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Die Machenschaften der Security-Branche

Menschenrechtsanwalt Dionisio Díaz García in Honduras ermordet. Ein Gespräch mit Dina Meza

Die fehlende Kontrolle der ständig wachsenden Privatarmeen in der Security-Branche und die daraus resultierenden miesen Arbeitsbedingungen stellen – auch in Honduras – ein Problem dar. Am 4. Dezember 2006 wurde der Anwalt Dionisio Díaz García ermordet. Er war im Rahmen seiner Arbeit bei der Menschenrechtsorganisation ASJ (Asociación para una Sociedad más Justa) mit einem Fall über die Arbeitsbedingungen der Angestellten in Sicherheitsfirmen beauftragt. Bereits seit Monaten waren er und mehrere andere MitarbeiterInnen der ASJ bedroht worden, und auch jetzt setzen sich die Bedrohungen gegen seine KollegInnen fort. Dina Meza ist Chefredakteurin der von ASJ publizierten Internet-Zeitschrift revistazo.com und – ebenfalls von den Drohungen betroffen – schildert ihre Arbeitssituation.

Ina Hilse

Welches sind die Arbeitsgebiete der ASJ?

Die ASJ wurde 1998 in Honduras gegründet, um nach dem Hurrican Mitch Menschen in Honduras zu unterstützen. Am Anfang wurde vor allem zur Landfrage gearbeitet. Später wurden psychologische und juristische Programme für Leute in den armen Vierteln von Tegucigalpa gegründet, damit sie in ihren Viertel Probleme angehen konnten. Weiterhin wird mit kirchlichen FührerInnen gearbeitet, um sie für die sozialen Probleme des Landes zu sensibilisieren. Revistazo.com ist eine Internet-Zeitschrift, die über verschiedene Themen wie Transparenz, Menschenrechte und Gerechtigkeit berichtet. Im Moment arbeiten dort sechs JournalistInnen, mich eingeschlossen. Schließlich gibt es den Bereich Arbeitsrechte von verwundbaren Gruppen: Hier werden Sicherheitsangestellte (Wächter) sowie Angestellte von Fast-Food-Ketten, Hausarbeiterinnen und Angestellte von Reinigungs-Firmen unterstützt, die alle sehr prekäre Arbeitsbedingungen haben. 

Kannst du den Fall genauer schildern, der dazu geführt hat, dass sich die Ereignisse so zuspitzten?

Wir haben Fälle gegen zehn Sicherheitsfirmen laufen, die auf verschiedene Art und Weise die Arbeitsgesetzgebung nicht erfüllen. Acht der Firmen haben sich auf Vergleiche eingelassen, oder die Verfahren laufen, ohne dass sie uns bedrohen. Aber zwei Firmen, Delta Security Services und Setech, haben sehr empfindlich auf die Anzeigen reagiert. Diese Firmen bewachen fünf große staatliche Institutionen, das Ministerium für Bildung und das für Gesundheit, die staatliche Energiefirma ENEE, die staatliche Telekommunikationsinstitution hondutel und mehrere Krankenhäuser. Diese 5 Aufträge umfassen 63 Millionen Lempiras (3,5 Millionen US-Dollar). 

Der Fall läuft seit 2004. Damals gab es Anzeigen von Angestellten, die aber in einem Vergleich endeten. Daraufhin haben wir unter anderem Seminare mit den Angestellten durchgeführt, um sie über ihre Rechte aufzuklären. Seit jedoch im Dezember 2005 der erste Artikel in revistazo.com über die Arbeitsrechtsverletzungen in diesen Unternehmen erschien, sind sie sehr verärgert. Wir haben zwölf Klagen gegen Delta Security und Setech laufen; vor allem geht es dabei um Entschädigungszahlungen, die nicht erfüllt wurden. Die Firma Delta hat ihren Namen gewechselt und ist nun Setech. Die Angestellten wurden jedoch nicht automatisch übernommen, sondern dieser Wechsel genutzt, um ihnen zu kündigen, ohne die entsprechenden Entschädigungen zahlen zu müssen. Die Angestellten wurden schikaniert, damit sie von sich aus kündigen und die Abfindungen nicht gezahlt werden müssen. Zum Beispiel wurden sie jeden Tag woanders eingesetzt, an entlegenen Orten, zu denen sie laufen mussten. 

