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Chronik eines angekündigten Todes

Menschenrechtsverteidigerin und Indígena-Aktivistin Berta Cáceres in Honduras ermordet

n der Nacht vom 2. zum 3. März 2016 wurde Berta Cáceres, die Koordinatorin des Zivilen Rates der indigenen und Volksbewegungen von Honduras (COPINH), ermordet. Die Attentäter drangen in ihr Haus in La Esperanza ein und erschossen die Mutter von vier Kindern. Der Menschenrechtsaktivist Gustavo Castro Soto aus Mexiko, der für die NRO Otros Mundos AC – Amigos de la Tierra aktiv ist, wurde bei dem Attentat verletzt. Einige von uns kannten Berta Cáceres persönlich über die Solidaritätsarbeit mit Honduras. Sie hinterlässt eine große Lücke als kämpferische Frau, die sich gegen Repression, Militarisierung und Ausbeutung der Naturgüter gestellt hat und dafür weltweit zu einer Symbolfigur geworden ist.

Ina Hilse
Kirstin Büttner

Seit über 20 Jahren setzte sich Berta für indigene und Menschenrechte in Honduras ein und wurde deshalb immer wieder bedroht. Bereits 2009 hatte ihr die Interamerikanische Menschenrechtskommission CIDH angesichts der akuten Bedrohungssituation Schutzmaßnahmen zugesprochen, die jedoch von den honduranischen Behörden nicht umgesetzt wurden. Über längere Zeiträume musste sie immer wieder untertauchen und versteckt leben.

Für ihr Engagement wurde sie mehrfach international ausgezeichnet. Vor nicht einmal einem Jahr wurde ihr mit dem Goldman-Preis die wichtigste Anerkennung für UmweltaktivistInnen verliehen; und 2012 nahm sie in Deutschland den Eichstätter Shalompreis für Menschenrechte in Empfang, eine Auszeichnung, mit der ihr Kampf für die Rechte der benachteiligten indigenen Völker in Honduras gewürdigt wurde.

Berta engagierte sich in den letzten Jahren insbesondere gegen das Staudammprojekt Agua Zarca und dessen Auswirkungen. Der 21 Meter hohe Damm soll auf dem Land der Lenca gebaut werden und den Fluss Gualcarque aufstauen. Mit 40 weiteren Konzessionen für Staudämme war Agua Zarca im September 2010 von der honduranischen Regierung genehmigt worden, obwohl dies einen Verstoß gegen die ILO-Konvention 169 darstellt, die im Vorfeld solcher Projekte Anhörungen und Konsultationen in den betroffenen Gemeinden verlangt. Anfang 2012 begann das honduranische Unternehmen DESA völlig überraschend mit dem Bau. Agua Zarca soll eine Energiekapazität von 93 Gigawatt pro Jahr haben.

Die Anlage wird erheblichen Einfluss auf die zwölf Gemeinden des indigenen Territorium Río Blanco haben. Die Gemeinde La Tejera liegt in direkter Nähe zur Baustelle, ihre Felder befinden sich am Flussufer. Die Lenca leben hauptsächlich von Subsistenzlandwirtschaft, dem Anbau von Mais, Bohnen, Bananen, Yucca, anderem Gemüse und Früchten. Für die Bauarbeiten wurde den BewohnerInnen von La Tejera der Zugang zum Fluss versperrt, mit dessen Wasser sie ihre Felder bewässern, in dem sie fischen und baden. „Für das Lenca-Volk ist die Privatisierung der natürlichen Gemeingüter, insbesondere der Flüsse, inakzeptabel. Der Gualcarque hat eine sehr große spirituelle Bedeutung für das Lenca-Volk. Für sie leben in diesem Fluss die Wassergeister, und jegliches Verbrechen an dem Fluss ist ein Verbrechen an diesen Geistern“, erklärte Berta Cáceres 2013 in einem Interview.

Die überwiegende Mehrheit der in Río Blanco ansässigen Lenca-Bevölkerung, die im lokalen Indigenen Rat und dem Rat der Ältesten organisiert ist, der zu den Basisstrukturen von COPINH gehört, wehrte sich deshalb von Anfang an gegen das Projekt. Sie brachten sowohl bei offiziellen Versammlungen als auch mit Protestaktionen ihre Ablehnung zum Ausdruck. Agua Zarca bedeutet für sie einen Angriff auf ihren Lebensraum und für über 20 Jahre den Verlust des Menschenrechts auf Wasser.

Angesichts der zu befürchtenden starken Einschränkung ihres Lebensraums und der Tatsache, dass ihre Proteste ignoriert und unterdrückt wurden, begannen die Gemeinden vom Río Blanco 2013 eine permanente Blockade auf der neu gebauten Zufahrtsstraße zur Baustelle auf der Höhe von La Tejera zu errichten. Im Zusammenhang mit dieser Protestaktion wurde Berta Cáceres festgenommen, internationale Proteste erreichten jedoch ihre Freilassung (vgl. Rückseite der ila 369). In der Folge zogen sich die zwei wichtigsten Finanziers, die Weltbank und die chinesische Firma Sinohydro, aus dem Staudammprojekt zurück. Engagiert sind seither die beiden staatlichen Finanzierungsgesellschaften PMO/Niederlande und Finnfund/Finnland sowie die zentralamerikanische Entwicklungsbank. Das deutsche Unternehmen Siemens ist über das Joint-Venture Voith Hydro an dem Projekt beteiligt. Zur Eskalation des Konflikts kam es am 15. Juli 2013, als auf dem Firmengelände stationiertes Militär auf eine Demonstration der lokalen indigenen StaudammgegnerInnen schoss. COPINH-Mitglied Tomás García wurde bei diesem friedlichen Protest erschossen, sein Sohn verletzt. Im November 2013 stürmten Polizeieinheiten die Gemeinde La Tejera. Nach diesem Übergriff wurden drei weitere Gegner des Projektes ermordet. Daraufhin zog sich die Betreiberfirma des Projektes Agua Zarca, Desarrollos Energéticos S.A. (DESA), zeitweise vom Gelände zurück.

