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Braune Esoteriker und bigotte Christen

Neue Krimis von alten Bekannten
Gert Eisenbürger

Um vermeintlich Übersinnliches und Religiöses geht es in den neuen Kriminalromanen des spanischen Mexikaners Paco Ignacio Taibo II und des deutschen Jamaikaners Peter-Paul Zahl. Wer die beiden Autoren kennt, weiß, dass ihr Interesse nicht wirklich überirdischen, sondern vielmehr höchst weltlichen Phänomen, bevorzugt den Ränkespiele der Mächtigen und ihren diversen „Nebengeschäften“ gilt. So auch dieses Mal.

Paco Taibos Roman „Die Rückkehr der Schatten“ spielt im Mexiko des Jahres 1941, in den Wochen vor dem Kriegseintritt des Landes auf der Seite der Alliierten. Wie gewohnt verzahnt er mehrere Erzählstränge. Da gibt es nationalsozialistische deutsche Kaffeepflanzer in Chiapas, die ihrem Herrenmenschentum durch Terror gegen die indigene Bevölkerung frönen. Doch dann werden die faschistischen Jäger zu Gejagten, weil ihnen ein chinesischer Mexikaner den Krieg erklärt. Dann gibt es einen linken Journalisten und einen einarmigen Agenten, die in Mexico-Stadt über die Aktivitäten deutscher Nazis recherchieren und dabei mit einer Gruppe exilierter Antifaschisten um den Schriftsteller Ludwig Renn kooperieren. Weiter gibt es einige Regierungsmitglieder, die über beste Beziehungen zur Nazi-Botschaft verfügen und Mexico auf keinen Fall in die alliierte Anti-Hitler-Koalition einbinden wollen. Dann sind da noch deutsche und mexikanische Nazis, die eine Versorgungsbasis für in der Karibik kreuzende deutsche U-Boote aufbauen. Schließlich operieren einige hochrangige Nazi-Agenten und SS-Offiziere mit einem höchst geheimen Auftrag in Mexico. Dabei geht es um das Aufspüren einer Maya-Pyramide, die eine zentrale Rolle in den esoterischen Visionen Hitlers spielt. Und zu allem Überfluss torkelt noch ein linker US-amerikanischer Schriftsteller namens Ernest Hemingway durch die Handlung, der auch nicht weiß, was Wahn und was Realität ist. In seinem Fall hat das allerdings weniger mit Glauben an übersinnliche Phänomene als vielmehr mit seinem exzessiven Alkoholgenuss zu tun. 

PePe Zahl hat seine Krimihandlung im Jamaika der Jetzt-Zeit angesiedelt und sie weitaus übersichtlicher angelegt. Sein schon aus früheren Romanen bekannter Detektiv Aubrey „Ruffneck“ Fraser ist zunächst wenig begeistert, als ihm ein alter Freund einen Auftrag andient. Eigentlich hat sich Ruffneck zur Ruhe gesetzt und widmet sich nur noch seinen verschiedenen Frauen, den zahlreichen Kindern und dem Ganja-(Marihuna-)Anbau. Doch als er erfährt, dass wegen Mordes und Vergewaltigung an einer jungen Frau ein Schwuler in der Todeszelle sitzt und die korrupte Regierung durch die Wiedervollstreckung der Todesstrafe ihre Popularität steigern will, willigt er schließlich ein. Die Ermordete war eine sehr religiöse Frau und die beste Sängerin im Kirchenchor einer fundamentalistisch-protestantischen Gemeinde. In diesem Milieu beginnt Ruffneck zu ermitteln und trifft – wie nicht anders zu erwarten – auf ungeheure Heuchelei und Verlogenheit. Mit einem nicht-korrupten Bullen, einem alten Freund und einer neuen Freundin baut er ein schlagkräftiges Ermittlerteam auf, das den wahren Mörder natürlich entlarvt und noch weiteren dunkle Machenschaften bei den Frömmlern auf die Schliche kommt. Zwei Momente haben mir bei PePe Zahl besonders gefallen: die Auseinandersetzung mit der in Jamaika grassierenden Homophobie, deren Absurdität er rüberbringt, ohne den überlegenen Europäer rauszukehren, und dass im etwas gelingt, was ältere Schriftsteller fast nie schaffen, nämlich über Sex zu schreiben, ohne dass es peinlich wird.

Paco Taibo wie Pepe Zahl sind politische Autoren – und auf ihre Art auch Moralisten. In ihren Kriminalromanen geht es ihnen nicht nur um das Ausleuchten bestimmter Milieus, sondern auch um die Darstellung und Kommentierung der Zeitumstände – und dies ist in beiden Fällen die Pervertierung von zunächst fortschrittlichen politischen Projekten.
Taibo beschreibt eine Schlüsselphase der mexikanischen Geschichte: die Zeit, in der die mexikanische Revolution „umkippte“. Nach der fortschrittlichen Reformregierung unter dem linksnationalistischen Präsidenten Lázaro Cárdenas übernahm der rechte Flügel der regierenden Revolutionspartei 1940 die Macht und legte die Grundlagen der repressiv-korrupten Einparteienherrschaft der Revolutionär Institutionellen Partei (PRI), unter der Mexiko bis zum Ende des 20. Jahrhunderts litt. Die Funktionäre der PRI eigneten sich den Staatsapparat an und nutzten ihn für ihre Geschäfte und Bereicherung.

Auch die heute in Jamaika regierende „People's National Party“ (PNP) stand einmal für ein fortschrittliches Modell. Unter Ministerpräsident Michael Manley proklamierte sie in den siebziger Jahren einen demokratischen Sozialismus, zu dessen Programm eine Landreform und die Nationalisierung einiger Wirtschaftssektoren gehörte. Auch wenn die Politik der PNP unter Manley keinesweges radikal und durchaus widersprüchlich war, lancierte die CIA ein Programm zur Destabilisierung der PNP-Regierung, das mit ihrer Wahlniederlage 1980 erfolgreich abgeschlossen wurde. 1989 kehrte die PNP an die Macht zurück. Von demokratischem Sozialismus war keine Rede mehr. Ihr heutiges Projekt besteht – insbesondere seit der Machtübernahme durch Premierminister Robinson im Jahr 1992 – in einer bedingungslosen Unterordnung unter die Forderungen der internationalen Finanzorganisationen bei gleichzeitiger hemmungsloser Bereicherung der Regierungsmitglieder und Staatsfunktionäre.

Paco Ignacio Taibo II: Die Rückkehr der Schatten, Übersetzung: Miriam Lang, Verlag Assoziation A, Berlin/Göttingen/Hamburg 2004, 400 Seiten (geb.), 24,- Euro

Peter-Paul Zahl: Im Todestrakt, Jamaika-Krimi, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/Main 2004, 256 Seiten, 6,90 Euro