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Enorme Gewinne aus der Zwangsarbeit der Armen

Der ILO-Bericht „Profits and Poverty“
Laura Held

Die ILO, die International Labour Organisation, veröffentlichte im Mai 2014 einen Bericht mit dem Titel Profits and Poverty: The Economics of Forced Labour. Hier wurden die Ergebnisse einer umfangreichen weltweiten Recherche über die ökonomischen Profite von Zwangsarbeit von einer ILO-Studie 2012 ausgewertet und nach Regionen vorgestellt. 

In den Schlussfolgerungen heißt es: „Mehr als ein Jahrhundert, nachdem die Sklaverei in der entwickelten Welt verboten wurde, und Jahrzehnte, nachdem sie in der neuen, sich entwickelnden Welt abgeschafft wurde, existieren heute neue Formen der Sklaverei: Zwangsarbeit, Menschenhandel, Zwangsprostitution u.a. Unglücklicherweise besteht das Risiko, dass diese neuen Formen der Sklaverei sich weiter ausbreiten, sowohl was ihr Ausmaß, als auch was die durch sie erzielten Profite betrifft.“

In diesem Bericht korrigiert die ILO die Ergebnisse ihrer eigenen vorherigen Studien nach oben: Sie geht jetzt davon aus, dass weltweit 21 Millionen Opfer von Zwangsarbeit sind (Männer, Frauen, Kinder) und mit ihnen mehr als 150 Milliarden Dollar illegale Gewinne in der Privatwirtschaft erzielt werden, dreimal mehr, als die ILO vorher vermutete. Diese Studie basiert auf wesentlich mehr Daten und einer veränderten Methodik. Zu den Gründen für die „moderne Sklaverei“ (wobei sie den Begriff wegen seiner Unschärfe eigentlich nicht akzeptiert) stellt der Bericht fest, dass vor allem Armut und unsichere Lebensverhältnisse, niedrige Bildung und Migration Menschen zu Opfern der neuen Sklavenausbeutung machen. Die ILO fordert in dem Bericht Maßnahmen zur Prävention und zum Schutz der Menschen sowie eine bessere Durchsetzung und Verschärfung der gesetzlichen Regelungen – schließlich sind Sklaverei und Zwangsarbeit fast überall auf der Welt verboten. 

Die illegalen Profite durch Zwangsarbeit übersteigen das Bruttosozialprodukt vieler Länder und Gegenden der Welt. 90 Prozent der Menschen werden in der Privatwirtschaft ausgebeutet, meist in Verbindung mit organisierter Kriminalität.  22 Prozent der ZwangsarbeiterInnen sind nach den ILO-Schätzungen von 2012 Opfer kommerzieller sexueller Ausbeutung, 68 Prozent schuften unfreiwillig in der Landwirtschaft (einschließlich Forstwirtschaft und Fischerei), auf dem Bau, in Fabriken oder in Haushalten. Andere Sektoren konnten aufgrund der schwierigen Datenbeschaffung nicht berücksichtigt werden. Die ILO-Definition umfasst alle Arten an Arbeit oder Dienstleistungen, formale und informelle, legale und illegale, für die direkt Druck im Sinne von Zwangsherrschaft ausgeübt wird, wie eine Androhung von Strafen, wenn nicht gearbeitet oder geliefert wird, um Sklaverei von allgemeinen Formen der Ausbeutung, wie z.B. Löhne, die nicht zum Leben reichen, abzugrenzen.

Zwangsarbeit beruht nicht auf einer freien, informierten Zustimmung des Arbeiters/ der Dienstleisterin. Sklaverei ist ein Teil von Zwangsarbeit, wie auch Schuldknechtschaft und Leibeigenschaft, aber nicht jede Zwangsarbeit gilt als Sklavenarbeit. Für den Bericht wurde die Definition wie folgt festgelegt: der/die ZwangsarbeiterIn wurde nicht freiwillig oder unter falschen Voraussetzungen angeworben und war einer Form von Druck oder Strafe zur Zeit der Anwerbung ausgesetzt, muss unter harten Bedingungen und Strafandrohung leben und arbeiten oder kann die Arbeit wegen einer Strafandrohung nicht verlassen.

In der Asien-Pazifik-Region gibt es weltweit die meisten ZwangsarbeiterInnen, fast 12 Millionen, während in Zentral-, Südost- und Osteuropa (den Nicht-EU-Staaten) der Anteil an der Bevölkerung mit 4,2 Opfern pro 1000 BewohnerInnen am höchsten ist. 

In Lateinamerika und der Karibik werden nach der ILO-Studie jährlich 12 Milliarden Dollar Gewinne durch Zwangsarbeit erzielt, davon 10,4 Milliarden Dollar durch sexuelle Ausbeutung, eine halbe Milliarde durch Zwangsarbeit im Haushalt, und eine Milliarde durch Zwangsarbeit in anderen Sektoren, davon 200 Millionen in der Landwirtschaft, 800 Millionen auf dem Bau, in Fabriken, im Bergbau. Mit LandarbeiterInnenn verdienen die Sklavenchefs viel weniger, ca. 700 Dollar jährlich in Lateinamerika (weltweiter Durchschnitt sind 2500 Dollar Profit pro LandarbeiterIn). Bei den ZwangsarbeiterInnen im Haushalt werden jährlich 800 Dollar pro Opfer „erwirtschaftet“ (weltweit 2300), dagegen sind es pro Opfer von erzwungener sexueller Ausbeutung 27 000 Dollar jährlich (weltweit 22 000). Geschätzte Zahlen für ZwangsarbeiterInnen in Lateinamerika und der Karibik: 1,8 Millionen, davon 400 000 Sexarbeiterinnen und 200 000 staatliche ZwangsarbeiterInnen. Von den 1,2 Millionen in der Privatwirtschaft arbeiten 650 000 in Haushalten, 360 000 sind in der Land- und Forstwirtschaft einschließlich Fischerei tätig und 190 000 auf dem Bau, im Bergbau oder in Fabriken.

Der jährliche Profit pro Opfer ist weltweit sehr unterschiedlich: In den USA beträgt er 34 800 US-Dollar jährlich, im mittleren Osten 15 000 Dollar, am niedrigsten ist er in der Asien-Pazifik-Region mit 5000 Dollar jährlich. In Lateinamerika und der Karibik liegt er durchschnittlich bei 7500 Dollar. 

International Labour Organization (ILO) Report: Profits and Poverty: The Economics of Forced Labour. Mai 2014. Der gesamte Bericht ist auf Englisch, eine Zusammenfassung ist auch auf Spanisch und Französisch verfügbar: www.ilo.org/global/publications/ilo-bookstore/order-online/books/WCMS_243391/lang—en/index.htm