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Die Kubaner in Angola

Buchbesprechung
Gert Eisenbürger

In der „Dritte-Welt-Szene“ der alten BRD, vor allem im „Bundeskongress Entwicklungspolitischer Aktionsgruppen“ (BUKO – heute: Bundeskoordination Internationalismus) wurde Anfang der achtziger Jahre kritisch über die kubanische Militärpräsenz in Afrika diskutiert. Dabei stellten wir uns die Frage, ob der Einsatz kubanischer Truppen in Äthiopien und Angola gesellschaftliche Emanzipationsprozesse fördern oder neue Abhängigkeiten hervorbringen würde. Außer den Organisationen aus dem Umfeld der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), die die kubanische Regierungsposition wiedergaben, nahm die Mehrheit der Gruppen eine differenzierte Position ein: Der kubanische Beistand für das äthiopische Militärregime General Mengistus im Krieg gegen das Nachbarland Somalia (das versucht hatte, die südäthiopische Provinz Ogaden zu annektieren) wurde überwiegend kritisiert, unter anderem, weil Kuba damit indirekt auch das militärische Vorgehen der Mengistu-Diktatur gegen die Befreiungsbewegung EPLF (Eritrean Popular Liberation Movement) in Eritrea unterstützte. Vor allem die zahlreichen eritreischen StudentInnen in der BRD wandten sich im BUKO gegen die kubanische Hilfe für Mengistu.

Im Falle Angolas sah das anders aus. Hier unterstützte Kuba die Befreiungsbewegung MPLA (Movimento Popular de Libertação de Angola) im Kampf gegen die von Südafrika und den USA unterstützten Organisationen UNITA (União Nacional para a Independencia Total de Angola) und der bald bedeutungslosen FNLA (Frente Nacional para a Libertação de Angola). Die MPLA war seit den frühen siebziger Jahren von den Afrika-Solidaritätsgruppen im Unabhängigkeitskampf gegen die portugiesischen Truppen und ab 1975 – als sie an der Regierung war – im Machtkampf gegen die UNITA und die FNLA unterstützt worden, sowohl wegen ihres sozialistischen Programms, als auch wegen der Einschätzung, dass ein Erfolg der MPLA die Befreiungskräfte in Namibia und Südafrika im Kampf gegen die Apartheid stärken würde.

Später nahm das Interesse an Angola merklich ab, obwohl dort bis 2002 ein blutiger Bürgerkrieg herrschte, aus dem die – inzwischen westlich-kapitalistisch orientierte – MPLA als Siegerin hervorging. Die Präsenz Kubas war bereits 1991 zu Ende gegangen, als seine Truppen und zivilen Entwicklungshelfer abzogen. Hintergrund dafür waren die schwere ökonomische Krise Kubas nach dem Zusammenbruch des Realen Sozialismus in Osteuropa, der Rechtsruck der MPLA und Verhandlungen der angolanischen Regierung mit den USA, die ohne Abstimmung mit der kubanischen Führung aufgenommen wurden.

Nun ist mit „Kubaner in Angola“ von Christine Hatzky eine äußerst spannende Studie zum kubanischen Engagement in dem afrikanischen Land zwischen 1976 und 1991 erschienen. Dabei geht es weniger um die militärische Unterstützung als um die zivile Aufbauhilfe, vor allem im Bildungswesen. Natürlich kann das Militärische dabei nicht ausgeblendet werden. Schließlich herrschte in Angola Krieg, der sich im Lauf der achtziger Jahre kontinuierlich verschärfte und auf immer weitere Teile des Landes übergriff.

Christine Hatzky war früher in der Lateinamerika-Solidaritätsarbeit aktiv und als Mitarbeiterin der Informationsstelle Guatemala zeitweilig Flurnachbarin der ila im Bonner Oscar-Romero-Haus. Inzwischen ist sie Professorin für Geschichte an der Universität Hannover. Das Buch „Kubaner in Angola“ ist die leicht bearbeitete Fassung ihrer Habilitationsschrift. Kuba ist schon seit langem ein Schwerpunkt ihrer wissenschaftlichen Forschung: Bereits in ihrer Magisterarbeit hatte sie sich mit Julio Antonio Mella, dem Gründer der Kommunistischen Partei Kubas in den zwanziger Jahren beschäftigt, dessen politische Biographie auch im Mittelpunkt ihrer Dissertation stand (vgl. Besprechung in der ila 284).

