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Alles andere als nachhaltig

Neue Studie zu Gensoja in Südamerika
Werner Rätz

Der Boom beim Anbau und Export von Soja in Südamerika ist ungebrochen. Der überwiegende Teil ist gentechnisch verändert. Damit einher geht unter anderem der intensive Einsatz des Herbizids Glyphosat. Testbiotech hat untersucht, wie sich der aktuelle Sojahandel zwischen der EU und dem Mercosur auf die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) auswirkt.

Die EU und der Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) verhandeln derzeit über ein Freihandelsabkommen, das offiziell nicht nur den Handel erleichtern, sondern auch die nachhaltige Entwicklung fördern soll. Im Blick auf eine solche hat die UNO 17 „nachhaltige Entwicklungsziele“ verabschiedet, von denen drei in Bezug auf das Exportprodukt Soja von besonderer Relevanz sind (siehe Kasten).

Die Einführung der Gentechnik beim Anbau von Sojabohnen in Argentinien, Brasilien und Paraguay hat anfangs durch den einfacheren Einsatz von Herbiziden zu beträchtlichen Rationalisierungseffekten geführt, die sich besonders auf großen Flächen bezahlt machten. Entsprechend fielen die größten Gewinne bei Agrarunternehmen, Investoren und großen Konzernen an, die Saatgut und Pestizide verkaufen oder die Ernte exportieren.

Die Möglichkeit, auch frisch in Ackerland umgebrochene Flächen durch den Einsatz von Glyphosat von Unkräutern zu befreien und wenn nötig auch nachzubehandeln, erleichterte die Expansion des Sojaanbaus. Wichtigster Treiber war die rasant wachsende Nachfrage nach Soja als Viehfutter zunächst in der EU und später in Asien. In vielen Regionen wuchsen Sojaflächen auf Kosten ländlicher, oft kleinbäuerlich wirtschaftender Bevölkerungsgruppen, der Umwelt und der biologischen Vielfalt.

Diese ursprünglichen Vorteile des Anbaus von gentechnisch veränderter Soja nivellieren sich im Laufe der Zeit. Ursache sind steigende Kosten für die Bekämpfung von Beikräutern, die sich an Glyphosat angepasst haben. Um diese zu bekämpfen, findet in den Anbauländern der Gensoja derzeit ein regelrechtes Wettrüsten auf dem Acker statt. Die Aufwandsmengen an Glyphosat haben sich pro Hektar mehr als verdoppelt. Additive wie POE-Tallowamine, die die Wirkung von Glyphosat verstärken, sind für Mensch und Umwelt giftiger als der eigentliche Wirkstoff. Einige Beikräuter sind so resistent gegenüber Glyphosat, dass sie nur mit giftigeren Herbiziden wie Paraquat bekämpft werden können. Der Stoff wird in der EU wegen gesundheitlicher Risiken für Anwender*innen nicht mehr eingesetzt.

Der Sojaanbau in Südamerika geht mit massiven Verlusten und Schäden an den Ökosystemen (Urwäldern, Grasland und Feuchtgebieten) einher, schädigt die Bodenfruchtbarkeit und fördert Überschwemmungen und mittelfristig die Versalzung der Böden. Der zunehmende Einsatz von Pestiziden verursacht zudem steigende Risiken für die Gesundheit der Menschen in den Anbauregionen. Durch die Entwaldung und die Umwandlung des Cerrado beziehungsweise der Pampa in Flächen für den Ackerbau kommt es nicht nur zu regionalen Veränderungen des Klimas, sondern auch zu Auswirkungen auf den globalen Klimawandel. Diese Auswirkungen haben auch erhebliche Folgen für die in der Studie betrachteten UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (3) Gesundheit, (6) Wasser und (15) Landökosysteme, Wälder, Böden, biologische Vielfalt. Die Analyse zeigt, dass die derzeitige Praxis in ihrer Gesamtheit der Verwirklichung wichtiger Ziele der 2030-Agenda der UN (Sustainable Development Goals – SDGs) entgegensteht:

• Mit der Einführung der Gentechnik-Soja ist mittelfristig keine wesentliche Reduzierung von Pestiziden verbunden. Im Gegenteil steigt der Pestizideinsatz durch das Aufkommen herbizidresistenter Unkräuter, mit negativen Auswirkungen auf SDG 6 zum Schutz des Wassers vor Verschmutzung und SDG 3 zum Schutz der Gesundheit vor gefährlichen Chemikalien.

• Rationalisierungseffekte wie Einsparung von Arbeitszeit und weniger Treibstoffverbrauch waren vor allem gegeben, solange Glyphosat gegen alle relevanten Unkräuter wirksam war. Auch diese anfänglichen Vorteile werden durch die Zunahme glyphosatresistenter Unkräuter infrage gestellt.

• Die pfluglose Bodenbearbeitung ist nicht per se besonders klimafreundlich. Die Aussage, dass diese generell zu einer verbesserten Speicherung klimarelevanter Gase führt, ist nicht richtig. Somit leistet der Anbau von gentechnisch veränderter Soja keinen nennenswerten Beitrag zu SDG 15, während die massiven Emissionen aus der Flächenausweitung klar negative Effekte haben.

• Richtig ist, dass die pfluglose Bodenbearbeitung dem Problem der Bodenerosion entgegenwirken kann (Unterziel zu SDG 15). Dem stehen allerdings die Konsequenzen des massiven Einsatzes von Herbiziden wie Glyphosat gegenüber. Andere Methoden, die der Bodenerosion mit ökologisch verträglichen Mitteln vorbeugen, werden aus Kostengründen vernachlässigt.

• Der Anbau herbizidresistenter Pflanzen begünstigt die großflächige, wiederholte und intensive Ausbringung von Pestiziden und geht unweigerlich mit einer ganzen Palette weiterer Pestizide einher. Diese Belastung der Umwelt ist in dieser Größenordnung ohne Beispiel.

Es gab bisher keine eingehenden Versuche, das Sojaanbausystem in Richtung der Nachhaltigkeitsziele zu gestalten. Umfassende Erhebungen der tatsächlichen Schäden an Mensch und Umwelt fehlen ebenfalls, und zwar sowohl in den Produktions- wie in den Verfütterungsländern. Die EU und Deutschland tragen angesichts ihres signifikanten Anteils an den südamerikanischen Sojaexporten einen erheblichen Teil der Verantwortung für diese Entwicklung.

http://www.testbiotech.org/sites/default/files/Sojaanbau_Suedamerika.pdf