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Achillesferse Energie

Regierung setzt auf Öl, Biomasse und größere Effizienz

Als Fidel Castro im vergangenen Januar den Beginn der revolución energética verkündete, stellte dies das Ende einer langen Reihe von Versuchen dar, die seit Beginn der 90er Jahre anhaltende Energiekrise zu bewältigen. Schon die Wortwahl verspricht eine Runderneuerung des cubanischen Energiesektors, der seit dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem damit verbundenen Wegfall der Lieferungen billigen russischen Öls kränkelte.

Dorothea Kallenberger
Silke Helfrich

Das Jahr 2004 blieb den CubanerInnen als Krisensommer in Erinnerung. Der Zusammenbruch des Elektrizitätswerkes von Matanza verursachte landesweite Stromausfälle und erzwang die Abschaltung dutzender Fabriken. Um die anderen Werke – Cuba besitzt insgesamt zehn – stand es ähnlich schlecht. 

Das Werk in Matanza war Hauptversorger des Stromnetzes Cubas, in das bislang alle Werke eingebunden waren. Dadurch kommt dem Werk eine zentrale Rolle zu, es ist im Störfall Verursacher der Destabilisierung des gesamten Systems. Der Grund für die schlechte Funktionsfähigkeit der Werke liegt zumeist darin, dass fünf der zehn Fabriken bereits vor 1959 in Betrieb genommen wurden, mit einer durchschnittlichen Laufzeit von 55 Jahren – normalerweise sind Elektrizitätswerke bei guter Instandhaltung 35 Jahre in Betrieb. Weiterer Grund ist die Verwendung von falschen Brennmaterialien: Cubanisches Öl, das besonders schwefelhaltig (zwischen neun und zwölf Prozent)1 und somit normalerweise nicht geeignet ist für Energieerzeugung. Seit 1991 greift Cuba jedoch in verstärktem Maße auf seine eigenen Ölvorkommen zurück (Produktion: 1,5 Mio Tonnen pro Jahr), um Ölkäufe aus dem Ausland weitestgehend zu vermeiden. 

Der cubanische Energiesektor steht unter der Verwaltung der Empresa Eléctrica Cubana, die wiederum direkt dem Ministerium für Basisindustrie unterstellt ist. Cubas Strombedarf sank in den letzten Jahrzehnten beträchtlich. Waren es 1989 noch 2500 Megawatt, verteilt auf Industrie (60 Prozent), Handel (8 Prozent) und 25 Prozent für private Haushalte, so wurden Mitte 2004 nur noch 950 Megawatt benötig. Vor allem die (meist krisenbedingte) Stilllegung vieler Industrien, aber auch gesunkener Konsum in den Haushalten und der Landwirtschaft waren dafür verantwortlich. 

Anfang 2005 nahm Staats- und Parteichef Fidel Castro den gesamten Sektor der Energieerzeugung, 
-übertragung und -verteilung im Land unter seine Federführung. Das Jahr 2006 soll das Jahr der „revolución energética“ werden, mit tiefgreifenden Veränderungen im gesamten Stromnetz, um eine ausreichende Energieproduktion zu garantieren und somit den früher fast täglichen Stromausfällen vorzubeugen. Erster Schritt hierfür war die Installation von Dieselgeneratoren, die von der südkoreanischen Firma Hyundai (insgesamt 244 Motoren für 330 Mio. US-Dollar)2 und dem deutschen Unternehmen MAN B&W (insgesamt 21 für 26 Mio. US-Dollar) stammen und mit mehr als 1000 MW die bestehende Energieproduktion unterstützen soll. Die Generatoren sind neben den Elektrizitätswerken an das nationale Stromnetz angeschlossen und garantieren somit fast 50 Prozent des täglichen Strombedarfes. Ihre Nähe zu den großen Konsum- und Ballungszentren erlaubt eine direktere Überführung und Verteilung des Stromes, was Verluste im Stromverteilungsprozess verringern soll. Neben den allgemeinen Stromgeneratoren wurden zusätzliche Notfallgeneratoren mit einer Leistung von mehr als 300 MW für überlebenswichtige Sektoren des Landes bereitgestellt, die Reserve für Extremsituationen, u.a. für 206 Krankenhäuser, 313 Polikliniken, 200 Feuerwachen, 592 Bäckereien, 105 Telegrafen-, Radio- und Fernsehanstalten sowie 33 pharmazeutische und biotechnologische Betriebe. Für die problemlose Zulieferung des Diesel ist das SIME (Ministerio de la Industria Sideromecánica) zuständig. Ergo wurden alle Fabriken des SIME beauftragt, Öltanks zu produzieren, welche durch Unternehmen des Transportministeriums an ihren jeweiligen Bestimmungsort gebracht wurden.

Für die Bevölkerung bringt die neue Energiepolitik einerseits positive Veränderungen, andererseits starke Belastungen mit sich. So wurden bisher mehr als zehn Millionen Elektroherde, 370 000 energiesparende Kühlschränke, Millionen von Energiesparlampen, -ventilatoren, -fernseher usw. verteilt, um den Energiebedarf der Bevölkerung zu senken. Vor allem die Anschaffung der neuen Kochmöglichkeiten geben 70 Prozent der Haushalte die Möglichkeit, mit Elektrizität zu kochen und somit ölverbrauchende und gesundheitsgefährdende Geräte zu ersetzen. Der bereits 2005 beschlossene Anstieg der Strompreise schlägt allerdings trotz Sparmaßnahmen in der Familienkasse oft sehr zu Buche. Ab einem Endverbrauch von 100 kwh wurden nämlich die Preise um bis zu 1400 Prozent erhöht, bis 100 kwh blieb alles unverändert. Die Regierung argumentierte, mit diesen Maßnahmen „die Bereitschaft der Bevölkerung für die Anschaffung der neuen Geräte fördern zu wollen sowie ein höheres Verbraucherbewusstsein zu schaffen”.

