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Marielas Traum

Alexandra Huck hat einen Kolumbienroman geschrieben, der sich nah an der Realität bewegt
Till Baumann

Mariela wächst im Nordwesten Kolumbiens auf, in einem Dorf an den Ufern des Chitandó-Flusses. Gemeinsam mit ihrer Gemeinde wird sie von Paramilitärs und Militärs brutal vertrieben, anschließend wird auf dem Gebiet eine Palmölplantage errichtet. Der Roman „Marielas Traum“ handelt vom Kampf der Gemeinde um Gerechtigkeit und um die Rückkehr auf ihr Land. „Marielas Traum“ steht dabei für viele Träume, hoffnungsvolle Träume von einer Zukunft mit Frieden und Gerechtigkeit und für die Alpträume, von denen Mariela nachts heimgesucht wird, die sich um die Verbrechen der Paramilitärs drehen.

Alexandra Huck ist es gelungen, einen Roman zu schreiben, in dem die wesentlichen Aspekte und Akteure der komplexen Realität des bewaffneten Konflikts in Kolumbien zu einer Geschichte verdichtet werden, die obendrein auch noch überaus spannend erzählt wird. Wie kam die Autorin dazu, ein solches Buch zu schreiben? Was verbindet sie mit Kolumbien? „Ich war oft in Kolumbien und habe die Situation von Gemeinden erlebt, die von ihrem Land vertrieben werden, die für ihre Rückkehr kämpfen und dabei von Anwalts- und anderen Organisationen unterstützt werden“, sagt Alexandra Huck im Gespräch. Ende der 90er-Jahre arbeitete sie für Peace Brigades International in Kolumbien, seitdem ist sie viele Male in das Land zurückgekehrt. In Berlin arbeitet sie seit mehr als zehn Jahren bei der Organisation kolko, die sich für Menschenrechte in Kolumbien einsetzt (www.kolko.net). „Seit ich zum ersten Mal vor Ort war, habe ich die Lage in Kolumbien intensiv verfolgt, insbesondere auch die Situation einiger Gemeinden im Nordwesten des Landes, die genau diesen Kampf um Gerechtigkeit und um die Rückkehr auf ihr Land geführt haben. Der mutige Einsatz dieser Menschen und der hoffnungsvolle Umgang mit einer schwierigen, scheinbar ausweglosen Situation haben mich sehr beeindruckt und letztlich dazu motiviert, einen Roman darüber zu schreiben“, so Alexandra Huck. 

Entstanden ist ein Politthriller, der die Geschichte von Vertreibung und Rückkehr der Gemeinde vom Chitandó-Fluss in drei Handlungssträngen und aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt: zunächst aus der Sicht von Mariela und ihrer Gemeinde, dann aus der Perspektive von Beata, einer jungen Solidaritätsaktivistin aus Deutschland, die ein Praktikum bei einer kolumbianischen Menschenrechtsorganisation macht. Der dritte Handlungsstrang verfolgt die Aktivitäten von Oberst Montenegro, der gemeinsam mit Paramilitärs die Vertreibung der Dörfer vom Chitandó organisiert, um befreundeten Unternehmern dort Land für Investitionen zu verschaffen.
„Marielas Traum“ ist ein Buch, das sich nah an der kolumbianischen Realität bewegt. „Die Handlung des Buches ist eng angelehnt an Geschehnisse, die so tatsächlich stattgefunden haben, aber es findet sich darin keine reale Person, kein Dorf, keine Gemeinde, kein Ereignis in Reinform wieder. Alle Personen sind Mischungen aus verschiedensten Personen, die Dörfer sind Mischungen aus verschiedensten Dörfern. Es steckt also eine Menge Realität in diesem Buch und doch ist am Ende alles Fiktion.“

Man muss keinE KolumbienspezialistIn sein, um „Marielas Traum“ zu lesen und zu verstehen, im Gegenteil. Der Roman eignet sich hervorragend als Einführung in die schwierige Realität einer Gesellschaft wie der kolumbianischen, die seit Jahrhunderten von Ausbeutung und struktureller Ungerechtigkeit und seit Jahrzehnten von einem bewaffneten Konflikt geprägt ist. „Marielas Traum“ ist ein Buch, das die politische Situation Kolumbiens vielleicht mehr und sicherlich auf anschaulichere Weise verstehen lässt als manch politikwissenschaftliche Abhandlung.

Und doch ist das, was die Gemeinde vom Chitandó erleben muss, nicht nur ein kolumbianisches Phänomen. „Dass Land in der globalisierten Welt immer knapper und immer mehr zu einer umstrittenen und umkämpften Ressource wird, ist leider weltweit so. Das Buch befasst sich mit Landnahme und Landgrabbing, also einem Thema, das auch einen Bezug zu uns hat, da wir in Europa viele der Güter konsumieren, die auf diesem umkämpften Land angebaut werden“, so Alexandra Huck. Ist das Buch also vor allem für ein europäisches Publikum geschrieben worden? „Beim Schreiben hatte ich eher ein Publikum in Deutschland im Kopf, daher habe ich es auch auf Deutsch verfasst. Ich hoffe natürlich, dass es eine Übersetzung ins Spanische geben wird und das Buch auch in Kolumbien erscheinen kann und dann insbesondere die Menschen aus den Gemeinden, an deren Schicksal die Handlung angelehnt ist, den Roman lesen können.“

Und schließlich, was wünscht die Autorin ihrer Protagonistin Mariela und der Gemeinde am Chitandó-Fluss für ihre Zukunft? „Dass sie die Hoffnung aufrechterhalten und sich weiter einsetzen für das, was ihnen rechtmäßig zusteht, und dass es ihnen gelingt, auf ihrem Land in Ruhe zu leben und es zu bewirtschaften. Und vor allem, dass sie selbstbestimmt und in Würde wählen können, wie sie auf diesem Land leben wollen.“

Till Baumann ist Theatermacher und arbeitet regelmäßig in Kolumbien mit Friedens- und MenschenrechtsaktivistInnen zusammen.