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Wechselkurs und Entwicklung

Eine politische Regulierung der Wechselkurse ist überfällig

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die internationalen Finanzbeziehungen durch das System von Bretton Woods bestimmt. Seine tragenden Säulen waren fixierte Wechselkurse für die großen Währungen, der US-Dollar als Leitwährung, die durch die Goldreserven der USA garantiert wurde, sowie Kapitalverkehrskontrollen. Gesteuert und überwacht wurde das System vom Internationalen Währungsfonds (IWF), der dazu eigens geschaffen worden war. Die Architekten des Systems zogen mit Bretton Woods die Konsequenzen aus der Weltwirtschaftskrise 1929. Ganz im Sinne einer politischen Ökonomie wussten sie, das dieser Crash nicht nur enorme ökonomische Verwerfungen hervorgebracht hatte, sondern auch ein wichtiger Grund für den Aufstieg des Faschismus mit all seinen fatalen Folgen war.

Peter Wahl

Seit 1973 bilden sich die Wechselkurse, das heißt die Preise für die einzelnen Währungen, frei floatend am Markt. Damit ist nicht irgendeine Variable der Weltwirtschaft verändert worden, sondern eine zentrale Stellgröße. Denn die Existenz von unterschiedlichen Währungen hat beträchtliche Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den dazugehörigen Wirtschaftsräumen und deren Wettbewerbsfähigkeit. Unterschiedliche Währungen erhöhen die Transaktionskosten. Selbst wenn die Kurse fixiert wären, verursachte der Umtausch der Währungen Kosten. Wenn dann zudem die Kurse frei floaten, entsteht ein Wechselkursrisiko. Auf Mikroebene kann man sich das an folgendem Beispiel verdeutlichen: Wenn am 1. Februar eine Maschine im Wert von einer Million Euro von Europa nach Argentinien verkauft wird, der Kurs des argentinischen Peso aber bei Lieferung im Hafen von Buenos Aires 14 Tage später um fünf Prozent gesunken ist, hat der Käufer ein Problem. Er muss jetzt für die eine Million Euro fünf Prozent mehr Pesos aufwenden. Das Ganze kann natürlich auch umgekehrt verlaufen. Auch der Schuldendienst kann bei Kursänderungen über Nacht plötzlich ansteigen oder auch absinken. Da viele Entwicklungsländer hoch verschuldet sind, ist die Wechselkursvolatilität ein permanenter Unsicherheitsfaktor. Der drastische Anstieg des Dollarkurses war zwar nicht der einzige, aber einer der bedeutendsten Faktoren für den Ausbruch der Schuldenkrise 1982. 

Ausschlaggebend für das Wechselkursrisiko bei Handel und Investitionen sind dabei weniger die kurzfristigen Veränderungen innerhalb eines Tages (die Kurse werden sekündlich erfasst!), sondern die mittelfristigen, das heißt die monatlichen oder Quartalsschwankungen, da sie Konsum- und Investitionsentscheidungen beeinflussen. Für den Schuldendienst dagegen stellen bereits die täglichen Schwankungen ein Problem dar. Gegen die Unsicherheiten kann man sich auf Mikroebene bis zu einem gewissen Grad schützen, indem man eine Versicherung gegen das Wechselkursrisiko abschließt. Diese hedging verursacht natürlich Kosten. Und da die Volatilität der Schwachwährungsländer größer ist als die der großen Währungen, verteuert sich der Außenhandel der Entwicklungsländer überproportional. Da Wechselkurse also für Handel, Investitionen und Schuldendienst ein Problem sind, wird auf unterschiedlichen Wegen versucht, es auf Makroebene in den Griff zu bekommen. Ideal wäre die Schaffung einer einzigen Währung. Das hatte Keynes schon bei der Konferenz von Bretton Woods vorgeschlagen. Die Etablierung des EURO ist ebenfalls damit motiviert, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Mitgliedsländern zu erleichtern und damit den gesamten Integrationsprozess in der EU zu befördern. Auch in anderen Regionen, so zum Beispiel in Asien und in Lateinamerika, sind nach den Krisen der 90er Jahre Überlegungen laut geworden, nach dem Vorbild der EU regionale Währungsverbünde zu bilden. In Westafrika sind 14 frankophone Staaten in der CFA-Zone (CFA = Communauté Financière Africaine) zusammengeschlossen, das heißt, sie bilden einen gemeinsamen Währungs- und Zollraum. Die gemeinsame Währung, der Franc CFA, war früher an den französischen Franc – und heute an den Euro – gekoppelt und wird von der Europäischen Zentralbank garantiert. 

