Krieg in Südosteuropa, Krieg gegen die KurdInnen auf deren von Irak und Türkei kontrollierten Gebieten, Krieg gegen die PalästinenserInnen, Krieg gegen OsttimoresInnen, Krieg gegen El Salvadors Landbevölkerung, Krieg gegen guatemaltekische Indiobauern/bäuerinnen, versteckter Krieg gegen die Bauern/Bäuerinnen und IndianerInnen in Brasilien... Tausende von Toten, Hunderttausende von Flüchtlingen. Was geht da ab? In Jugoslawien schlagen zwei Ethnien aufeinander los, weil nach dem Zerfall des alten „Reichs des Bösen“ die jeweiligen Führungseliten ihr Einfluß- und Machtgebiet auf Kosten der jeweils anderen Elite vergrößern wollen, während „ihre“ Völker glauben, es gehe ums eigene Überleben. Im Irak oder in der Türkei werden die KurdInnen niedergemacht und niedergehalten, um zu verhindern, daß sich neue kurdische Führungseliten als Konkurrenz zu den etablierten Machthabern festsetzen (einen Staat errichten, was durchaus verständlich wäre und wahrscheinlich auch sinnvoll ist).
Weil eine industriell begründete Kapitalakkumulation aus verschiedenen Gründen nicht mehr funktioniert, orientieren sich die Kämpfe zwangsläufig auf das, was „naturwüchsige“ Basis für Mehrwert ist: Land, Rohstoffe und auch ein paar Fabrikanlagen – Produktionsmittel eben.
Deutlich wird das für uns Europäer dort, wo die Kämpfe um den Zugriff zu diesen Produktionsmitteln nicht durch den ideologischen Schleier von „nationalen Konflikten“ betrachtet wird. In El Salvador etwa: dort geht es knallhart und ziemlich offen um Grund und Boden, auf dem die Oligarchie Kaffee für den Export, die lokale Bauernschaft Bodenfrüchte vornehmlich für den örtlichen Markt anbauen will. Analoges gilt für Guatemala, obwohl dort auch ethnisch-kulturelle Fragen eine Rolle spielen.
Vertreiben und Verdrängen heißt die Devise, mal zur Rettung des Vaterlands (Kroatien, Serbien), mal zur Bewahrung der „Freiheit“ des Großgrundbesitzes (Lateinamerika). Die überflüssigen Menschen werden in die nahegelegenen Städte abgedrängt, wo sie darauf hoffen, vier Monate im Jahr als Landarbeiter bei der Ernte helfen zu dürfen, auf demselben Land, das ihre Väter und Mütter jahrhundertelang ganzjährig bebaut haben und das sie ebenso lange ernährt hat. Wenn es dann auch in den Landstädten zu eng wird, wandern die „Überzähligen“ ab in die Großstädte, um dort die „Wirtschaft der Armen“ mit neuen Arbeitskräften zu „verstärken“.
Weder die vielgerühmte große Industrie noch die neu ins ideologische Verwirrspiel gebrachte „Dienstleistungsgesellschaft“ kann die vielen verdrängten Menschen als LohnarbeiterInnen aufnehmen. Das technologisch-kapitalistische Zentralisierungsmodell der Moderne (Postmoderne) fährt mit voller Fahrt und – so sieht es aus – ohne Bremsen auf einen Sackbahnhof zu. Eine scheußliche Situation, selbst wenn man, wie wir von der Solibewegung etwa, noch einigermaßen kommod einen Stehplatz in der zweiten Klasse hat.
Gibt es überhaupt noch eine Hoffnung, daß sich in absehbarer Zeit konstruktive Kräfte zum Aufbau einer Gesellschaft mit menschlichen Zügen durchsetzen könnte? Vielleicht, oder sogar wahrscheinlich, fragt sich nur wann und wo?
In den lateinamerikanischen Armenvierteln tauchen immer wieder auch Gemeinschaftsprojekte auf (deutlich mehr als etwa in Europa), stärker noch findet man/frau Gemeinschaftlichkeit auf dem Land, etwa in der brasilianischen Bauernbewegung mit Unterstützung der fortschrittlichen Teile der katholischen Kirche oder in El Salvador unter Führung der FMLN. Wenig genug und doch etwas.
Der brasilianische Bischof Dom José Rodrigues äußerte in dem Film „Chico Velho, der Große Fluß der kleinen Leute“, bei dem es um Bauernvertreibung durch ein großes Bewässerungsprojekt geht, in einer politischen Forderung ein Stück Hoffnung: „Wir brauchen Sozialismus in der Wirtschaft, Demokratie in der Politik und Pluralismus im Ideologischen.“ Und genau darum geht es heute. Ohne demokratische Kontrolle der Wirtschaft, ohne Rückgabe von Produktions- und Reproduktionsmitteln aller Art an die enteigneten und arbeitslosen Individuen geht es wohl noch eine Zeitlang so weiter – bis die Armen und Entrechteten endgültig merken, daß ihnen die realen Besitzverhältnisse tatsächlich keine Hoffnung lassen...