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Die Unberührbaren

Zum 23. Jahrestag der Friedensverträge in El Salvador

Am 16. Januar 2015 jährte sich zum 23. Mal die Unterzeichnung der Friedensverträge von Chapultepec durch das Oberkommando der FMLN und die Regierung El Salvadors. Der Autor des folgenden Beitrags ist Direktor des Menschenrechtsinstitutes der Jesuitenuniversität UCA in San Salvador. Er weiß, worüber er schreibt, wurden doch an dieser Universität am 16. November 1989 sechs Priester, ihre Haushälterin und deren Tochter von Soldaten des Elitebataillons Atlacatl der salvadorianischen Armee ermordet.

Benjamín Cuéllar

Bei den Unberührbaren, über die ich schreibe, handelt es sich nicht um die salvadorianische Rockband dieses Namens und auch nicht um die Gruppe von US-Finanzbeamten um Eliot Ness, die während der Prohibition Al Capone ins Gefängnis brachte. Hier geht es um die Unberührbaren, die vollständige Straffreiheit genießen, mit dem Segen der beiden Kriegsparteien von früher. Kurz vor dem 23. Jahrestag der Unterzeichnung der Friedensverträge, an dem auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen anwesend sein wird, muss an ein anderes Ereignis erinnert werden. Vor drei Jahren vergoss der damalige Präsident Mauricio Funes Tränen, als er im Namen des Staates die Verantwortung für das Massaker von El Mozote (Dezember 1981) übernahm und um Vergebung bat. Dieser Augenblick in der offiziellen Rede zum 16. Januar 2012 ist für die Opfer der Verbrechen, die die salvadorianischen Streitkräfte begingen, unvergesslich. Unvergessen ist ihnen auch, wie Funes an anderer Stelle seiner Rede den Militärs befahl, ihre Geschichte zu überprüfen und aufzuhören, Menschenrechtsverletzer, Kriegsverbrecher und Verbrecher gegen die Menschlichkeit zu ehren.
Vor drei Jahren sagte Funes in El Mozote: „„Hier sind unzählige Akte der Barbarei und der Menschenrechtsverletzungen begangen worden: Es wurde gefoltert, Unschuldige wurden ermordet, Frauen und Kinder vergewaltigt, Hunderte von SalvadorianerInnen wurden entführt und sind seither verschwunden, während andere fliehen mussten und alles verloren, um ihre Leben zu retten... Für die abwegigen Menschenrechtsverletzungen und für den begangenen Missbrauch bitte ich im Namen des salvadorianischen Staates die Familienangehörigen der Opfer und ihre Gemeinden um Vergebung, die Mütter, Väter, Söhne, Töchter, Brüder und Schwestern, die bis heute nicht wissen, wo ihre Liebsten sind.““
Dann benannte er Oberstleutnant Domingo Monterrosa Barrios und andere Offiziere als Befehlshaber und unmittelbare Täter des Massakers. Und deshalb beschloss er als Oberbefehlshaber der Streitkräfte, „„der Institution zu befehlen, ihre Interpretation der Geschichte zu überprüfen. Eben weil wir es zwanzig Jahre nach Unterzeichnung der Friedensverträge mit einer anderen Institution zu tun haben, einem professionellen und demokratischen Militär, das der zivilen Macht gehorsam untergeordnet ist, können wir Befehlshaber, die in schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verwickelt waren, nicht länger hoch halten und als Helden der Institution darstellen.““ Ein paar Tage später erklärte der damalige Verteidigungsminister, General José Atilio Benítez, es sei eine Sonderkommission zu diesem Zwecke eingerichtet worden. Als er aber gefragt wurde, ob er den Namen Monterrosa von der Kaserne der dritten Infanteriebrigade in San Miguel entfernen würde, ging er in die Luft und sagte: „„Viele von uns sehen in ihm weiter einen Helden, der damals sogar sein Leben für die Verteidigung des Landes gegen einen Angriff gegeben hat.““
Vor dem Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof haben die Opfer des Massakers von El Mozote den salvadorianischen Staat gebeten, die Namen von Kriegsverbrechern von den Kasernen zu entfernen und sie nicht weiter zu ehren. Was hat das Außenministerium dem Gericht geantwortet? Es zitierte aus der Rede von Funes von vor drei Jahren und versicherte, man habe „„nicht nur die Streitkräfte El Salvadors..., sondern auch andere Sektoren, die von der Exekutive unabhängig sind, ganz klar aufgefordert, Personen, die während des bewaffneten Konfliktes in Menschenrechtsverletzungen verwickelt waren, nicht länger zu loben.““ Diese klare Aufforderung haben alle verstanden – – außer Benítez und Funes. Letzterer erklärte im Dezember 2013, er habe nicht versprochen, die Namen der Kriegsverbrecher von den Kasernen zu entfernen. Feinsinnig wie immer sagte er: „„Ich habe das Verteidigungsministerium gebeten, eine Untersuchung anzustellen. Die Untersuchung ist inzwischen abgeschlossen und wird zurzeit von meinem Sekretariat für Rechtsfragen geprüft. Auf der Grundlage dieser Untersuchung werden wir als Regierung der Republik entscheiden, ob wir die Namen der Kasernen beibehalten oder nicht.““

