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Bananenrepublik Honduras

Oder: Wie sich eine demokratische Diktatur in einem Land absichert, das von organisiertem Verbrechen, Korruption und Straflosigkeit geprägt ist

Die Wahlen in Honduras endeten wie international erwartet. Der berüchtigte rechtskonservative Präsident Juan Orlando Hernández soll gewonnen haben. Seine De-facto-Diktatur kontrolliert das Land, die Medien und die Wahlbehörden, sodass sein Wahlsieg eigentlich schon vorher feststand. Doch am Wahlabend deuteten die ersten Ergebnisse und Hochrechnungen auf einen klaren Sieg des Oppositionskandidaten Salvador Nasralla hin. Doch dann brach rein zufällig der Rechner der Obersten Wahlbehörde zusammen und als der „Defekt“ behoben war, lag Juan Orlando vorn. Zwar gab es Massenproteste der Bevölkerung, aber die US-Regierung und die EU stärkten dem „Wahlsieger“ den Rücken. Im folgenden Beitrag beschreibt der Journalist und Menschenrechtsaktivist die Geschehnisse um die Wahlen in Honduras.

Dennis Javier Muñoz Bonilla

Am 26. November 2017 fanden in Honduras zum zweiten Mal seit dem Putsch vom Juni 2009 Wahlen statt. Diese Wahl hat demokratische Prozesse in Honduras weiter delegitimiert. Die Berichte von Wahlbeobachtungskommissionen der EU und der OAS zu den Wahlen von 2013 hatten Empfehlungen bezüglich der Ausgestaltung von Wahlen in Honduras und der Erhöhung der Transparenz ausgesprochen. Die Empfehlungen bezogen sich auf die administrative Gestaltung des Wahlprozesses, die Zurückhaltung der Regierung im Wahlprozess und die Beeinflussung der Wahlen. In der Kritik waren außerdem die Parteien- und Kampagnenfinanzierung.

Im Mai wurde der Wahlaufruf veröffentlicht, der für den 26. November an die Urnen rief. Zu wählen waren der Präsident/die Präsidentin; 20 Abgeordnete und ihre Stellvertreter*innen für das Zentralamerikanische Parlament, 128 Abgeordnete und ihre Stellvertreter*innen für das nationale Parlament sowie 298 Bürgermeister*innen.

Die wichtigsten Kandidaten für das Präsidentschaftsamt waren: Salvador Nasralla, der als TV-Sportreporter in Honduras sehr bekannt ist. Er ist Ingenieur und hat in der Privatwirtschaft Karriere gemacht. Zum ersten Mal in der Geschichte von Honduras wurde ein Präsidentschaftskandidat von einem Bündnis aus zwei Parteien vorgeschlagen: der „Allianz der Opposition gegen die Diktatur“, bestehend aus Libre (Libertad y Refundación) und PINU (Partido Inovación y Unidad Social Demócrata). Libre entstand nach dem Putsch 2009 aus Anhänger*innen des ehemaligen Präsidenten Manuel Zelaya und der Widerstandsbewegung gegen den Putsch; PINU existiert bereits seit den 80er-Jahren und hatte die Rolle, progressive Initiativen zu formulieren, ohne bei Wahlen allzu große Ergebnisse zu erzielen.

Juan Orlando Hernández von der Nationalen Partei (PN) war in den letzten vier Jahren Präsident von Honduras. Er war seit den 90er-Jahren Abgeordneter und ist von Beruf Rechtsanwalt. Während des Putsches 2009 war er Fraktionsvorsitzender seiner Partei. Sein politisches Wirken ist eng an den Wirtschafts- und Finanzsektor gekoppelt.

