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Poetin der Straße

Abschied von der dominikanischen Liedermacherin Sonja Silvestre (1952-2014)
Hans-Ulrich Dillmann

Von Wikipedia Totgesagte leben manchmal noch. Die freie Internet-Enzyklopädie meldete am 17. April unter Berufung auf eine dominikanische Tageszeitung, dass die dominikanische Liedermacherin Sonja Silvestre gestorben sei. Da hatte die 61-Jährige, die im Krankenhaus nach einem Schlaganfall auf der Intensivstation lag, noch zwei Tage zu leben. Wie Wiki-Deutschland auf Anfrage mitteilte, habe man ja auch die Quelle genannt – und auch Journalisten würden Fehler machen. So weit, so zynisch.

In Sonja Silvestre ist endgültig am 19. April, dem Ostersamstag, das Leben erloschen. Seit ein paar Jahren hatte sich die sozial engagierte und der dominikanischen Sozialdemokratie verbundene Sängerin aufgrund gesundheitlicher Probleme weitgehend von der Bühne zurückgezogen. Die Stimme, die von „Liebe und dem Leben“ sang, war nur noch selten live zu hören.

Die in San Pedro de Macoris im Südosten der Dominikanischen Republik geborene Sängerin gehörte zur musikalischen Strömung der Nueva Canción von meist sozial engagierten linken MusikerInnen, die während der blutigen zwölf Regentschaftsjahre des Autokraten Joaquín Balaguer mit ihren Konzerten gegen die „Bleiernen Zeiten“ ansangen. Aus diesen Jahren stammt auch die innige Freundschaft zu den cubanischen Trovadoren Pablo Milanés und Silvio Rodríguez.

Aber die „Poetin der Straße“ war keine Liedermacherin der radikalen Worte, sondern der einfühlsamen Beschreibungen von Alltäglichkeiten, der Liebe und der Beziehung zwischen den Menschen. Die Bachata-Lieder des Bitteren, die ihr Liedermacher wie der ebenfalls verstorbene Luis Díaz auf den Leib schrieben, machten sie bekannt. Songs wie Quiero Andar oder die unnachahmliche Interpretation von Pablo Milanés' Soy de esta isla, hätten Sonja Silvestre unsterblich gemacht, wie der dominikanische Kultusminister und enge Freund der Verstorbenen, der Cantautor José Antonio Rodríguez auf der Trauerfeierlichkeit betonte. Das Wirken von Sonja Silvestre, die im Jahr 2000 mit der höchsten Auszeichnung des Landes, der Casandra geehrt wurde, würdigte Silvio Rodríguez in einem Beileidschreiben: „Mutig mit Überzeugung gegen die Repression anzusingen, so bleibt sie mir in Erinnerung.“