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Ausgebremst

Mexicanische Euzkadi-Arbeiter trotzen Continental nach dreijährigem Streik Wiedereröffnung von Reifenwerk ab

Immer wieder haben wir in den vergangenen drei Jahren über den Kampf der Belegschaft der mexicanischen Continental-Tochter Euzkadi für den Erhalt des Werkes berichtet. Wir waren beeindruckt, wie die Mehrheit der mexicanischen KollegInnen über Jahre nicht aufsteckten, glaubten aber immer weniger, dass sie damit Erfolg haben würden. Doch unser Pessimismus war fehl am Platze – denn der Kampf der KollegInnen war letztlich erfolgreich!

Gerold Schmidt

Drei Jahre und dreißig Tage prozessierten, kämpften und streikten die ArbeiterInnen des zum deutschen Reifenhersteller Continental gehörenden Euzkadi-Werkes im mexicanischen El Salto gegen die Schließung ihres Werkes. Jetzt hat der Konflikt, der zeitweise auch in Deutschland für Aufsehen sorgte, ein Ende gefunden. Die Reifenfabrik wird voraussichtlich ab Mitte Februar als Unternehmenskooperative neu eröffnet. Die Hälfte des Kapitals bringen die zukünftig genossenschaftlich organisierten ArbeiterInnen ein, die andere Hälfte ein mexicanischer Unternehmer. Continental verpflichtet sich zu einer neunmonatigen fachlichen Beratung in der Anlaufphase und wird zudem das Rohmaterial für die Reifenherstellung liefern. Gewerkschaftsführer Jesús Torres Nuño bezeichnete das zu Wochenanfang in Anwesenheit des mexicanischen Präsidenten Vicente Fox und dessen Arbeits- und Wirtschaftsminister sowie des Continental-Vertreters Matthias Schonberg unterzeichnete Abkommen als „Triumph der Arbeiterbewegung von Euzkadi“.

Es ist jedoch ein Sieg, der mit vielen Opfern verbunden ist. Als Continental Ende 2001 das Werk in El Salto im Bundesstaat Jalisco ohne größere Vorwarnung offiziell wegen „Unwirtschaftlichkeit“ schließen wollte, arbeiteten dort über tausend Menschen. So gut wie alle von ihnen trugen damals den Streik und die Prozesse vor den Arbeitsgerichten mit. Das Vorgehen der Konzernführung sahen sie nicht nur als gegen mexicanische Gesetze verstoßend und damit illegal an. Statt „Unwirtschaftlichkeit“ vermuteten sie wohl nicht zu Unrecht einen Knockout-Versuch gegen die kämpferische Betriebsgewerkschaft als wahren Grund für die beabsichtigte Schließung. Doch je länger der Konflikt dauerte, desto mehr KollegInnen hielten angesichts ausbleibender Lohnzahlungen nicht durch. Unter dem Druck, ihre Familien ernähren zu müssen , akzeptierten etwa vierhundert Euzkadi-ArbeiterInnen Abfindungszahlungen. Die übrigen standen den Kampf bis zuletzt durch. Als Gegenleistung für die Übertragung von 50 Prozent des Unternehmenskapitals in El Salto verzichteten sie jedoch auf die Lohnzahlungen der vergangenen drei Jahre und die zuvor von Continental angebotenen Abfindungen.

Ohne die nationale und internationale Solidarität hätte die Streikbewegung im Euzkadi-Werk kaum durchhalten können. In Deutschland waren es unter anderem die Organisationen Germanwatch und FIAN International, die im Mai vergangenen Jahres eine Delegation der Euzkadi-Gewerkschaft einluden und sie bei der Öffentlichkeitsarbeit unterstützten. Der Auftritt der ArbeiterInnen bei der Continentalführung und der Aktionärsversammlung fand eingehendes Echo in der deutschen und mexicanischen Medienwelt (vgl. ila 276). Von Anfang an machten die Gewerkschafter klar, dass sie mit ihrem Streik nicht potentielle Abfindungszahlungen in die Höhe treiben wollten, sondern es um den Erhalt „ihres“ Werkes ging. Von Anfang an war auch eine Produktion in Eigenregie im Gespräch, wie sie jetzt partiell verwirklicht wird. Dagegen stand die Position des Konzerns: „Eine Wiedereröffnung des Euzkadi-Werkes schließen wir definitiv aus“, hieß es dort kategorisch.

Die konservative mexicanische Regierung, die den ArbeiterInnen von Euzkadi lange Zeit die kalte Schulter zeigte, möchte sich nun gerne mit fremden Federn schmücken. Präsident Fox und Arbeitsminister Abascal nennen das Kooperativenmodell eine „exzellente Alternative“, Beschäftigung zu schaffen. Für Abascal ist mit der Lösung des Konfliktes ein weiterer Beleg für die Überwindung des „angeblichen Widerspruchs zwischen Kapital und Arbeit“ erbracht und Fox sieht darin die „Ergebnisse der Demokratie, die wir heute erleben“. Gewerkschaftsführer Torres Nuño vermied es allerdings, in dieselbe Kerbe zu schlagen. Er erinnerte daran, dass die Mehrheit der Gewerkschaften immer noch dem Korporativismus verhaftet sei und die so genannten Schutzverträge zwischen gefügigen Arbeitervertretungen und Unternehmensführungen in vielen Produktionszweigen weiterhin vorherrschend sind.

Die Chancen, dass die Unternehmenskooperative wirtschaftlich überlebt, sind derzeit angesichts einer sich langsam erholenden Autoindustrie in Mexico und Nordamerika nicht schlecht. Optimistische Prognosen gehen davon aus, in einem Jahr könne das Werk von einer 600-köpfigen Anfangsbelegschaft auf tausend Beschäftigte wachsen.