Das Verfahren nahm seinen Lauf, aber an einem bestimmten Punkt wollten wir sicherstellen, dass die Firma in dem Fall, dass wir gewinnen und sie die ausstehenden Forderungen zahlen muss, auch zahlungsfähig ist – häufig haben Unternehmen in diesen Fällen vorgesorgt und haben plötzlich keinerlei Vermögen oder zu beschlagnahmende Gegenstände mehr. Daher haben wir vorsichtshalber ein Beschlagnahmungsverfahren eingeleitet, damit ihre Autos und Motorräder als Sicherheit für die ausstehenden Zahlungen zur Verfügung stehen. 

Am 22. August 2006 sollte eines der Autos eingezogen werden – Delta hatte zuvor von allen ihren Autos die Nummernschilder abgeschraubt, um es schwieriger zu machen, sie zu identifizieren und einzuziehen. Der Anwalt Dionisio Díaz García von der ASJ war beauftragt, das beschlagnahmte Fahrzeug in Verwahrung zu nehmen, und stellte es auf einem privaten Parkplatz ab. Am nächsten Tag wurde das Fahrzeug von bewaffneten Männern von Setech gestohlen, und ist bis heute nicht wieder aufgetaucht. 
In der Folgezeit begannen die Drohanrufe auf unseren Handys, unbekannte Leute hielten sich in der Nähe unseres Büros auf, in Autos mit geschwärzten Scheiben. Ich hatte einen Artikel veröffentlicht über die Diffamierungskampagne, die Setech gegen uns gestartet hatte, und sie drohten damit, mich wegen Verleumdung zu verklagen - aber wir konnten alles belegen, sodass der Klage nicht stattgegeben wurde. 

Wie seid ihr mit dieser Bedrohungssituation umgegangen?

Am 12. Oktober 2006 haben wir die Bedrohungen vor verschiedenen Instanzen angezeigt, vor COFADEH (Komitee der Familienangehörigen von Verschwundenen in Honduras), vor dem Gericht in Tegucigalpa und mehreren internationalen Instanzen wie dem Hochkommissar der Vereinten Nationen, Amnesty International und der Interamerikanischen Menschenrechtskomission. Diese musste aber erst Nachforschungen anstellen und hat erst am 20. Dezember den Honduranischen Staat verurteilt, uns Schutzmaßnahmen zu gewähren. Ende November erhielt Dionisio eine Nachricht über das Internet auf seinem Handy, sodass nicht nachvollziehbar ist, von wem sie kommt, dass sein Leben in Gefahr sei. Auch dies haben wir bei COFADEH gemeldet. 

Am 4. Dezember wurde Dionisio ermordet. Er wurde verfolgt und in seinem Auto von Motorradfahrern erschossen, als er in einem Stau anhalten musste. Die Ermordung scheint sehr professionell durchgeführt worden zu sein – sie haben sogar überprüft, ob er noch am Leben ist. Nach dem Mord an Dionisio haben wir uns mit dem Präsidenten Mel Zelaya in Verbindung gesetzt, der sich jedoch nicht zuständig fühlte und uns an den Sicherheitsminister verwiesen hat. Der Sicherheitsminister hat nur gesagt, ihm seien die Hände gebunden, weil die Polizei mit dem organisierten Verbrechen zusammenarbeite. Er hätte uns hingegen sofort die entsprechenden Schutz-Maßnahmen zugestehen müssen.

In der Woche nach Dionisios Ermordung hat der Präsident der ASJ eine Nachricht auf seinem Handy erhalten, dass er der nächste sei, weil er der Kopf dieses ganzen Unternehmens ist – immer schicken sie diese Nachrichten auf englisch, das ist ein Muster. 

Warum führt dieses Thema zu einer so extremen Reaktion? 

