ila

Eine Frage von Menschlichkeit

Kölner Studierende solidarisieren sich mit den Protesten in Mexiko

Der 20. November 1910 läutete den Beginn der mexikanischen Revolution ein. Politische Gruppen aus dem ganzen Land erhoben sich, um gegen die erneute Machtübernahme des autoritären Herrschers Porfirio Díaz zu rebellieren. Exakt 104 Jahre später wird an vielen Orten der Welt der verschwundenen Studierenden in Ayotzinapa gedacht. Auch an der Universität Köln versammelten sich knapp 100 Menschen unter dem Motto Todos somos Ayotzinapa, um Aufklärung zu fordern.

Marian Henn

Initiiert wurde die Aktion von der mexikanischen Dozentin Licette Jacinto und den Studierenden ihres Arbeitskurses, der sich mit den Phänomenen von Gewalt und Migration in Mexiko auseinandersetzt. Ihr liegt es am Herzen, die StudentInnen zu solchen Aktionen zu ermuntern. „Während meiner Zeit an der UNAM in Mexiko-Stadt war ich selber in politischen Hochschulgruppen aktiv. Bei dem großen Bildungsstreik 1999/2000 beispielsweise habe ich die staatliche Repression und Kriminalisierung, der die jetzigen Proteste auch ausgesetzt sind, am eigenen Leib erfahren. Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, die Lehre mit den Forderungen von sozialen Bewegungen zu verknüpfen. Eine Universität sollte statt Humankapital in erster Linie kritische Menschen mit solidarischer Wahrnehmung ausbilden.”

In Hunderten Städten weltweit wurden am 20. November Soliaktionen durchgeführt. Vor allem junge Menschen zeigten sich an Hochschulen und auf öffentlichen Plätzen solidarisch. Die Mehrheit der Weltbevölkerung sind junge Menschen, die meisten von ihnen sind ohne Perspektive. Auch die verschleppten Normalistas sind Opfer dieser Bedingungen und waren bereit, dagegen zu kämpfen. Sie stellten die Herrschaft der Eliten in Frage. Während auf dem G20-Gipfel die neoliberalen Strukturmaßnahmen der Regierung bejubelt werden, kämpft die junge Generation gegen diese schmutzigen Geschäfte, von der in erster Linie die dominierende politisch-ökonomische Klasse profitiert. Dabei steht der Fall Ayotzinapa nur stellvertretend für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen, für die sich der mexikanische Staat verantworten muss.

„Bei dem Fall Ayotzinapa geht es nicht nur um Mexiko, sondern um eine Frage von Menschlichkeit. So etwas darf im 21. Jahrhundert nicht passieren. Weder in Mexiko noch hier, noch sonst irgendwo auf der Welt“, so Licette Jacinto. Die Ansage der DemonstrantInnen vor dem Hauptgebäude war klar: Statt die repressive und korrupte Politik in Mexiko durch Polizeiabkommen und Freihandelsverträge zu legitimieren, sollten Waffenlieferungen gestoppt und Menschenrechtsinitiativen gestärkt werden. Die DemonstrantInnen hielten Fotos der 43 Studierenden in die Höhe und riefen immer wieder: „Lebend haben sie sie uns genommen, lebend wollen wir sie wieder.“ Susana Rojas, Mitorganisatorin der Aktion und Mitglied der Mexiko-Gruppe Köln/Bonn, betont den hohen Mobilisierunggrad der in Deutschland lebenden MexikanerInnen. „Wir haben hier den Vorteil, dass wir uns organisieren können, ohne kriminalisiert, bedroht und verfolgt zu werden.“

Insgesamt waren die Teilnehmenden sehr zufrieden mit dem Ablauf und der Resonanz der Aktion. „Das beste, was wir tun können, ist, den Menschen in Mexiko unsere moralische Unsterstützung zu signalisieren. Wir müssen ihnen zeigen, dass sie nicht allein sind“, so eine Demonstrantin.

Es gehe darum, „historisch erkämpfte Rechte zu verteidigen. Die Bewegungen dürfen nie schlafen, müssen sich immer wieder neu aufstellen und aktualisieren.“ Oder, um bei der mexikanischen Revolution und den Worten ihrer Identifikationsfigur Emiliano Zapata zu bleiben: „Solange es keine Gerechtigkeit für das Volk gibt, soll es auch keinen Frieden für die Regierung geben!“