Im ersten, politisch-historischen Teil ihrer Habilitation skizziert Christine Hatzky die Geschichte Angolas und Kubas in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, analysiert die Interessen beider Regierungen an der Kooperation, beschreibt die politische Legitimierung und Mobilisierung für die Angola-Mission in Kuba und schildert die Bildungsgeschichte und -politik beider Länder. Im zweiten, historisch-empirischen Teil der Arbeit analysiert sie ausführlich die Erfahrungen der angolanisch-kubanischen Bildungskooperation und stellt die Erinnerungen und gegenseitigen Wahrnehmungen der beteiligten Akteure dar.

Obwohl die Zusammenarbeit zwischen Angola und Kuba wahrscheinlich das bisher größte Projekt der Süd-Süd-Kooperation war, wurde es bislang nur wenig erforscht. Im angelsächsischen Raum gab es einige politikwissenschaftliche Arbeiten über den militärischen Aspekt des Einsatzes, wobei lange die Ansicht vorherrschte, in Angola sei in den siebziger und achtziger Jahren ein Stellvertreterkrieg zwischen den USA und der Sowjetunion geführte worden. Inzwischen habe – so Hatzky – der US-Historiker Piero Gleijeses, der als bisher einziger ausländischer Historiker Zugang zu kubanischen Regierungs- und Militärarchiven hatte, in mehreren zwischen 2002 und 2006 erfolgten Veröffentlichungen mit zahlreichen Dokumenten belegt, dass die kubanische Regierung in Angola – anders als in Äthiopien – keineswegs im Auftrag der Sowjetunion handelte. Vielmehr habe Moskau das Vorpreschen Castros zur militärischen Unterstützung der MPLA anfangs eher kritisch gesehen. Christine Hatzky sieht im kubanischen Interesse, eine Führungsrolle unter den Blockfreien Staaten zu übernehmen und in Afrika sozialistische Umgestaltungsprozesse zu fördern, das Hauptmotiv der Regierung Castro, sich in Angola zu engagieren. Sie schließt aber auch wirtschaftliche Interessen im bestimmten Umfang nicht aus.

Über die zivile Kooperation gibt es noch weniger Veröffentlichungen. Entsprechend stützt sich die Autorin vor allem auf Primärquellen, sprich interne Dokumente aus Ministerien, Sitzungsprotokolle der mit der Kooperation befassten Gremien, Arbeitsberichte u. ä. sowie auf 127 Interviews, die sie in Kuba und Angola führte – 95 mit KubanerInnen, 32 mit AngolanerInnen. Rund drei Viertel der Interviewten waren „einfache“ Beteiligte an der Kooperation, vor allem kubanische Lehrkräfte und ehemalige angolanische SchülerInnen, ein Viertel „ExpertInnen“, darunter fallen sowohl FunktionärInnen als auch WissenschaftlerInnen beider Länder.

Interessant ist Hatzkys Beschreibung ihrer jeweiligen Arbeitssituation. Politisch problemlos waren ihre Recherchen in Angola, wo es keine Vorbehalte gegen ihre Forschung gab, (ehemalige) FunktionärInnen bereitwillig Auskunft gaben und sie Zugang zu den entsprechenden Dokumenten erhielt. Schwierig waren eher die praktischen Bedingungen. Die Dokumente über die Bildungskooperation waren keineswegs geordnet und klassifiziert, sondern befanden sich in Bergen von Ordnern im Keller des Erziehungsministeriums in Luanda. In Kuba gibt es dagegen geordnete Archivbestände, wozu Hatzky aber nur sehr eingeschränkt Zugang erhielt. Bei den Interviews wurde dort zunächst verlangt, dass sie diese nur in Beisein einer kubanischen Kollegin führen dürfe, die sie aber selbst aussuchen konnte. So wurde sie bei den ersten zehn Interviews von einer Historikerin begleitet, mit der sie bereits früher zusammengearbeitet hatte. Alle weiteren Interviews konnte sie alleine führen. Am schwierigsten waren ihre Recherchen in der exilkubanischen Gemeinde in Miami. Dort brachte man ihr größtes Misstrauen entgegen und mutmaßte, sie wäre für die kubanische Staatssicherheit unterwegs. Schließlich führte sie aber auch in Miami einige Interviews mit KubanerInnen, die in Angola tätig gewesen waren.

