der vereinbarten Einrichtungen und Standorte“ besagt: „Die Behörden Kolumbiens gewähren den USA den Zugang und die Nutzung der vereinbarten Einrichtungen und Standorte, der Rechte und der Durchgangsrechte für die Güter im Besitz von Kolumbien, die erforderlich sind, um die Aktivitäten im Rahmen dieses Abkommens auszuführen, einschließlich vereinbarter Baumaßnahmen; dies ohne dass die Behörden Kolumbiens dafür Mietgebühren oder ähnliche Kosten erheben.“

Artikel VI über die „Zahlung von Tarifen und anderen Belastungen“ legt fest: „Wenn sich die offiziellen Flugzeuge der USA auf kolumbianischem Staatsgebiet befinden, sind sie nicht zur Zahlung von Rechten verpflichtet, einschließlich den Rechten für Luftfahrt, Überfliegen, Landung (...).“ „Die offiziellen Schiffe der USA genießen dieselbe Behandlung und Privilegien wie Kriegsschiffe, in der Folge sind sie nicht der Zahlung von Gebühren für Meeressignalisierung und Ankerung unterworfen. Die USA zahlen für Dienstleistungen in den konzessionierten Häfen die üblichen Tarife der kommerziellen Unternehmen.“ Nach diesem Artikel werden sich „übereinstimmend mit dem internationalen Gewohnheitsrecht und Praxis die offiziellen Flugzeuge und Schiffe der USA nicht (...) der Inspektion unterwerfen.“ Artikel X über die „Einfuhr, Ausfuhr, den Erwerb und die Verwendung von Gütern und Mitteln“ bestimmt, dass Kolumbien die USA und ihre Subunternehmen von allen Zollgebühren, Steuern und sonstigen Abgaben befreit. Auch die aus- und eingeführten Güter, die für die Aktivitäten im Rahmen des Abkommens bestimmt sind, werden nicht von den kolumbianischen Zollbehörden inspiziert. Artikel XVII des Abkommens bezieht sich auf „Lizenzen für Fahrzeugführung, Matrikel, Fahrzeugversicherungen und Berufslizenzen“. Den US-Funktionären wird in Kolumbien volle Freiheit gewährt, um Fahrzeuge, Schiffe und Flugzeuge ohne Kontrolle zu führen.

Seitdem sich die südamerikanischen Regierungen der US-Bedrohung in der Region bewusst wurden, machten sie ihre Besorgnis in verschiedenen Erklärungen deutlich. Nicht nur das: Sie beriefen auch am 28. August eine außerordentliche Versammlung des Zusammenschlusses Unasur (Unión de Naciones del Sur) in der argentinischen Stadt Bariloche ein, um die Situation zu analysieren und in Anbetracht der potentiellen Kriegsgefahren zu einer gemeinsamen Position zu kommen. Aber auch die lateinamerikanischen Regierungen erfuhren den Text des Abkommens erst einige Tage nach dessen Unterzeichnung am 30. Oktober.
Für die Länder Südamerikas ist es eine Gefahr, dass in Kolumbien mindestens 1400 US-Militärs ständig präsent sein können. Davon 800 in „direkter Form“, d. h. sie sind Mitglieder der US-Streitkräfte; weitere 600 sind „indirekt“, über so genannte contractors, Subunternehmen. (Dabei handelt es sich meist um private Sicherheitsfirmen. – d. Red.) Alle genießen absolute Immunität, was ihnen erlaubt, Verbrechen zu begehen, ohne dafür in Kolumbien vor Gericht gestellt zu werden. 

Besorgnis erregt auch ein Schriftstück der US-Luftwaffe, worauf kürzlich die US-Anwältin Eva Golinger hingewiesen hat. Dieses enthüllt, dass es „zu den Absichten des Abkommens gehört, kontinentale militärische Operationen durchzuführen, um die gegen die USA eingestellten Regierungen zu neutralisieren“. In diesem Text wird darauf hingewiesen, dass der Luftwaffenstützpunkt Palanquero „eine Chance bietet, um Operationen des gesamten [militärischen] Spektrums in ganz Südamerika durchzuführen.“ Dieses Dokument vom Mai 2009 ist Teil der Begründung des Haushalts für 2010, der dem US-Kongress vom Verteidigungsministerium vorgelegt wurde.1

Für den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez hat Kolumbien beschlossen, „seine Souveränität an die USA abzugeben“. Die Regierung Kolumbiens befindet sich nicht mehr auf kolumbianischem Staatsgebiet, sondern im Pentagon, polemisierte Chávez. Er sagte gegenüber der lokalen und der internationalen Presse, dass zu den Zielen der militärischen US-Präsenz der Versuch gehöre, Venezuela und seine Regierung mit dem Rauschgifthandel in Verbindung zu bringen. Chávez ist nicht der einzige, der Probleme sieht. Der kolumbianische Ex-Präsident Ernesto Samper versicherte: „Wir sollten uns nichts vormachen: Was wir tun, ist in etwa so, wie wenn man jemandem, der überhaupt nicht in einem Haus wohnt, den Balkon übergibt, um dort Reflektoren und Videokameras zu installieren und damit die Nachbarn zu überwachen.“ In der Tat erfüllt die kurz bevorstehende Ankunft der US-Militärflugzeuge und entsprechende Rüstung auf dem neuen Flugzeugträger „Kolumbien“ die Nachbarn mit Sorge. Sie haben allen Grund dazu.

  • 1. Vgl. zum Thema: John Lindsay-Poland in ila 328 (Sept. 2009) und Bettina Reis in ila 326 (Juni 2009)

Juan Manuel Bueno Soria hat über internationales Kooperationsrecht an der Universität Toulouse I promoviert. Die spanische Originalfassung wurde am 15. 11. 2009 veröffentlicht. Übersetzt und bearbeitet von Bettina Reis.