Die Bereitstellung von 262 Millionen US-Dollar soll die Modernisierung und Instandsetzung des maroden Stromnetzes gewährleisten. Tatsächlich gibt es inzwischen weniger Ausfälle und Verluste innerhalb des Stromnetzes. Die Anschaffung modernster Geräte, teilweise aus dem Ausland, teilweise aus cubanischem Bestand, steht in Zusammenhang mit der Intensivierung von Probebohrungen nach Erdöl sowie seismischen Untersuchungen für Gasvorkommen. Cuba hat seine Öl- und Gasproduktion erheblich erhöht. Erstere ist von 1990 bis 2004 um das Fünffache gestiegen, letztere im gleichen Zeitraum um das 21-fache. Auch die Tankstellen sollen im Rahmen der revolución energética von Staats wegen rationalisiert werden. Knapp zwei Drittel wurden eingespart, von 2093 auf 754. Die Regierung verspricht sich davon nicht nur eine effizientere Rationierung des knappen und für cubanische Verhältnisse sehr teuren Treibstoffs, sondern zugleich auch die Möglichkeit einer gezielteren Korruptionsbekämpfung. Eine Art Tankstellenmafia hatte mit angezapftem staatlichen Benzin systematisch in die eigene Tasche gewirtschaftet.

Zunehmend setzt die cubanische Regierung im Kampf gegen die chronische Unterversorgung auf erneuerbare Energien. Wie die Zeitung Adelante (Regionalzeitung von Camagüey – www.adelante.cu, 2. August 2006) berichtet, wurden in der Provinz Santiago de Cuba bereits 382 Photovoltaik-Systeme installiert, die hauptsächlich in den Bergen gelegene Schulen, Wohnhäuser und Arztpraxen mit Strom versorgen, aber auch in den Tourismuszentren zur Wassererwärmung dienen. Einige Hundert Windkrafträder (teilweise mit Unterstützung aus dem Ausland, z.B. Kanada) wurden im Osten des Insel aufgestellt. Biomasse stellt weiterhin eine der wichtigsten Energiequellen für Cuba dar (Zuckerrohrprodukte mit 28 Prozent Anteil an der gesamten Primärenergieproduktion sowie Holz mit 4,2 Prozent). Um eine vermehrte Anpflanzung von schnellwachsenden Energiewäldern mit ihrem extrem hohen Wasserbedarf einzuschränken, setzt die Regierung nun auf die Erforschung effizienterer Varianten. Die Weiterverbreitung des Gebrauchs von Biogas wird als besonders wichtig angesehen, besonders vor dem Hintergrund der erfolgreichen Erprobung von einer Kombination aus zwei mit Biogas angetriebenen Generatoren und einem herkömmlichen Dieselgenerator. Dies würde vor allem für die Berggemeinden eine Verbesserung der Stromversorgung bedeuten.

Nach Angaben des Centro de Estudio de Tecnologías Energéticas Renovables (CETER) wird im Bereich der erneuerbaren Energien in Zukunft vor allem auf Windkraft gesetzt. Im Rahmen der revolución energética soll deren Ausbau durch Errichtung von 100 Windkraftstationen bis Mitte 2007 (17,5 MW) erfolgen. Angesichts international steigender Ölpreise (trotz der Verträge mit Venezuela und der steigenden Eigenproduktion bezieht Cuba noch immer etwa 18 Prozent des Öls zu Weltmarktpreisen) und einem Stromnetz, das im Wesentlichen auf Öl und Gas basiert, evaluiert das CETER derzeit alle Möglichkeiten des Landes, Windkraft als Ersatzenergieressource zu nutzen.

Im Bereich der Solarenergie forscht und berät das Centro de Gestión de la Información y Desarrollo de la Energía (Cubaenergia) in der Ausweitung des Stromnetztes und installiert Solar- und Thermoanlagen. Die Nichtregierungsorganisation CUBASOLAR berät und unterstützt im Bereich der Solarenergie besonders die technische Ausführung von Projekten mit erneuerbaren Energien. Sie wurde 1994 mit dem Ziel gegründet, erneuerbare Energiequellen für eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Expertenseminare, Tutorien, Kurse und Ausbildungen von Technikern und Spezialisten sind im Angebot von CUBASOLAR, die nicht nur den Austausch zwischen Institutionen, sondern auch das Bewusstsein der Bevölkerung für erneuerbare Energien fördern will. So wird z.B. dreimal im Jahr die Zeitschrift Energía y tú herausgegeben. Vielversprechend für die Zukunft der Solarenergie hört sich an, was der Direktor des cubanischen Unternehmens ECOSOL (u.a. Vertreiber und Installateur von Produkten und Systemen zur Erschließung erneuerbarer Energien), Emir Madruga, in der Granma International verlauten ließ: „Jeden Quadratmeter des cubanischen Territoriums erreicht täglich eine Menge an Solarenergie, die 0,5 kg Öl oder 5 kwh Strom entspricht. Ein Wert, der sich über das Jahr kaum verändert und fast gleich im ganzen Land ist.“ Desweiteren berichtete er von über 400 Solaranlagen, die bereits in Betrieb genommen wurden und nun vor allem in den Bergregionen Arztpraxen, Schulen, Kulturzentren und Krankenhäuser mit alternativem Strom versorgen. Die teure Panelproduktion kann sich die wirtschaftlich noch immer kränkelnde Insel allerdings nicht leisten.