Die Schwerpunkte der zivilen Kooperation Kubas mit der MPLA-Regierung Angolas zwischen 1976 und 1991 waren die medizinische Versorgung, Infrastrukturprojekte und die Neuorganisation des Bildungswesens. Nach offiziellen Angaben waren in den 15 Jahren rund 50 000 kubanische ZivilistInnen (und 400 000 Militärs) in Angola im Einsatz.

Während die SoldatInnen (etwa zehn Prozent waren Frauen) im Rahmen ihres Wehrdienstes nach Afrika abkommandiert wurden, war der Einsatz der ZivilistInnen weitgehend freiwillig. Um zivile KooperantInnen für den Einsatz in Angola zu gewinnen, gab es große Kampagnen, in denen mit politischen und moralischen Argumenten für eine Beteiligung an der Mission geworben wurde. Die Revolution habe den KubanerInnen aller Schichten und Hautfarben Bildung gebracht und nun seien sie moralisch verpflichtet, diese Bildung weiterzugeben. Oder es wurde auf den Internationalismus der Revolutionshelden, vor allem Ernesto „Che“ Guevaras, verwiesen, dem junge Leute folgen sollten. Diese Argumente spielten für viele Freiwillige eine große Rolle, wie Hatzkys InterviewpartnerInnen ihr versicherten. Weniger mobilisierend wirkten nach deren Aussagen dagegen Fidel Castros Definition Kubas als einer „lateinamerikanische-afrikanischen Nation“, also die Betonung der afrikanischen Wurzeln vieler KubanerInnen. Neben moralischen Argumenten waren für junge KubanerInnen auch weitaus profanere Gründe ausschlaggebend, sich für einen Einsatz in Angola zu melden, etwa Hoffnungen auf einen beruflichen Aufstieg oder wie bei allen Freiwilligendiensten weltweit, der Wunsch ein anderes Land kennen zu lernen und dort einige Zeit zu verbringen. Insgesamt ging die Bereitschaft nach Angola zu gehen, in den achtziger Jahren zurück, was vor allem mit der Eskalation des Krieges und den Berichten der RückkehrerInnen über negative Erlebnisse zusammenhing.

Ein zentrales Problem jeder Art von „Entwicklungshilfe“ sind die ihr innewohnenden Machtverhältnisse – es gibt GeberInnen und EmpfängerInnen. Dabei förderten die Recherchen Hatzkys für die kubanisch-angolanische Kooperation allerdings überraschende Ergebnisse zutage. Bei der Unabhängigkeit 1975 galt Angola zwar aufgrund seiner sozialen Parameter (Ernährungssicherheit, Alphabetisierungsgrad, Zugang zu medizinischer Versorgung) als ein „unterentwickeltes“ Land, verfügte aber aufgrund seines Rohstoffreichtums und vor allem der Ölförderung über erhebliche Deviseneinnahmen, ganz anders als Kuba, dessen soziale Daten in der Dritten Welt vorbildlich waren, das aber unter chronischer Devisenknappheit litt. So ist nicht unbedingt verwunderlich, dass die angolanische Regierung für den Einsatz der kubanischen Lehrkräfte, ÄrztInnen und Bauarbeiter bezahlte, und zwar bei LehrerInnen zwischen 850 und 1000 US-Dollar pro Person und Monat. Das war nur unwesentlich weniger als das, was portugiesische, brasilianische oder kapverdianische LehrerInnen erhielten, die individuelle Verträge mit dem angolanischen Erziehungsministerium geschlossen hatten. Aber anders als bei letzteren gingen die Gehälter der kubanischen Freiwilligen komplett an deren Regierung. Die LehrInnen erhielten – ebenfalls finanziert von der angolanischen Seite – nur freie Unterkunft und Verpflegung sowie ein Taschengeld von umgerechnet zehn US-Dollar im Monat. Christine Hatzky – und ich stimme ihr da völlig zu – hält es keineswegs für moralisch verwerflich, dass sich Kuba den Einsatz bezahlen ließ. Schließlich sei es ein armes Land und die Freistellung vieler gut ausgebildeter Leute für den Angola-Einsatz habe die kubanische Wirtschaft, speziell das Gesundheits- und Bildungswesen, belastet.