Funes hat inzwischen seine Amtszeit beendet und die Festung in San Miguel trägt immer noch den Namen „„Oberstleutnant Domingo Monterrosa Barrios““. Der Bericht der Untersuchungskommission, die nur eingerichtet wurde, um Funes zu „„gehorchen““, hat ungefähr 20 000 US-Dollar gekostet und trägt das Datum 7. März 2013. Darin entschuldigt sich das Heer folgendermaßen: „„Die Kommission versteht den komplexen, sensiblen und umstrittenen Charakter einiger bewaffneter Aktionen im Rahmen eines irregulären Krieges, in dem die Strategie und Taktik des Gegners die Zivilbevölkerung in ihre bewaffneten Aktionen einbezog. Deshalb war es für die Streitkräfte manchmal sehr schwierig, den aufständischen Gegner eindeutig zu identifizieren.““ Das muss man so verstehen: die zum Beispiel während des Massakers von El Mozote von den Militärs vergewaltigten und ermordeten Frauen und Kinder waren Opfer einer Verwechslung, an der nicht die Täter, sondern die Aufständischen schuldig waren. Julia Elba Ramos und ihre Tochter Celina und die sechs hingerichteten Jesuiten der UCA wurden, so betrachtet, vor 25 Jahren zu Opfern, weil die Soldateska glaubte, sie seien Teil der von Ignacio Ellacuría (damaliger Rektor der UCA und einer der ermordeten Priester) befehligten Guerilla. Was die Namen der Kasernen betrifft, die Verantwortliche von Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ehren (in dem Untersuchungsbericht der Streitkräfte werden sie „„ehrenhafte Offiziere““ genannt), befand die Kommission, es sei „„angemessen““, sie beizubehalten, „„um die damals gerechtfertigten und korrekt eingehaltenen Prozesse zu respektieren und um der gerechten Anerkennung der Veränderungen willen, die die Streitkräfte in den letzten 20 Jahren im Zuge ihrer tiefgreifenden Modernisierung und Professionalisierung vollzogen haben““. Die Streitkräfte haben sich derartig „verändert“ und die Friedensverträge, die den Namen Frieden kaum verdienen, derartig erfüllt, dass sie sich auch 23 Jahre nach Beendigung des Krieges immer noch beharrlich weigern, ihre Archive zu öffnen, damit die Familien der Verschwundenen erfahren, was mit ihren Lieben passiert ist.
Die von Funes angeregte fatale Kommission hat die militärische Barbarei jener Jahre, die so viele Menschen immer noch schmerzt, überprüft, und herausgekommen ist die offizielle Geschichte des Krieges. Die Kriegsverbrecher bleiben unberührbar. Diese Art von offizieller Geschichte ignoriert in den Worten von Ignacio Martín-Baró (Sozialpsychologe, einer der sechs ermordeten Jesuitenpriester) „„wesentliche Aspekte der Wirklichkeit, verdreht andere und fälscht oder erfindet gar noch andere... Wenn unter gleich welchen Umständen Tatsachen ans Licht kommen, die der ‚,offiziellen Geschichte‘ frontal widersprechen, werden sie schnell isoliert und in ein baldiges Vergessen geschoben... Die Wirklichkeit öffentlich zu beschreiben und vor allem die ‚offizielle Geschichte' zu entlarven...,, wird als Subversion betrachtet, und in Wirklichkeit ist solches auch subversiv, denn es untergräbt die Ordnung der institutionalisierten Lüge.““ Es scheint sich also nichts zu verändern, trotz der Regierungen des Wechsels und der Hoffnung, wie sie sich nennen.

Der Kommentar ist am 15. Januar 2015 in „Noticias UCA“, den Internetnachrichten der Abteilung für Kommunikation und Publikationen der Jesuitenuniversität UCA in San Salvador, erschienen.

Übersetzt und bearbeitet von Eduard Fritsch.