ila

Die 17 müssen raus!

El Salvador: UN empfehlen, Abtreibungsverbot zu überdenken

Am 23. Mai 2014 übermittelte das UN-Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte seine Empfehlungen an den salvadorianischen Staat (unter der Dokumentnummer E/C.12/SLV/CO/3-5). Eine dringende Empfehlung bezieht sich auf die Gesetzgebung zu Abtreibungen: Das totale Verbot müsse modifiziert und in Einklang mit den grundlegenden Gesetzen zu Gesundheit, Leben sowie der Würde der Frau gebracht werden. Eine internationale Kampagne setzt sich derweil für die Freilassung von 17 Frauen ein, die nach einem (angeblichen) Schwangerschaftsabbruch wegen „Mordes“ beziehungsweise „versuchten Mordes“ in El Salvador im Gefängnis sitzen.

Lena Voigtländer

Bereits 2010 hatte der UN-Menschenrechtsrat das salvadorianische Abtreibungsrecht beanstandet und Änderungen gefordert, da das Gesetz unter anderem internationale Pakte verletze, die El Salvador ratifiziert hat. Dass die Thematik besonderes Gewicht bekam, lag unter anderem an dem Bericht der Agrupación Ciudadana aus San Salvador1 und dem Center for Reproductive Rights (CRR). Ihr Bericht „Ausgeschlossen, verfolgt, eingesperrt: Auswirkungen des totalen Abtreibungsverbots in El Salvador“ analysiert die Konsequenzen der totalen Kriminalisierung von Abtreibung besonders im Hinblick auf die Menschenrechte. Ein Schwangerschaftsabbruch ist in El Salvador nicht einmal aus medizinischen Gründen legal. Frauen, die dennoch abtreiben oder eine Fehlgeburt erleiden, werden inhaftiert. 

In zahlreichen Fällen liegen keine Beweise vor, dennoch werden die Frauen wegen Abtreibung oder damit erklärtem schwerem Mord zu langen Haftstrafen von acht bis 30 Jahren und mehr verurteilt. Der Bericht von CRR und der Agrupación Ciudadana beschreibt, wie das Gesundheits- und das Justizsystem sowie die Haftanstalten beim Schutz von Schwangeren scheitern. Ebenso wie das UN-Komitee hebt es das besondere Risiko für arme, junge Frauen hervor: „Eine reiche Frau kann ins Ausland reisen, eine arme Frau verblutet“, so Sara García von der Agrupación. 

Und genau bei diesen Fällen missachten Richter regelmäßig das Prinzip der Unschuldsvermutung. Zwischen Anfang 2000 und Mitte 2011 wurden gegen 129 Frauen Verfahren eröffnet; 23 von ihnen wurden wegen vorsätzlichem Schwangerschaftsabbruch und 26 wegen Mordes verurteilt. Das Abtreibungsverbot ist kein Relikt aus alten Zeiten, wie es die BefürworterInnen (Kirche und Organisationen wie Sí a la vida) darstellen, sondern noch relativ jung. Es trat in seiner absoluten Form erst 1998 in Kraft. Die Vorstellung, dass das Leben mit der Empfängnis beginnt, wurde 1999 in der Verfassung verankert. Bei den Kampagnen für die Veränderung der Abtreibungsgesetzgebung verfolgten die Organisationen einen umfassenden Ansatz, der die Abtreibungspraxis stark kritisiert und auch generelle Frauenrechte einfordert – in beiden Aspekten wurden sie von den UN-Empfehlungen unterstützt. 

Bereits am 1. April hatten sie mit Las 17. No dejemos que sus vidas se marchiten („Die 17. Lassen wir nicht zu, dass ihre Leben vergehen“) eine internationale Kampagne gestartet, um die Begnadigung und Freilassung von 17 Frauen zu erreichen. „Sie heißen Mirian, Maritza, Marina, Salvadora, Ena, Carmen, Teodora, Guadalupe, Mariana, Mirna, Cinthia, Veronica, Alba, Johana, Evlyn, Teresa und María.2 17 Frauen, die alle in El Salvador im Gefängnis sitzen. Carmen seit fast 15 Jahren, Guadalupe seit 14 Jahren und Mirian seit 13 Jahren. Verurteilt wurden sie wegen Mordes oder versuchten Mordes. 

Aber die Frauen haben noch mehr gemeinsam: Sie sind arm und konnten sich keinen Anwalt leisten, der sie vor Gericht verteidigt hätte“, so Michael Krämer von INKOTA e.V.. Das Nord-Süd-Netzwerk unterstützt die Kampagne in Deutschland. Die 17 Frauen wurden unter den zahlreichen inhaftierten Frauen ausgewählt, weil sie ähnliche Charakteristika aufweisen. Bei allen wurde eine Neuaufnahme ihres Gerichtsverfahrens abgelehnt. Die Begnadigung ist daher der einzige Weg, um die Frauen vor Ablauf der Haftzeit freizubekommen. Die ila schließt sich dem hier abgedruckten Aufruf von INKOTA e.V. an.

Freiheit für die 17

Helfen Sie uns, die Kampagne zur Freilassung der 17 Frauen hier bekanntzumachen. Öffentlichkeit ist ein großer Feind jeder Ungerechtigkeit. Je bekannter die Fälle der 17 Frauen werden, umso größer ist die Chance, dass die Gnadengesuche Erfolg haben. Die Kampagne hat einen Musterbrief an die Kommission für Justiz und Menschenrechte des salvadorianischen Parlaments verfasst und hofft auf möglichst viele Briefe auch aus Deutschland. Auf www.inkota.de/Frauenrechte-El-Salvador finden Sie den Brief auf Spanisch und in deutscher Übersetzung. Von dort aus können Sie ihn ganz einfach an die Kommissionsmitglieder (und in Kopie an die Kampagne) schicken. Auch finden Sie dort weitere Informationen zur Kampagne. Flugblätter, Demonstrationen, Pressekonferenzen: Kampagnenarbeit kostet Geld – auch in El Salvador. Bitte unterstützen Sie die Kampagne „Freiheit für die 17“ und unsere Partnerorganisation in El Salvador.

Bitte spenden Sie auf das Konto:

INKOTA-netzwerk, KD-Bank, IBAN DE06 3506 0190 1555 0000 10, BIC GENODED1DKD Stichwort: Frauenrechte El Salvador

  • 1. La Agrupación Ciudadana por la Despenalización del Aborto Terapéutico, Ético y Eugenésico setzt sich seit 2009 für die Aufhebung des absoluten Abtreibungsverbots in El Salvador ein und berät Frauen, die wegen (angeblichem) Schwangerschaftsabbruch in Haft sind.
  • 2. Um sie und ihre Familien zu schützen, nutzt die Kampagne nur die Vornamen der 17 Frauen.