Die Tatsache, dass die Leistungen bezahlt wurden, führte zu einer teilweisen Umkehrung der Machtverhältnisse in der „Entwicklungszusammenarbeit“ beider Länder. Die Dokumente aus dem Erziehungsministerium in Luanda belegen, dass die angolanische Seite sehr stark das Ausmaß der Kooperation bestimmte und sehr genau auf die Erfüllung der Vereinbarungen achtete. Wenn die AngolanerInnen mit etwas unzufrieden waren, etwa mit der Qualifikation der Lehrkräfte, machten sie das immer wieder zum Thema. Kuba habe 1976/77 zunächst nur DozentInnen für die Ausbildung von PädagogInnen entsenden wollen, habe dann aber der angolanischen Forderung nachgegeben, LehrerInnen direkt an die Schulen zu schicken. Damit war Kuba aber überfordert und so entschied man in Havanna, neben ausgebildeten Lehrkräften auch eine Brigade von LehramtsstudentInnen aus dem ersten und zweiten Semester aufzustellen, die in Angola ihr Schulpraktikum absolvierten und begleitenden Unterricht von mitgereisten DozentInnen erhielten. Weil diese Studierenden noch keine qualifizierten Lehrkräfte waren, weigerten sich die AngolanerInnen diese so zu bezahlen wie LehrerInnen und handelte mit der kubanischen Seite aus, dass sie für die Studierenden nur Unterkunft, Verpflegung und das Taschengeld übernehmen musste.

Zum Problem wurden die Geldflüsse aus Angola für die Regierung Kubas insofern, als sie – anders als heute im Fall der kubanischen MedizinerInnen in Venezuela – nicht offen damit umging. Es passte nicht ins Bild des solidarischen Internationalismus, das man zelebrierte und mit dem man sich von der westlichen Entwicklungszusammenarbeit und den „Söldnern Südafrikas“ absetzte. Zudem wollte man nicht, dass die eigenen Freiwilligen, die mit hehren moralischen Argumenten für den Dienst in Angola mobilisiert wurden, mitbekamen, dass der Staat für deren Arbeit vergleichsweise viel Geld bekam.

In der Praxis sah die Bildungskooperation so aus, dass kubanische Lehrkräfte (rund 70 Prozent waren Frauen, was dem Frauenanteil am Lehrpersonal Kubas entspricht) in der Regel zwei Jahre an bestehenden und neu aufgebauten Schulen in Angola unterrichteten.1 Weil es auf angolanischen Wunsch vor allem FachlehrerInnen für Mathematik und Naturwissenschaften waren und weil sie kaum Portugiesisch sprachen, sollten sie eigentlich nur in Sekundarschulen eingesetzt werden, was wegen des großen Lehrkräftemangels aber nicht aufrecht zu halten war, weshalb sie auch in Grundschulen unterrichteten.