In der Diskussion um Alternativen ist die Schaffung regionaler Wirtschaftsräume, darunter regionale Währungen, einer der wichtigsten Debattenstränge Die CFA-Zone ist nicht nur ein regionaler Währungsraum, sondern durch die Kopplung an eine Starkwährung auch ein Beispiel für eine weitere Form eines Wechselkursregimes, das auf makroökonomischer Ebene versucht, das Wechselkursproblem zu bearbeiten: Um mit einer stabilen Währung auf dem Weltmarkt aufzutreten, kann ein Land seine Währung an eine andere Währung oder einen Korb verschiedener Währungen koppeln. Dieses Verfahren (Currency Board) ist natürlich nur sinnvoll, wenn die Kopplung an eine Starkwährung als Ankerwährung vorgenommen wird. Es findet also eine Übertragung der Stärke der Ankerwährung auf die Schwachwährung statt, das heißt, man kommt in den Genuss einer Währungsprämie, die wiederum die Kreditwürdigkeit erhöht, Investitionen begünstigt etc. 

Dabei gibt es verschiedene Untervarianten. Die wichtigsten sind:

a.) die feste Bindung an die Ankerwährung, die auch jede deren Kursveränderungen gegenüber anderen Währungen mitmacht. Diese starre Bindung hat jedoch auch gravierende Nachteile. So muss die eigene Inflationsrate mit der des Ankerlandes synchronisiert werden. Das wird in der Regel durch hohe Zinsen, restriktive Geldpolitik und einen strengen Sparkurs beim Staatshaushalt möglich. Dies allerdings kann der Binnenkonjunktur schaden und soziale Probleme verschärfen. Gleichzeitig ziehen hohe Zinsen kurzfristiges Spekulationskapital an. Dieses ist seinerseits ein Stabilitätsrisiko, weil es auch jederzeit wieder zu einem abrupten Abzug kommen kann. Synchronisiert man die Inflationsraten nicht, kommt es schnell zu einer Überbewertung der eigenen Währung, was dazu führt, dass sich der Export verteuert. Insofern ist ein solches Currency Board ein ständiger Drahtseilakt. Die historischen Erfahrungen, etwa Argentiniens, das bis zum Crash 2001 ein solches Modell praktiziert hatte, zeigen, wie riskant das System ist.

b.) eine flexiblere Anbindung (crawling peg), die bis zu einem gewissen Ausmaß Abwertungen ermöglicht, um eine stärkere Inflation als die im Ankerland aufzufangen. Die Abwertungen nützen zwar dem Export, führen allerdings zu einer Verminderung der Währungsprämie und erhöhen das Inflationsrisiko durch die Verteuerung der Importe. Die so zunehmende Inflation kann die beabsichtigte Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit wieder zunichte machen und erneuten Abwertungsdruck erzeugen. Es entsteht eine Abwärtsspirale, die dann zum völligen Verlust der Währungsprämie führt und die Kopplung an die Ankerwährung sinnlos macht. 

Um die Volatilität der Wechselkurse abzupuffern, sind die Entwicklungsländer gezwungen, Währungsreserven anzulegen, um damit den Kurs der eigenen Währung im Bedarfsfall zu stabilisieren. Dadurch entsteht ein ständiger Mittelabfluss. „Wann immer die Zentralbank eines Landes Devisen herausgibt, denen keine realwirtschaftliche Kapitalbildung im Land entspricht, kommt es zu internationalen Vermögensverlagerungen, deren Ausmaß die Ströme der Entwicklungshilfe oft um ein Vielfaches übertrifft“, schreibt der Ökonom Helmut Spahn dazu.

Bei der Asienkrise half selbst dieses Mittel nicht mehr, um den Crash zu verhindern. Die Reserven waren einfach zu gering. Als sie aufgebraucht waren, fielen die Kurse ins Bodenlose. Der thailändische Baath verlor 40 Prozent seines Wertes, die indonesische Währung sogar 60 Prozent. Aus diesem Grund haben jene Länder, die es sich leisten konnten, enorme Reserven angehäuft, um nicht nur bei normalen Währungsschwankungen intervenieren zu können, sondern im Fall einer spekulativen Attacke oder eines Crashs gewappnet zu sein. Zwar helfen Reserven bei der Wechselkursstabilisierung und der Abwehr von Währungskrisen, aber sie absorbieren gewaltige Mittel, die dann nicht mehr für Entwicklung und Armutsbekämpfung zur Verfügung stehen. Diese Form der Absicherung des Wechselkursrisikos ist also in hohem Maße ineffizient und ein Entwicklungshindernis. 

