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Quito
Gesichter einer Metropole

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Editorial

Ecuadors Hauptstadt Quito gilt als eine der schönsten Städte Lateinamerikas. Mit ihrer großen kolonialen Altstadt, ihren barocken Plätzen und Kirchen und einem beeindruckenden Bergpanorama zieht die 2500 Meter über dem Meeresspiegel gelegene Metropole Jahr für Jahr Zehntausende von TouristInnen aus aller Welt an. Gleichzeitig hat die Zwei-Millionen-Stadt (im Großraum Quito leben sogar drei Millionen Menschen) mit großen sozialen und infrastrukturellen Problemen zu kämpfen. Obwohl die Stadt im Herzen des indigen geprägten Andenhochlands Ecuadors liegt, wird sie von Mestizen und Weißen dominiert. Indígenas sind zwar präsent, aber in ihrer großen Mehrheit weiterhin marginalisiert. Sie leben überwiegend in den armen Vorstädten und rangieren am unteren Ende der sozialen Hierarchie. Armut ist in Quito allgegenwärtig, auch wenn die Überweisungen der im Ausland lebenden EcuadorianerInnen und die Sozialprogramme der Regierung Correa die Situation in den letzten Jahren etwas verbessert haben

Wie viele der rasant gewachsenen lateinamerikanischen Großstädte hat Quito mit erheblichen Verkehrs- und Umweltproblemen zu kämpfen: Seien es der viel zu kleine und ungünstig gelegene Flughafen oder die heillos verstopften Straßen oder auch die schwerwiegenden Unzulänglichkeiten im öffentlichen Personenverkehr. Auch wenn die endlosen Staus viele Quiteños/as alltäglich auf die Palme bringen, wird wie überall das Auto als Statussymbol Nummer eins nicht in Frage gestellt. Dabei raubt der auf Individualverkehr basierende Transport vielen Quiteños/as schon heute rund zehn Prozent ihrer Lebenszeit; somit ist er also das Gegenteil des von der Regierung und sozialen Organisationen propagierten buen vivir, des „guten Lebens“.

Auch wenn Quito jenseits der Verkehrsstraßen durchaus beschaulich wirkt und seine EinwohnerInnen friedliche Menschen sind, war Quito politisch in den vergangenen Jahrzehnten ein unruhiges Pflaster. Es gibt durchaus eine Kultur des Protests, meint eine Interviewpartnerin in dieser ila, gegen unliebsame Präsidenten sei man in der Stadt immer auf die Straße gegangen. Diese Erfahrungen mussten die Präsidenten Abdalá Bucaram (1996-1997), Jamil Mahuad (1998-2000) oder Lucio Gutiérrez (2003-2005) machen, die jeweils von einer breiten Protestbewegung zum Rücktritt gezwungen wurden.

Jenseits aller sozialen und ökologischen Probleme ist Quito die Kulturmetropole Ecuadors. Mit der vom großen ecuadorianischen Maler Osvaldo Guayasamín (1919-1999) konzipierten Capilla del Hombre hat Quito eines der faszinierendsten Kunstmuseen Lateinamerikas, unterhält ein Symphonieorchester, das nicht nur europäische, sondern auch indigene Instrumente einsetzt, fördert eine lebendige Straßentheaterkultur und hat eine spannende Popularmusikszene, die von andiner Folklore über afroamerikanische Rhythmen bis zum Rock Quiteño reicht.

Quito ist zwar seit der Unabhängigkeit die Hauptstadt Ecuadors, ist jedoch beileibe nicht die einzige Metropole des Landes. Das im tropischen Tiefland gelegene Guayaquil ist mit fast vier Millionen EinwohnerInnen nicht nur deutlich größer als Quito, es ist auch wirtschaftlich stärker. Die beiden Städte sind nicht nur geographisch und klimatisch extrem unterschiedlich, sondern stehen auch für gegensätzliche politische Traditionen. Während in Quito fast immer linke oder linkszentristische Politiker an der Spitze der Stadt standen, ist Guayaquil die Hochburg der sehr rechten Sozialchristlichen Partei. Die beiden Städte repräsentieren jeweils ein völlig anderes Ecuador, so dass in einem Schwerpunktheft zu Quito auch ein Artikel zu der anderen Metropole nicht fehlen darf.

Wie immer wäre auch diese Ausgabe nicht ohne die Unterstützung vieler Menschen außerhalb der ila-Redaktion zustandegekommen, die uns nicht nur Texte und Fotos zur Verfügung gestellt, sondern auch wichtige Hinweise gegeben und Kontakte hergestellt haben. Dafür möchten wir uns besonders bei Frank Braßel, Rubén Jurado, Irene und Verónica Léon, Barbara Scholz und Ylonka Tillería bedanken.

