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Zurück im Spiel

Die überraschende Rückkehr Zelayas nach Honduras könnte die Widerstandsbewegung schwächen
Magdalena Heuwieser

Dass der außer Landes verschleppte Präsident Manuel Zelaya plötzlich am 21. September wieder in Honduras auftauchen würde, hatte niemand erwartet – weder Putschistenchef Micheletti noch die Widerstandsbewegung. Vielmehr war damit gerechnet worden, er würde vor den Wahlen am 29. November gar nicht mehr erscheinen.

Die Deadline hatte die Widerstandsfront auf Anfang Oktober gelegt. Wäre Zelaya bis dahin nicht zurückkommen, hätten sie zum aktiven Wahlboykott aufzurufen; die Kandidaten und Kandidatinnen, die den Putsch verurteilen, hätten sich aus den Wahlen zurückgezogen. Dies sind der unabhängige Präsidentschaftskandidat Carlos H. Reyes, die linke Partei UD (Unificacion Democratica), Teile der Liberalen Partei und die PINU (Partido Inovación y Unidad Social Demócrata). Nach den illegitimen Wahlen wollte die Widerstandsfront den Druck auf die neue Regierung erhöhen, um die Wahl einer Verfassunggebenden Versammlung druchzusetzen. Die wäre natürlich nicht sofort durchsetzbar gewesen, die Forderung hat aber ein großes Mobilisierungspotenzial, das die sozialen Bewegungen stärken und mit genügend Ausdauer zu einem nachhaltigen Wandel, mehr Gerechtigkeit und dem Bruch mit dem neoliberalen System führen könnte.

Mit dem plötzlichen Auftauchen Zelayas in der Hauptstadt Tegucigalpa änderte sich die Lage von einem Tag auf den anderen. Die Widerstandsbewegung hatte sich in dem fast dreimonatigen Kampf politisiert und weiterentwickelt. Sie demonstrierte schon teilweise nicht mehr für eine Rückkehr Zelayas ins Amt, sondern für eine neue Verfassung, eine Neugründung von Honduras. Nun richtet sich all ihre Aufmerksamkeit wieder auf “Mel”. Natürlich sind viele AnhängerInnen Zelayas der Sturheit von Micheletti überdrüssig und wütend. Meist spontan versammelten sich die Menschen in den Bezirken Tegucigalpas und vor der Botschaft. Teilweise spalteten sich kleine radikalere Gruppen ab, die Gebäude und Motorräder von Polizisten in Brand setzten, Steine warfen und kleine Bomben bastelten. Dies bedeutet eine Spaltung in der Widerstandsfront, deren offizielle Linie immer noch der friedliche Kampf ist.

Die Repression durch den Polizei- und Militärapparat, die seit dem Besuch der interamerikanischen Menschenrechtsorganisation CIDH Anfang August spürbar zurückgegangen war, ist seit der Rückkehr Zelayas noch brutaler als in den ersten Wochen nach dem Putsch. Vor allem in Tegucigalpa wurden die Demonstrationen mit massivem Einsatz von Tränengas, Wasserwefern, Schlagstöcken und Schusswaffen gewaltsam aufgelöst. Neu war der Gebrauch von akustischen Apparaten, die für das menschliche Ohr schmerzhafte und schädliche Töne aussenden sowie der Einsatz von giftigen Chemikalien, die bei den etwa 85 Leuten in der brasilianischen Botschaft Kopfschmerzen, Nasenbluten, Blut im Stuhl und andere Krankheitssymptome hervorriefen. Das Rote Kreuz und „Ärzte ohne Grenzen“ wurde nicht zur Botschaft durchgelassen, um die Verletzten zu behandeln. Vermummte Sicherheitskräfte drangen in Häuser ein, in denen sie DemonstrantInnen vermuteten, und warfen Tränengasbomben in Gebäude, unter anderem in das Büro der Menschenrechtsorganisation COFADEH und in die brasilianische Botschaft. 

Die Ausgangssperre wurde erst kurz vor Beginn derselben angekündigt, was in den Großstädten zu Chaos und in vielen Haushalten zu Lebensmittelknappheit führte. Das Baseballstadion “Chochi Sosa” wurde in ein riesiges Gefängnis umgewandelt. Bisherige Bilanz der Repression sind Hunderte von Festnahmen, zahlreiche Verletzte und einige Tote, darunter ein achtjähriges Mädchen, das am 22. September bei der brutalen Vertreibung der AnhängerInnen Zelayas vor der brasilianischen Botschaft am Tränengas erstickte. Die wenigen kritischen Radiossender und der Fernsehkanal Cholusat Sur wurden angegriffen, ihre Technik teilweise zerstört.

Geradezu lächerlich ist das „Angebot“ Michelettis, in Dialog mit Zelaya zu treten. Schließlich hatte er stets die Kompromisslösung von Oscar Arias ignoriert, die Zelaya längst akzeptiert hatte. Micheletti lehnt weiterhin eine Rückkehr Zelayas in sein Amt ab und hofft auf eine Lösung der Krise durch die Wahlen im November. Diese Sturheit und Verkennung der Realität ist kaum nachvollziehbar. Es ist unwahrscheinlich, dass die wirtschaftliche ein „Weiter so“ erlaubt. Außerdem wird die internationale Staatengemeinschaft die Wahlen unter dem De-Facto-Regime kaum anerkennen und selbst rechte PolitikerInnen sehen inzwischen eine diplomatische Einigung als einzigen Ausweg. Sogar Pepe Lobo, Präsidentschaftskandidat der Nationalen Partei, lehnt Wahlen unter der aktuellen Situation ab. Eine schlaue Strategie, denn sollten die Wahlen nach einer Machtrückkehr Zelayas anerkannt werden, hat er größte Chancen, Präsident zu werden.

Sollte eine Lösung zwischen Zelaya und Micheletti vereinbart werden, so wird es wohl keine sein, die Zelaya die verlorene Amtszeit zugesteht. Sie wird den Putschisten Straffreiheit garantieren und die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung verhindern. So könnten die Wahlen international anerkannt werden. Ob die Widerstandsfront Wahlen unter diesen Bedingungen akzeptieren wird, ist eine andere Frage. Sie plant, in der „Nationalen Front des Volkswiderstands“ weiter für eine Verfassunggebende Versammlung zu kämpfen. Ein Wahlboykott und der Rückzug der Kandidaturen ist weiter möglich. Falls die UD und unabhängige KandidatInnen antreten und Teil der neuen Regierung würden, könnte dies eine Schwächung der Widerstandsfront bedeuten, die dann keinen Druck mehr auf die Regierung – auf ihre eigenen Leute –ausüben könnte.

Die nächsten Monate werden für die sozialen und linken Bewegungen in Honduras entscheidend sein. Wenn sie es schaffen, die Kraft zu nutzen, die der Putsch bei seinen GegnerInnen entfacht hat, können sie mit oder ohne Wahlen Kurs nehmen in Richtung nachhaltiger Aufbau einer starken Volksbewegung, um mit Hilfe einer neuen Verfassung einen Wandel in Honduras zu erreichen.