Luis Orlando Zelaya trat als Kandidat der Liberalen Partei (PL) an und ist eine neue Figur in der politischen Landschaft von Honduras. Er war zuvor Direktor einer der größten privaten Universitäten von Honduras, UNITEC (Universidad Tecnológica Centroamericana). Seine Familie kommt aus der liberalen Tradition, aber er war bislang politisch wenig aktiv. Seine Pluspunkte waren sein sauberes Image und sein beruflicher Erfolg. Er hat allerdings einen schlechten Moment für seine Kandidatur ausgesucht, weil die Liberale Partei gerade eine tiefe Führungskrise durchläuft, die sich auch in der Spaltung der Aktiven zeigt. In den letzten Wahlen war die PL, bis dato eine der beiden wichtigsten Parteien in der Zweiparteien-Landschaft, hinter der PN und Libre nur drittstärkste Kraft geworden. Seit dem Putsch von 2009 ist ihr Abstieg dramatisch und unaufhaltsam.

General Romeo Vázquez Velázquez, ehemaliger Militär und nun Politiker der Alianza Patriótica, kandidierte ebenfalls für das Präsidentenamt. Als Kommandeur der Streitkräfte spielte er während des Putsches von 2009 eine entscheidende Rolle als Teil der Konspiration der politischen, religiösen, wirtschaftlichen und militärischen Elite, die die demokratischen Institutionen aushebeln wollte.

Daneben bewarben sich sechs Kandidat*innen mit kleineren Parteien oder als Einzelpersonen. Einige von ihnen kamen aus dem gewerkschaftlichem Umfeld, andere hatten bisher kaum politische Anerkennung.

Zum ersten Mal in den 35 Jahren demokratischer Wahlen in Honduras stand eine so breite Auswahl von Parteien zur Wahl. Dennoch war dieser Wahlprozess von Verfassungswidrigkeiten geprägt. Präsident Juan Orlando Hernández hat seine Position genutzt, um die Kontrolle über Justiz, Wahlinstitutionen und die Gesetzgebung zu erlangen. Er setzte durch, dass er erneut für die Präsidentschaft kandidieren durfte, obwohl dies in der Verfassung explizit verboten ist. Das Verfassungsgericht hatte einen von der Opposition eingelegten Widerspruch zurückgewiesen und damit der erneuten Kandidatur des amtierenden Präsidenten zugestimmt.

Ein weiteres wichtiges Element dieser Wahlen ist die Legitimitätskrise staatlicher Institutionen, die bereits vor dem Putsch begann, aber dadurch noch verstärkt wurde.

Auch die Verwicklung der politischen Klasse in den Drogenhandel hat das Vertrauen weiter geschwächt. Mehrere Politiker sind wegen Geldwäsche im Zusammenhang mit Drogenhandel in den USA angeklagt, wie zum Beispiel der ehemalige Minister Yani Benjamín Rosenthal, der sich den US-Behörden stellte und im Dezember 2017 zu drei Jahren Haft verurteilt wurde; oder Fabio Porfirio Lobo, Sohn des ehemaligen Präsidenten Lobo Sosa, der in den USA zu 24 Jahren Haft wegen Drogenhandels verurteilt wurde.

Die Wahlen waren außerdem von einer zugespitzten sozialen Situation in Honduras geprägt: Honduras hat nach wie vor eine der höchsten Mordraten der Welt, gezielte Morde an politischen und Umweltaktivist*innen sind an der Tagesordnung, soziale Proteste werden kriminalisiert. Außerdem wurde eine Strafrechtsreform verabschiedet, die es ermöglicht, Oppositionelle als „Terrorist*innen“ bis zu 20 Jahre zu inhaftieren.

Am Wahlabend lag nach Veröffentlichung der ersten Hochrechnungen die „Allianz gegen die Diktatur“ fünf Prozent vor Hernández‘ konservativer „Nationaler Partei“. Vor Veröffentlichung weiterer Ergebnisse brach nach offiziellen Angaben der Rechner der Obersten Wahlbehörde zusammen und es kam zu einer Neuauszählung der Stimmen mit dem Ergebnis, dass nun Juan Orlando Hernández der Sieger der Wahlen war: Er erhielt demnach 42,95 Prozent der Stimmen, Salvador Nasralla von der „Allianz der Opposition gegen die Diktatur“ 41,42 Prozent und Luis Orlando Zelaya von der Liberalen Partei (PL) 14,74 Prozent.

