Wenn nun auch die ila sich dem Internet widmet – und das gleich mit einem Schwerpunktheft –, dann liegt ihr primäres Interesse natürlich darin, die Bedeutung der neuen Informationsnetze für die Nord-Süd-Beziehungen unter die Lupe zu nehmen.

In Lateinamerika gibt es sehr unterschiedliche Einschätzungen über die Möglichkeiten und Gefahren des Internet – auch bei den Gruppen und Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten und zu denen wir Kontakte haben. Die einen nutzen es begeistert, um eine organisatorische Struktur neben und unabhängig von offiziellen Kanälen aufzubauen und um ihre Positionen via Internet zu verbreiten. Für sie bietet das Internet im wahrsten Sinne des Wortes die
Möglichkeit, Grenzen zu überschreiten und die Blockade, die die Medienmonopole des Nordens aufbauen, zu überwinden. Die Nutzung des Internet durch die ZapatistInnen ist in diesem Sinne beispielhaft.

Gut und schön, erwidern darauf die anderen, aber das Schicksal der ZapatistInnen hinge ja wohl vor allem davon ab, daß die deklassierten ChiapanekInnen und MexicanerInnen in der EZLN ihr Instrument im Kampf für eine gerechtere Gesellschaft sähen. Aber die Leute, um die es doch ginge, gehörten sicher nicht zur Kundschaft des Internet. Das Internet schaffe in Lateinamerika nur eine Informationselite, da die meisten LateinamerikanerInnen nicht von den neuen Datennetzen profitieren könnten. Nur 20 Prozent der Haushalte besäßen überhaupt ein Telefon und sogar nur fünf Prozent einen Computer. Dem Heiligen Geist sei Dank, finden die BrieftaubenfreundInnen. Andere weisen darauf hin, daß mit diesem Argument den Kolonisierten die Möglichkeit genommen werde, Zustände zu überwinden, für die der Kolonialismus verantwortlich sei.

Dieses Spektrum von Meinungen über Sinn und Unsinn, über Möglichkeiten und Grenzen der neuen Technologie findet sich auch in der ila-Redaktion. Alles, von fundamentalistischen KritikerInnen über differenzierte BetrachterInnen bis hin zu Computerfreaks, tummelt sich in der Redaktion. Und über alle wundern sich die PragmatikerInnen, die die ganze Aufgeregtheit in der Debatte schlichtweg nicht verstehen. Für sie sind Internet und Computernetze gleichwohl wie Fernsehen, Eisenbahn, Druckpresse oder Telefon nur Instrumente, die man gelegentlich in Anspruch nimmt, die aber die politische Arbeit nicht besser oder schlechter, sondern einfach nur anders machen. Wie anders, ließe sich wiederum fragen. Wird die Allround-Digitalisierung von der Wiege bis ins Grabe nicht aus den Hirnen das machen, was das Auto
aus den Bewegungsapparaten gemacht hat? „Veremos“ ist beim Internet allemal angebrachter als „Venceremos“.

Bei der redaktionsinternen Debattenstruktur war klar, daß wir erst gar nicht den Versuch unternehmen werden, so etwas wie ein endgültiges Heft über das Internet zu machen. Vielmehr wollten wir Material und Informationen zusammenstellen, um unseren LeserInnen Argumente zu liefern und sie zu ermuntern, sich mit dem Internet auseinanderzusetzen. Das Heft liefert in diesem Sinne eine Einführung in den Umgang mit Internet, diskutiert dessen Machtstrukturen und ökonomische Kontrolle und beschreibt am Beispiel der EZLN und der von der Bundesanwaltschaft illegalisierten Zeitschrift „radikal“ die Möglichkeiten einer „subversiven“ Nutzung des Netzes.
Die humoristische Beichte eines Internetsüchtigen eröffnet dann den Laien unter uns ganz nebenbei noch einige grundlegende Erkenntisse zum Thema. Viel.Sp@ß.beim.Lesen.der.ila