Im Juli 2015 nahm sie die Arbeiten wieder auf. Bei diesem zweiten Versuch, den Bau des Staudamms durchzusetzen, wurde auf die andere Seite des Flusses Gualcarque nach San Francisco de Ojuera ausgewichen. Berta und viele Lencas mobilisierten erneut, um den Fluss und die indigenen Gebiete zu verteidigen. Die Situation wurde zunehmend schwieriger. Am 4. November 2015, als Berta unterwegs war, stahl ein Unbekannter ihren Laptop mit bedeutenden Informationen über COPINH aus ihrem Haus. In der Nacht vom 6. November wurde dreimal auf sie geschossen, als sie Richtung Rio Blanco fuhr. Am 24. November bekam Tomás Gómez, ein Führungsmitglied von COPINH, einen Drohanruf, in dem auch Berta erwähnt wurde. Immer wieder kam es zu Bedrohungen und Übergriffen, ohne dass die Polizei eingriff.

Im Februar 2016 erklärte COPINH in einem Communiqué, dass paramilitärische Sicherheitskräfte, die für den Wachschutz von DESA arbeiteten, ihre Mitglieder bedroht hätten. Am 20. Februar 2016 fuhren Berta und andere COPINH-AktivistInnen nach San Francisco de Ojuera, um gegen den Damm zu protestieren. Dabei wurden sie von DESA-Leuten und Angestellten aus dem Büro des Bürgermeisters bedroht und festgehalten. Außerdem wurden ihre Fahrzeuge beschädigt, während die Polizei und das Militär zuschauten.

Die Ermordung von Berta Cáceres hat in Honduras und weltweit Bestürzung ausgelöst und zu scharfen Reaktionen geführt. In mehreren lateinamerikanischen und europäischen Städten fanden Protestveranstaltungen statt. In sozialen Medien brachten Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen ihren Abscheu über den Mord zum Ausdruck. COPINH macht in einer Erklärung die Firma DESA und ihre internationalen Projektpartner und Geldgeber für den Mord verantwortlich: „Sie sind es, die hinter ihrem physischen Verschwinden stehen, sie alle haben ihre Hände mit Blut befleckt, mit dem Blut von Indigenen, von Lenca, von Kämpferinnen und Kämpfern.“

Der Staat versuchte, ein Mordmotiv aus persönlichen Gründen zu konstruieren, nachdem zunächst von einem Überfall die Rede gewesen war. Dies geht mit weiteren Versuchen einher, COPINH zu kriminalisieren und den indigenen Widerstand gegen das Staudammprojekt zu beseitigen. So wurde das COPINH-Mitglied Aureliano Molina Villanueva 48 Stunden von der Polizei festgehalten, obwohl ZeugInnen bestätigten, dass er sich zum Zeitpunkt des Mordes in Francisco de Lempira, zwei Stunden entfernt vom Tatort, aufgehalten hatte. Außerdem wurde das Fahrzeug der Organisation durchsucht und der COPINH-Koordinator Tomás Gómez musste sich ohne Angabe konkreter Gründe einer kriminalistischen Untersuchung unterziehen.

Die Autopsie von Berta Cáceres wurde gegen den ausdrücklichen Wunsch der Familie ohne Anwesenheit einer unabhängigen forensischen Expertin durchgeführt. Mögliche Verbindungen des Mordes zum Wachschutz des Unternehmens DESA wurden bisher nicht untersucht, obwohl sich Mitarbeiter laut Zeugenaussagen in der betreffenden Nacht in der Nähe von La Esperanza aufgehalten hatten. COPINH, die Familie von Berta Cáceres, zahlreiche internationale Menschenrechts- und Umweltorganisationen sowie VertreterInnen des europäischen Parlaments fordern daher eine unabhängige Untersuchung der Umstände und Hintergründe des Todes in Zusammenarbeit mit der Interamerikanischen Menschenrechtskommission.

Der einzige Zeuge des Mordes ist der mexikanische Umweltaktivist Gustavo Castro Soto. Trotz seiner Schussverletzungen wurde er 72 Stunden in polizeilichem Gewahrsam gehalten und hat eine umfassende Aussage gemacht. Dennoch wird er daran gehindert, Honduras zu verlassen. Am 7. März wies die Generalstaatsanwaltschaft Gustavo Castro Soto an, weitere 30 Tage im Land zu bleiben, um für Zeugenaussagen zur Verfügung zu stehen. So muss er sich weiter in Honduras aufhalten, wo um seine Sicherheit gefürchtet wird. Gewaltsame Räumungen und Vertreibungen dauern an. Am 15. März wurde Nelson García, ein weiteres Mitglied von COPINH ermordet. Daraufhin gaben PMO und danach Finnfund ihren vorläufigen Rückzug aus allen Aktivitäten in Honduras bekannt. Das ist ein wichtiger Schritt, der zu einem definitiven Ausstieg aus Agua Zarca und Folgeprojekten führen muss.

Wir trauern um Berta und Nelson und drücken ihren Familien, den Mitgliedern von COPINH und den Lenca-Gemeinden unser Mitgefühl aus.

Weitere Infos: www.hondurasblog.blogspot.com
http://justiciaparabertacaceres.blogspot.de
Spendenaufruf: http://www.oeku-buero.de/spendenaufruf-copinh-und-arcoiris.html