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Wer ihre Rechte aufgibt, gibt die eigenen auf

Petitionsinitiative zur Unterstützung der UN-Wanderarbeiterkonvention

Da sich die Bundesregierung bislang weigert, die „Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen” (im Folgenden: UN-Konvention) zu unterzeichnen, startete das Komitee für Grundrechte und Demokratie im April dieses Jahres eine Initiative für eine Massenpetition an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages (vgl. ila 274). Ein erstes Kontingent von Unterschriften zur Unterstützung der Petition wird im Dezember übergeben. Damit soll die Kampagne aber nicht enden. Thomas Hohlfeld und Dirk Vogelskamp fassen den Stand der Petitionsinitiative zusammen.

Thomas Hohlfeld
Dirk Vogelskamp

Auf der Suche nach Schutz, existenzsichernder Arbeit und menschengerechten Lebensperspektiven gelingt es nur einem Teil der unerwünschten MigrantInnen, in die europäischen Wohlstandszonen vorzudringen. Dort werden sie von den informellen Arbeitsmärkten aufgesogen. Diese ArbeitsmigrantInnen bilden das profitabel ausbeutbare Unterfutter einer globalisierten Ökonomie, die den Preis für die Weltmarktware Arbeitskraft drückt. Sie sind Teil einer globalen Niedriglohnökonomie. Die UN-Konvention sichert ArbeitsmigrantInnen grundlegende politische, persönliche und soziale Rechte zu und will Möglichkeiten ihrer tatsächlichen Durchsetzbarkeit schaffen. Da sich die Bundesregierung weigert, sie zu unterzeichnen, versucht das Komitee für Grundrechte und Demokratie eine öffentliche und parlamentarische Debatte über die Einschränkung fundamentaler Menschenrechte von arbeitenden und vielfach illegalisierten ImmigrantInnen in Deutschland in Gang zu setzen.

Viele linke und migrationspolitisch engagierte Gruppen haben die Petitionsinitiative unterstützt. Über tausend Bürgerinnen und Bürger haben sich ihr inzwischen angeschlossen. Das ist für eine politisch an den Rand gedrängte und mit dem Stigma des Kriminellen und Illegalen versehene Problematik nicht unbedeutend. Das Bürgerrechtskomitee verfügt zugleich nicht über entsprechende materielle Ressourcen, um etwa in ganzseitigen Anzeigen in der bürgerlich-liberalen Presse für seine Initiative zu werben. Die Situation insbesondere der illegalisierten ArbeitsmigrantInnen scheint kein Gewerkschaftsthema zu sein. Von ver.di abgesehen, die die Petitionsinitiative zumindest zur Kenntnis genommen und darauf aufmerksam gemacht hat, gab es keinerlei nennenswerte gewerkschaftliche Unterstützung. Die IG BAU, die erst kürzlich einen „Europäischen Verband der Wanderarbeiter“ gründete, hat sich – vom Komitee dazu befragt – bislang nicht zu der Petition geäußert. Das mag auch daran liegen, dass die ILO (International Labour Organization) mit ihren Forderungen hinter denen der UN-Konvention weit zurückbleibt und dass die deutschen Gewerkschaften derzeit in erster Linie damit beschäftigt sind, die Rechte regulär inländisch Beschäftigter zu sichern. 

In einer Zeit jedoch, in der Arbeitsbedingungen und Lebensverhältnisse der arbeitenden Bevölkerung durch Regierung und Unternehmerverbände massiv unter Druck gesetzt und neue Zwangsarbeits- verhältnisse geschaffen werden, in der die Klasse der arbeitenden Armen sich ausbreitet und in der ein breites Spektrum von prekären Niedriglohnarbeiten mit „reformerischer“ Gewalt etabliert wird, ist es geradezu töricht, die besonders gewaltförmige Ausbeutung und Entrechtung der WanderarbeiterInnen verschweigen und sich damit abzufinden zu wollen. Denn die Entrechtung eines globalisierten Subproletariats wird auch die Entrechtung der besitz- und einflusslosen Klassen in den kapitalistischen Metropolen vorantreiben, die bislang aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft zumindest vor Verelendung sicher zu sein schienen. Auf diese Weise werden die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft insgesamt langfristig zersetzt. 

Die illegalisierten und irregulären WanderarbeiterInnen sind nicht Konkurrenten auf einem globalisierten deregulierten Arbeitsmarkt, sondern Arbeiterinnen und Arbeiter, die heute schon unter Bedingungen arbeiten und leben müssen, wie sie jetzt auch in Europa in Aussicht gestellt werden (ein Blick auf die USA kann uns dies lehren). Die Rechte der ArbeitsmigrantInnen können nur um den Preis der eigenen aufgegeben werden. Das Kapital bezieht sich seit jeher nicht nur auf eine nationale Arbeiterklasse, wie die koloniale und imperialistische Vergangenheit sowie die neoliberale Gegenwart zeigten. Auch irreguläre Arbeitskräfte und ImmigrantInnen wurden und werden in den Kernländern der Industrialisierung stets gewinnbringend in den Prozess der Profitmaximierung mit einbezogen. Im Kampf gegen neue Ausbeutungsverhältnisse, gegen die Prekarität z. B. der Zwangs-Ein-Euro-Jobs kann es deshalb nur eine internationalistische Perspektive geben – und dies heißt konkret: Für die fundamentalen Rechte (auch) der WanderarbeiterInnen einzutreten. Die Petitionsinitiative des Komitees für Grundrechte und Demokratie kann hierzu einen Beitrag leisten.

Faltblätter beim Komitee für Grundrechte und Demokratie, Aquinostr. 7-11, 50670 Köln, info@grundrechtekomitee.de http://www.grundrechtekomitee.de/files/articles/asyl_petition.pdf

Thomas Hohlfeld und Dirk Vogelskamp arbeiten beim Komitee für Grundrechte und Demokratie.