Der empfindliche Punkt ist, dass die EigentümerInnen oder TeilhaberInnen dieser Sicherheitsfirmen Ex-Militärs oder Ex-Polizisten sind. Deswegen werden sie nicht vom Staat kontrolliert und halten die Gesetzgebung nicht ein. Es gibt sogar Informationen über Kontakte zu früheren Todesschwadronen. Dieser Rahmen sowie die große Gewinnspanne in diesem Geschäft, in dem sehr geringe Löhne gezahlt werden und die Arbeitsbedingungen sehr schlecht sind, führen zu dieser Reaktion. Von den 200 Firmen, die in Honduras existieren, sind nur 120 registriert. Sie geben falsche Adressen und Telefonnummern an. Sie haben viele Jahre in der Straflosigkeit in Honduras operiert, und deshalb glauben sie, sie können sich durch Bedrohungen durchsetzen. Zum Beispiel wenn es Untersuchungen durch das Arbeitsministerium gibt, werden die KommissarInnen von ihnen mit Waffen bedroht. 

Wie sind die Arbeitsbedingungen der Angestellten der Sicherheitsfirmen? 

Sie haben sehr lange Schichten, zum Teil arbeiten sie 84-96 Stunden pro Woche, ohne Überstunden bezahlt zu bekommen. Für die Uniformen, die ihre Arbeitskleidung sind, wird ihnen ein Betrag von ihrem Gehalt abgezogen. Ein Teil ihres Gehaltes wird einbehalten, ohne dass ihnen erklärt wird, warum. Ihnen wird kein oder zu wenig Urlaub gewährt; ihnen wird das 14. Gehalt und Weihnachtsgeld nur teilweise gezahlt. Ihnen wird von heute auf morgen ohne Erklärung und Abfindung gekündigt. Sie werden zur Strafe an entlegene Arbeitsorte geschickt, die sehr einsam und unsicher sind, ohne Zugang zu Trinkwasser und der Möglichkeit, Essen zu kaufen. Die Anreise zu entlegenen Arbeitsorten wird nicht bezahlt. Sie werden wegen Diebstahl angeklagt, und entsprechende Beträge von ihrem Lohn abgezogen, ohne dass untersucht wird, ob sie es waren. Wenn es einen Überfall gibt, müssen sie für die Munition bezahlen, die sie verwendet haben. Der Krankenversicherungsanteil wird den Angestellten vom Gehalt abgezogen, ohne an die Versicherung weitergeleitet zu werden, so dass sie ohne Versicherungsschutz sind. Das ist nur ein Teil der Arbeitsrechtsverletzungen.1 Die Angestellten sind Leute ohne Schulbildung und haben kein Wissen über ihre Rechte, sodass sie leicht ausgenutzt werden. 

Wie ist die aktuelle Situation?

Wie gesagt, kam am 20. Dezember das Urteil, dass der Staat Honduras uns Schutzmaßnahmen gewähren muss. Aber sie haben dies erst ab dem 6. Januar durchführt. Die Polizei sollte die Maßnahmen durchführen, aber sie haben darin keine Erfahrung und uns nicht durchgehend geschützt. Bei mir zu Hause haben sie mich mit vollem Namen per Lautsprecher ausgerufen, als sie mich abholen sollten, was natürlich meine gesamten NachbarInnen verärgert hat. So wurde die Polizei ausgetauscht, und nun werden wir von Spezialagenten des Militärs, Cobras, geschützt.

Über Weihnachten sind wir alle vier, die wir am stärksten bedroht werden, außer Landes gewesen. Als wir Anfang Januar wieder angefangen haben zu arbeiten, gingen das Bedrohungsszenario und die Kampagne gegen ASJ auch wieder los: Es fahren unbekannte Fahrzeuge in der Nähe des Büros herum, und die Artikel in revistazo.com werden von ihnen kommentiert.2 Aber wir werden unsere Arbeit zur Verteidigung der Rechte von Leuten, die das nicht selbst tun können, fortsetzen, weil es nicht sein kann, dass sie mit dieser Einschüchterungstaktik Erfolg haben und die Straflosigkeit fortbesteht.

  • 1. Der gesamte Fall ist in revistazo.com dokumentiert.
  • 2. In revistazo.com gibt es die Möglichkeit, dass LeserInnen die Artikel online kommentieren.

Das Gespräch führte Ina Hilse im Januar 2007 in Tegucigalpa.