Bereits Bretton Woods hatte den Dollar als Leit- und Ankerwährung für die Weltwirtschaft etabliert. Auch nach dem Ende des Systems änderte sich daran zunächst wenig. Die Existenz einer solchen Leitwährung hat den Vorteil, dass bei allen internationalen Wirtschaftstätigkeiten in einer Währung gerechnet und die Preise einfach miteinander verglichen werden können. Der internationale Zahlungsverkehr wird dadurch enorm erleichtert. Insofern ist eine Leitwährung eine positive Errungenschaft für internationalen Handel, Auslandsinvestitionen und internationale Kreditbeziehungen. Wenn diese Leitwährung identisch ist mit der Währung eines Nationalstaates, bedeutet dies aber auch, dass dieser dadurch in eine privilegierte Position gelangt. Denn die Leitwährung ist zugleich einheimisches Zahlungsmittel. Dieser Staat, in unserem Falle die USA, ist das einzige Land, das
a) seine Außenwirtschaft in der eigenen Währung abwickeln kann. Dadurch entfallen die Transaktionskosten für den Währungstausch,
b) kein Wechselkursrisiko hat. Damit fallen zugleich auch nicht die Kosten an, die den anderen Ländern für die Absicherung gegen dieses Risiko entstehen,
c) sich in der eigenen Währung im Ausland verschulden kann.

Daraus ergeben sich für die USA strukturelle Wettbewerbsvorteile und über den Status des Dollar als Reservewährung und führende Währung für Vermögensanlagen ein enormer Einfluss auf die gesamte Weltwirtschaft. Auch übertragen sich Probleme der US-Wirtschaft über die Dollarabhängigkeit der Weltwirtschaft sehr schnell auf die ganze Welt. Eine Abwertung des Dollar zum Beispiel würde sowohl die in Dollar gehaltenen Währungsreserven der übrigen Volkswirtschaften als auch die Dollarvermögenswerte entsprechend abwerten. Mit der Etablierung des Euro hat sich die Vormachtstellung des Dollar abgeschwächt. Ein Indikator dafür ist der Anteil des Euro bei der Ausgabe internationaler Schuldverschreibungen. 1999 war noch die Hälfte dieser Wertpapiere in Dollar denominiert und 28,4 Prozent in Euro, 2005 hatte der Euro mit 45,4 Prozent den Dollar (38,3 Prozent) überholt. Bei anderen Indikatoren, wie dem Anteil der verschiedenen Währungen am Welthandel, an den Währungsreserven oder an der Kreditvergabe, ist der Dollar noch immer klar in Führung, aber auch hier wächst die Bedeutung des Euro.

Unter Stabilitätsgesichtspunkten ist der Abbau der Monopolstellung des Dollar durchaus positiv. Die einseitige Abhängigkeit vom Dollar und die damit verbundenen Risiken nehmen ab, Wettbewerbsverzerrungen werden gemindert. Das ist auch für Entwicklungsländer von Vorteil. Allerdings könnten sich die Transaktionskosten leicht erhöhen, da zwei Ankerwährungen das System etwas komplizierter machen. Mit der Etablierung regionaler Währungsverbünde könnte sogar ein multipolares System entstehen. Wichtiger jedoch ist, dass die grundlegenden Nord-Süd-Asymmetrien zwischen Stark- und Schwachwährungen dadurch nicht tangiert werden. Wenn man in längerfristigen Zeiträumen denkt, wäre daher – an Keynes anknüpfend – für eine grundlegende Reform des internationalen Währungssystems über eine globale Leitwährung nachzudenken, die nicht mit einer nationalen oder regionalen Währung identisch ist. 