Inhaltsübersicht

Schwerpunkt

4  Hat sich im Quito der Bürgerrevolution etwas geändert? [1]
Die Kommunalpolitik unter Bürgermeister Augusto Barrera  / von Mario Unda

7  Der Correa von Quito?
Ein Portrait des Bürgermeisters Augusto Barrera  / von Frank Braßel

8  Randerscheinungen in Quito
Flächenfraß, soziale Segregation und der ökologische Fußabdruck der Stadt
/ von Barbara Scholz  
(Durch ein Versehen sind im Inhaltsverzeichnis der Printausgabe fälschlicherweise
 Andrea Carrión und Lucia Garrado als AutorInnen angegeben)

10  Von Plan zu Plan
Das historische Zentrum Quitos und die Versuche, es zu bewahren
/ von Yadhira Alvarez

12  Auf dem Weg zu mehr Solidarität
Die Probleme des Straßenverkehrs in Quito  / von Ylonka Tillería

14  Beton statt Kolonialstil
Guayaquil ist in vielem der Gegenpart zu Quito  / von Günter Pohl

15  Krawatte mit Flecken
Die Umweltsituation in Quito  / von Edgar Isch López

18  Es gibt durchaus eine Kultur des Protests
Interview mit Verónica und Irene León über Frauenbewegungen in Quito
/ von Gaby Küppers

22  Lernprozesse [2]
Ehemalige soziale AktivistInnen aus Quito sind mittlerweile politische FunktionsträgerInnen
/ von Barbara Scholz

24  Papiere für alle
Kolumbianische Flüchtlinge in Quito  / von Karina Villacis

26  Die Stadt, die mehr als die Hölle war
Quito in der Literatur  / von David Guzmán J.

28  Raum der Erinnerung
Die Capilla del Hombre von Osvaldo Guayasamín  / von Gert Eisenbürger

30  Rock im Park
Die Rock- und Heavy-Metal-Szene aus Quito kämpft um Anerkennung
/ von Ela Zambrano

32  Die Witwen des alten Jahres
Das Travestieritual in Quito bricht die sexuelle Ordnung und erhält sie dennoch aufrecht
/ von Loria Minango Narváez

34  Zuflucht in Quito [3]
Lilo Linke und Paul Engel (Diego Viga) integrierten sich schreibend in Ecuador
/ von Gert Eisenbürger

Berichte & Hintergründe

38  Verbales Geplänkel
Chinas Ölinvestitionen in Venezuela werden an dessen Abhängigkeit von den USA wenig ändern
/ von Oliver Matz

40  Immer noch 11,5 Morde pro Tag
El Salvador: Präsident Funes beharrt auf Militarisierung  / von Magdalena Flores

42  Mitte oder Mitte? [4] 
Bei den mexikanischen Gouverneurswahlen koalieren links und rechts
/ von Frederik Caselitz

44  Fortuna teilt und herrscht
Konflikt um Goldmine in Oaxaca eskaliert  / von Alexander Debusman

46  Peruanisch-brasilianische Stromrechnungen
Konflikte um das geplante Wasserkraftwerk Inambari  / von Hildegard Willer

48  „Verschwindenlassen“ hat Konsequenzen 
Kolumbien: Ex-Oberst im Justizpalast-Prozess verurteilt  / von Bettina Reis

49  Ein supermächtiger Präsident [5]
Kolumbien: Von 2010 bis 2014 will Juan Manuel Santos als 
„Präsident der nationalen Einheit“ regieren  / von Bettina Reis

Kulturszene

51  El eterno Ernst [6]
Vivir en otra lengua – lateinamerikanische Literatur aus Europa  / von Britt Weyde

52  Die Flucht nach Argentinien gelang nicht immer [7]
Beeindruckendes Buch über eine jüdische Familie aus Baden  / von Gert Eisenbürger

53  Seine spitze Feder wird fehlen [8]
Abschied von Carlos Monsiváis (1938-2010)  / von Ulrich Mercker

Ländernachrichten / Poonal

54  Argentinien, Belize, Brasilien, Guatemala, Kolumbien, Mexiko, Nicaragua, Panama, Paraguay

58  Notizen aus der Bewegung, Impressum

Titelfoto: Gaby Küppers


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Links:
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[2] https://www.ila-web.de/ausgaben/337/lernprozesse
[3] https://www.ila-web.de/ausgaben/337/zuflucht-in-quito
[4] https://www.ila-web.de/ausgaben/337/mitte-oder-mitte
[5] https://www.ila-web.de/ausgaben/337/ein-superm%C3%A4chtiger-pr%C3%A4sident
[6] https://www.ila-web.de/ausgaben/337/el-eterno-ernst
[7] https://www.ila-web.de/ausgaben/337/die-flucht-nach-argentinien-gelang-nicht-immer
[8] https://www.ila-web.de/ausgaben/337/seine-spitze-feder-wird-fehlen