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General auf dem Rückzug

Der kolumbianische Botschafter in Österreich muss seinen Hut nehmen

Eine überraschende Wende nahm die Initiative des Berliner European Center for Constitutional and Human Rights ( ECCHR), Anfang Oktober den in Wien residierenden kolumbianischen Botschafter General Freddy José Padilla de Léon wegen des Vorwurfes der Kriegsverbrechen durch die österreichische Regierung zur Persona non grata zu erklären. General Padilla kündigte kurz nach Veröffentlichung der Vorwürfe in österreichischen und kolumbianischen Medien seinen Rücktritt für November 2013 an.

Wolfgang Kaleck

Das ECCHR hatte Mitte August sowohl beim österreichischen Außenministerium als auch in den benachbarten Staaten, in denen der General ebenfalls als Botschafter Kolumbiens fungiert, ein Dossier eingereicht, in dem auf knapp 20 Seiten die Vorwürfe gegen den General spezifiziert werden (vgl. zum ganzen Vorgang www.ecchr.eu). Padilla bekleidete seit Ende der 90er-Jahre höchste Posten innerhalb der Streitkräfte von Kolumbien, unter anderem war er Generalinspekteur des Heeres (2002-2003), Generalstabschef (2003-2006), Oberbefehlshaber der Streitkräfte (2006-2010) sowie Interims-verteidigungsminister 2009. Innerhalb dieser Zeit begingen die staatlichen Streitkräfte neben anderen Akteuren (Paramilitärs, FARC) zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen. In dem Dossier wird insbesondere auf die massive Gewalt gegenüber Gewerkschaftern in Kolumbien hingewiesen, die als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bereits im Oktober 2012 beim Internationalen Strafgerichtshof zur Anzeige gebracht wurden.

Im Zentrum der Vorwürfe stehen jedoch die extralegalen Tötungen, die sogenannten Falsos positivos, die Kolumbiens Militärs vor allem Mitte der letzten Dekade verübt hatten. Neben Oppositionellen waren es in erster Linie einfache Menschen vom Lande, die von den Militärs erschossen, zum Teil in Uniform der Guerillagruppen gesteckt, zum Teil anonym beerdigt und anschließend als Tote im Gefecht ausgegeben wurden. Auf diese Weise wollten die Einheiten ihren Erfolg bei der Bekämpfung der Guerilla nachweisen. Von der Spitze der Streitkräfte wurde entsprechender Druck entfaltet, zudem wurden Belohnungen für Hinweise auf Guerilleros ausgelobt. Insgesamt spricht man von mehreren Tausend auf diese Art und Weise getöteten Menschen.

Einzelnen Soldaten und rangniedrigen Offizieren wurde in Kolumbien zwar der Prozess gemacht. Die Armeespitze oder Regierungsangehörige wurden allerdings bisher strafrechtlich noch nicht für diese massiven Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht. Die Anklagebehörde beim Internationalen Strafgerichtshof hat in einem Zwischenbericht von Oktober 2012 diesen Verbrechenskomplex zu einem ihrer Ermittlungschwerpunkte deklariert. In dem Dossier wird dem General nun nicht vorgeworfen, selber Menschen erschossen oder einzelne Morde angeordnet zu haben. Vielmehr ist er als Kommandeur der Streitkräfte dafür verantwortlich, dass seine Untergebenen diese Verbrechen verübt haben, weil er davon wusste und keine entsprechenden Gegenmaßnahmen ergriff.

Ein Strafverfahren in Kolumbien gegen ihn wurde nach kurzer Zeit eingestellt, der Internationale Strafgerichtshof steckt noch in den Ermittlungen. Möglich wäre daher wie im Pinochet-Fall eine Strafverfolgung nach dem Prinzip der universellen Jurisdiktion, das bedeutet, dass im Fall von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit europäische Gerichte durchaus Strafverfolgungsmaßnahmen wegen Verbrechen in Kolumbien einleiten könnten, obwohl keine Beziehung zu eigenen Staatsbürgern oder zum Staatsgebiet besteht. Allerdings würde eine Strafanzeige gegen den General keinerlei Erfolgsaussichten haben, da er von der diplomatischen Immunität geschützt ist. Daher zielte das Vorgehen des ECCHR darauf ab, ihm diese diplomatischen Privilegien entziehen zu lassen. Zuvor hatten die Berliner Juristen bereits in zwei Fällen von Generälen aus Sri Lanka Erfolg. Sie quittierten kurz nach Erhebung der Vorwürfe ihre diplomatischen Posten in Deutschland, der Schweiz und in Großbritannien, nicht ohne jedoch klarzustellen, es handele sich um einen turnusmäßigen Wechsel.

Mit ähnlichen Worten wurde auch der angekündigte Rücktritt von Padilla begleitet. Allerdings hatte zuvor das österreichische Außenministerium angekündigt, die Vorwürfe ernsthaft zu prüfen, den Vorgang dem österreichischen Ministerium für Justiz ebenfalls zur Prüfung übersandt und sich zu Gesprächen mit dem ECCHR getroffen. Der zeitliche Zusammenhang mit der Intervention des ECCHR steht daher außer Frage.

Getroffene Hunde bellen, so könnte man meinen, wenn man die Pressereaktionen in Kolumbien nach den Vorgängen in Österreich studiert. Zunächst meldete sich der ehemalige Präsident Uribe zu Wort und brachte die deutschen Menschenrechtler mit der bewaffneten Guerilla in Kolumbien in Verbindung. Der amtierende Verteidigungsminister Pinzón ließ Ähnliches verlauten, mehrere Presseartikel gingen in dieselbe Richtung. Um den Reigen komplett zu machen, meldete sich dann noch die FARC zu Wort und stellte klar, dass sie jedenfalls mit den Aktionen gegen Padilla nichts zu tun habe. Sowohl ehemalige als auch aktuell verantwortliche Politiker Kolumbiens reagieren also auf Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen wie gehabt – das alte Freund-Feind-Denken funktioniert.