Dieses Wahlergebnis mit der sehr geringen Differenz zwischen Orlando Hernández und Nasralla wurde von der Opposition sowie von verschiedenen internationalen Wahlbeobachtungskommissionen angezweifelt. Die Opposition forderte Neuwahlen. Auch die Wähler*innen protestierten zwei Wochen lang fast durchgängig gegen die Wahlergebnisse, über 100 Straßenblockaden und Besetzungen öffentlicher Plätze fanden statt. Die Regierung reagierte mit einer Verhängung des Ausnahmezustands für zehn Tage und einer Sperrstunde. Über 30 Menschen wurden bislang bei diesen Protesten getötet, höchstwahrscheinlich von Polizei und Militär, die Hernández einsetzte, um das Land unter Kontrolle zu halten.

Der Protest wurde nicht nur von den „üblichen Verdächtigen“ getragen, sondern auch in den Vierteln wurde zu zivilem Ungehorsam aufgerufen. Die Bürger*innen hatten genug von der Intransparenz und der Manipulation durch die Oberste Wahlbehörde. Die Demos waren nicht mehr konzentriert an einem Punkt, sondern finden inzwischen in sechs verschiedenen Städten des Landes statt, in denen die wichtigen Wirtschaftszweige blockiert oder behindert werden. Es kann noch zu weiteren Auseinandersetzungen kommen, weil es wenig politische Dialogräume in Honduras gibt.

Inzwischen haben schon verschiedene Länder das Ergebnis der Wahlen anerkannt, allen voran die Regierung Trump in den USA.

Im Kongress soll die PN ebenfalls knapp die absolute Mehrheit erzielt haben. Demnach habe die PN 61 Abgeordnete, Libre 30, die PL 26 und PINU vier. Die von der Opposition angekündigte Wahlanfechtung wird damit schwierig, da die Geschäftsordnung des Kongresses ein Machtinstrument ist, durch das der Kongresspräsident die Tagesordnung beschließt und damit auch bestimmt, was diskutiert wird und welche thematischen Kommissionen aufgestellt werden.

Diese Situation läuft in Anbetracht der mangelnden Toleranz und der geringen Fähigkeit der konservativen Kräfte zum Dialog auf vier Jahre voller Spannungen und Reibungen hinaus. Wichtige nationale Themen, vor allem die Reformen der Gesetzgebung, die von den Bürger*innen gefordert wird, werden nicht mit Nachdruck vorangetrieben werden. Die Forderungen der indigenen Völker zur Verteidigung ihrer Territorien werden nicht beachtet werden. Die Kriminalisierung der Menschenrechtsverteidiger*innen wird zunehmen angesichts der Militarisierung und der Nichtrespektierung des Rechtes auf friedlichen Protest.

Auch die Verbesserung der inneren Sicherheit und der Kampf gegen das organisierte Verbrechen, die institutionalisierte Korruption und die Straflosigkeit werden unter dieser Regierung nicht als Themen aufgegriffen werden. Die Finanzgruppe, die die Nationale Partei in den Wahlen begleitet hat, hat gezeigt, dass sie nicht zurückweichen und diejenige, die protestieren, nicht anhören wird. Diese Situation hat in den letzten acht Jahren die politischen Kräfte privilegiert, die im Verdacht stehen, enge Verbindungen zum organisierten Verbrechen zu haben. Sie ignorieren die Bedürfnisse der Bürger*innen nach Räumen zu Teilhabe und Partizipation und nach Verbesserung der Lebensbedingungen. Die Macht wird über militärische Kontrolle und die Schaffung eines Klimas aus Besorgnis und Angst ausgeübt. Honduras ist auf dem Weg in eine perfekte demokratische Diktatur.

Dennis Muñoz ist Journalist und Menschenrechtsaktivist aus Honduras. Er hat in den letzten Jahren bei Ciprodeh (Centro de Investigación y Promoción de los Derechos Humanos) gearbeitet und dort Projekte zu Straflosigkeit, Korruption und Sicherheit koordiniert.

Übersetzung: Ina Hilse