Für Schwachwährungsländer ist die Wechselkursproblematik unter den Bedingungen offener Volkswirtschaften eine besondere Belastung und führt immer wieder in Dilemmata hinein. Deshalb hat eine Reihe lateinamerikanischer Länder Wertpapiermärkte in heimischer Währung in den letzten Jahren erheblich ausgebaut (vgl. dazu die Beiträge „Graduelle Entdollarisierung“ und „Pensionsfonds als Währungshüter?“ in dieser ila). Auch wenn aus entwicklungspolitischer Perspektive also eine Bearbeitung der Wechselkursproblematik dringend ist, wird sich das Problem nicht allein marktförmig lösen lassen. Vielmehr ist internationale politische Kooperation notwendig, die auch Instrumente wie Kapitalverkehrskontrollen nicht von vornherein ausschließt und die der besonderen Lage der Entwicklungsländer Rechnung trägt. Diese Instrumente zielen auf die Regulierung von Zu- und Abflüssen sowie die Festlegung von Zeiten und werden von einigen Emerging Markets, wie China, Malaysia oder Chile, erfolgreich genutzt. Auch etwa eine zweistufige Devisentransaktionssteuer, wie sie der ehem. IWF-Berater Spahn in Weiterentwicklung eines Vorschlags von James Tobin anregt, könnte einen Beitrag dazu leisten, die Wechselkursvolatilität zu reduzieren und spekulative Attacken zu unterbinden. 

Warum also findet eine politische Regulierung der Wechselkurse – was nicht identisch ist mit der Rückkehr zum Fixkurssystem von Bretton Woods – nicht schon längst statt? Weil die Wechselkurse sich zwar auf die Realwirtschaft als Hemmnis auswirken, anderen Aktivitäten und Akteuren dagegen neue und attraktive Renditemöglichkeiten eröffnen. Durch die Freigabe der Wechselkurse und die Deregulierung des Kapitalverkehrs ergibt sich nämlich die Möglichkeit von Arbitrage- und Spekulationsgeschäften mit Devisen, Zinsen und Wertpapieren in globalem Maßstab. Arbitrage ist die Ausnutzung von bekannten Kursdifferenzen. Wenn beispielsweise der Wechselkurs zwischen Euro und Dollar bei Börsenschluss in der europäischen Zeitzone anders notiert ist als bei Börsenbeginn in der Wallstreet, wird die Differenz durch entsprechende Transaktionen sehr schnell ausgeglichen. Arbitrage findet auch bei Zinsen und Wertpapieren statt. Wenn dies international geschieht, ist damit automatisch immer auch eine Währungstransaktion verbunden.

Spekulation ist dagegen eine unsichere Wette auf die Zukunft. Der Spekulant erwartet, dass der Kurs einer Währung, einer Aktie, von Zinsen oder anderen Werten in einer Stunde, einem Tag, einer Woche, einem Monat steigt oder fällt. Er kauft z.B. heute eine Währung zu einem günstigen Kurs. Ist eine Woche später der Kurs dieser Währung gestiegen, kann er sie mit Gewinn wieder verkaufen. Selbst geringe Schwankungen von einem Basispunkt (= ein Hundertstel Prozent) können bei Einsatz von großen Summen schon beträchtliche Profite für Arbitrage- und Spekulationsgeschäfte abwerfen. Die neue Profitquelle ist so attraktiv geworden, dass die Devisenumsätze seit den siebziger Jahren explosionsartig gewachsen sind. Bis zum Crash 2001 galt die Faustregel, dass man mit Portfolio-Investitionen doppelt so viel Rendite erzielt wie mit Realinvestitionen. Mit dem Crash 2001 und dem Ende der New Economy ist der Abstand zwar vorübergehend geschrumpft, steigt seit der jüngsten Erholung an den Börsen aber wieder. Heute werden pro Börsentag ca. 1 900 000 000 000 US-Dollar (1,9 Billionen) an den Devisenmärkten umgesetzt. Weniger als drei Prozent davon entfallen auf den internationalen Handel. Selbst wenn man dann noch einmal die o.g. Hedging-Geschäfte großzügig einrechnet – jedem Handelsgeschäft stehen im Schnitt sieben weitere Transaktionen aus Hedging gegenüber – kommt man auf weniger als 10 Prozent der Devisenumsätze, die ihre Ursache in realwirtschaftlichen Geschäften haben. Von den 90 Prozent Arbitrage- und spekulativen Geschäften sind wiederum 80 Prozent kurzfristige Kapitalflüsse. Diese Transaktionen mit einer Umlaufzeit von höchstens sieben Tagen sind die typischen Arbitrage- und Spekulationsgeschäfte.