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Costa Rica stimmt für weniger Wandel

Bei der Stichwahl stehen sich ein Repräsentant und ein Dissident des alten Establishments gegenüber

Das politische Erdbeben ist in Costa Rica in der Wahlnacht am 2. Februar ausgeblieben. Und dennoch ist nichts mehr wie zuvor in dem Land, das seit dem kleinen Bürgerkrieg von 1948 stets von einer der beiden ehemaligen Parteien des Duopols aus rechts-sozialdemokratischer PLN und christsozialer PUSC regiert wurde. Die regierende PLN hat mit einem Ergebnis von unter 30 Prozent für ihren Kandidaten, den ehemaligen Bürgermeister der Hauptstadt San José, Johnny Araya, ein historisch schlechtes Wahlergebnis eingefahren. Eine Nasenlänge vor ihm konnte sich Luis Guillermo Solis von der moderaten „Partei der Bürgeraktion” PAC behaupten, der 31 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte. Zwischen den beiden Kandidaten kommt es am 6. April zur Stichwahl.

Torge Löding

Auch wenn es der 36-jährige Kandidat José Maria Villalta mit 17,2 Prozent der Stimmen nur auf Platz drei und somit nicht in die zweite Wahlrunde geschafft hat, darf sich der Politiker der Linkspartei Frente Amplio (FA) als Überraschungssieger bei den Präsidentschaftswahlen im sehr konservativen Costa Rica feiern lassen. Einen der beiden Spitzenplätze kostete ihn am Ende das mit 12 Prozent vergleichsweise schwache Ergebnis in San José und dem zentralen Hochland. In der Karibikprovinz Limón reichte es für stolze 22 Prozent. Die Hochburgen der Linken finden sich neben den beiden Küstenregionen (Pazifik und Karibik) vor allem im ländlichen Raum, in einigen entlegenen Kantonen wurde die FA sogar zur stärksten Kraft.

Die regierende PLN und Unternehmerverbände hatten in den letzten Wochen vor der Wahl eine aggressive Kampagne gegen den Umweltaktivisten und demokratischen Sozialisten Villalta gestartet, in der sie ihn als „Kommunisten” beschimpften und in die Nähe des Chavismus rückten. Gerade unter VertreterInnen der intellektuellen Mittelschicht in der Hauptstadt verfing diese Kampagne offensichtlich. So blieb die Wahlbeteiligung bei schwachen 60 Prozent, aber vor allem konnte die moderate PAC von der polarisierten Stimmung profitieren und ihren Kandidaten Solis in den letzten Wochen vor der Wahl nach vorne bringen, nachdem er in den Umfragen monatelang um die fünf Prozent herumgedümpelt war. Bei der urbanen Mittelschicht und bei gut ausgebildeten jungen WählerInnen, die eigentlich mit Villalta geliebäugelt hatten, konnte Solis Unterstützung zurückgewinnen. Er überzeugte sie mit seinem Auftreten als gemäßigter Elder Statesman, der einerseits für einen Bruch mit der aktuellen Staatsführung steht, die unter der scheidenden Regierung von Laura Chinchilla von zahlreichen Korruptionsskandalen erschüttert wurde, bei dem man aber andererseits – ganz nach dem Motto „Keine Experimente wagen“ – auch keine Angst vor einem radikalen Kurswechsel haben muss.

Auch wenn das Ergebnis vom 2. Februar bei der PLN als Desaster wahrgenommen wird und die Partei nach der teuren Wahlschlacht mit weniger als einer Million Colones in der Kasse – fast so viel, wie sie alleine am Wahltag ausgegeben hat – kurz vor dem finanziellen Bankrott steht und sich Solis als Sieger feiern lässt, entschieden ist noch lange nichts. Damit der PAC-Kandidat gewinnen kann, braucht er auch Stimmen aus dem linken Lager und aus diesem schlägt ihm eine frostige Stimmung entgegen, insbesondere nachdem die Moderaten einen „Nichtangriffspakt“ mit der FA im Januar aufkündigten und ihre Aufholjagd mit Angriffen auf Villalta eröffneten. Und obwohl Solis „Verhandlungen mit allen Sektoren“ ankündigte, lehnt seine Partei ein offizielles Treffen mit der FA bisher ab, ganz offensichtlich um nicht am Ende Opfer der gleichen Schmutzkampagne zu sein, die sich bisher gegen Villalta richtete. Das hindert die Rechte indes nicht, doch schon einmal damit anzufangen. Ein PLN-Parlamentarier warf der PAC am Tag nach der Wahl vor, ein Hort verdeckter FA-AnhängerInnen zu sein. 

Bei seinen AnhängerInnen sorgte Villalta in der Wahlnacht für Jubel, als er ausrief: „In der Stichwahl gibt es nur die Wahl zwischen der Rechten, die stiehlt und der Rechten, die nicht stiehlt.” Später präzisierte der Politiker, dass er mit seiner Aussage über die PAC meine, dass der Sektor, welcher heute die Partei kontrolliere, der Rechten zuzuordnen sei, er meine damit aber weder kritische Mitglieder noch deren WählerInnen. Dennoch reagierten PAC-Politiker wie der in den Vorwahlen zur Präsidentschaftskandidatur knapp gescheiterte Juan Carlos Mendoza mit Unverständnis auf diese Etikettierung: „Als Rechten lasse ich mich nicht bezeichnen”, sagte Mendoza, der mit seiner Strömung Movimiento Esperanza den progressiven Flügel der PAC repräsentiert. Vier der 13 neuen ParlamentarierInnen der „Bürgeraktion” gehören dieser Strömung an. 

Gegründet wurde die PAC im Jahr 2000 als Abspaltung von der PLN, Gründer war der ehemalige PLN-Minister Otton Solis. Luis Guillermo Solis (die Namensgleichheit ist zufällig) gilt zwar als innerparteilicher Rivale und vertritt insbesondere bei außenpolitischen Themen eine eher progressive Linie, hatte aber sogar noch bis 2003 führende Parteiämter bei der PLN inne. Von 1986 bis 1990 stand er dem Büro des damaligen PLN-Außenmimisters vor. Programmatisch bleibt der Kandidat blass, ob er nun ein Kandidat der „Mitte” ist oder doch eher ein moderater Rechter, darüber kann man streiten. Sicher ist nur, dass von einem Präsidenten Solis kleine Korrekturen zu erwarten sind und kein wirklicher Wandel.

Über eine parlamentarische Mehrheit wird der nächste Präsident Costa Ricas indes nicht verfügen, egal ob er Solis oder Araya heisst. Von den 57 ParlamentarierInnen gehören 18 der PLN an und 13 der PAC (gewählt wurden 14, ein Abgeordneter aber der Fraktion verwiesen). Ohne Absprachen mit anderen politischen Kräften wird also keine der beiden Parteien eine Mehrheit finden. Die Frente Amplio stellt einen Linksblock von neun Abgeordneten – ein historisches Ergebnis, das zuvor nur einmal im Jahr 1948 erreicht wurde. In den vergangenen drei Legislaturperioden hatte es einen oder gar keinen linken Parlamentarier gegeben.

Der Autor leitet das Regionalbüro Mittelamerika der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Mexiko und nahm als internationaler Wahlbeobachter an den Wahlen am 2. Februar teil.