Außerhalb ihrer Arbeitszeit lebten die Freiwilligen in eigens für sie errichteten Siedlungen, die häufig an Kasernen der kubanischen Truppen angegliedert waren. Diese Quartiere enthielten nicht nur Unterkünfte, sondern es gab auch Geschäfte, Kinos und Veranstaltungsräume. Seitens der kubanischen Zivilverwaltung in Angola, die die Kooperation abwickelte, war es nicht erwünscht, dass die Freiwilligen die Siedlungen außerhalb der Arbeitszeit verließen. Ebenso wenig hatten AngolanerInnen oder AusländerInnen Zugang.

Aus Furcht, dass KubanerInnen die Zeit in Angola nutzen könnten, um sich abzusetzen, konnten in der Regel nur Einzelpersonen dorthin ausreisen, Bei Paarbeziehungen, in denen die meisten LehrerInnen in Kuba lebten, musste ein Teil stets auf der Insel bleiben. Entsprechend kam es in den kubanischen Siedlungen zu vielfältigen temporären Beziehungen, wofür sich die Bezeichnung „Angolanische Ehe“ durchsetzte. In diesem Zusammenhang diskutiert Hatzky auch die Frage, ob die Unterkünfte der kubanischen Lehrkräfte (70% Frauen) und der Militärs (90% Männer) nicht nur aus Sicherheitsgründen in den gleichen Siedlungen lagen, sondern auch, um den Beteiligten die Befriedigung ihrer emotionalen und sexuellen Bedürfnisse zu erleichtern, zumal Beziehungen mit AngolanerInnen unerwünscht waren (aber wohl durchaus vorkamen).

Die kubanischen Freiwilligen waren in einer komplizierten Rolle. Sie lebten in ihren Enklaven, die bewusst so angelegt waren, dass alles wie zu Hause war. Ihre einzige Beziehung zu Angola war ihre Arbeit. Gleichzeitig wurde im Laufe der achtziger Jahre die militärische Bedrohung immer stärker. Die UNITA griff gezielt kubanische Kooperationsprojekte, darunter Schulen und Krankenhäuser, an. Dabei gab es immer häufiger Tote, vor allem unter den SoldatInnen, aber auch unter den ZivilistInnen. Zwischen 1976 und 1991 starben über 2000 KubanerInnen in Angola.

Der Krieg führte auch zu einem wachsenden Misstrauen. Die UNITA-Propaganda, die KubanerInnen seien „Besatzer“, verfing bei bestimmten Bevölkerungsgruppen durchaus. Auf der anderen Seite sahen manche kubanische LehrerInnen in ihren SchülerInnen plötzlich potentielle UNITA-ZuträgerInnen. Aufgrund dieses Szenarios gaben viele der ehemaligen Freiwilligen an, großes Heimweh gehabt zu haben. Ihre Sicht auf Angola ist überwiegend negativ, obwohl viele auch von positiven Erfahrungen berichteten. Aber insgesamt wurde Angola als fremd, rückständig, arm, machistisch und gewalttätig erlebt. Im Gegenzug wurde die eigene Gesellschaft überhöht, weil alles, was als Defizite Angolas genannt wurde, im eigenen Land überwunden sei. Fast deutsch klingen manche Aussagen über die angolanischen SchülerInnen, die faul und undiszipliniert gewesen seien.

Die negative Sicht der kubanischen Lehrkräfte auf ihre angolanischen SchülerInnen kontrastiert auffällig mit den Aussagen letzterer über ihre LehrerInnen. Fast alle befragten AngolanerInnen äußerten sich positiv über deren pädagogische Fähigkeiten, vor allem diejenigen, die bereits vor der Ankunft der KubanerInnen, also in der Endphase der portugiesischen Kolonialherrschaft, in der Schule waren. Im Gegensatz zu den LehrerInnen aus dem faschistischen Portugal, die einen autoritären Frontalunterricht praktiziert hätten, seien die jungen, hochmotivierten KubanerInnen und ihr dialogischer, kameradschaftlicher Unterrichtsstil eine echte Befreiung gewesen.

In ihren Interviews und weitergehenden Recherchen machte Christine Hatzky die Erfahrung, dass sehr viele der Freiwilligen mit belastenden, teilweise traumatischen Erfahrungen zurückgekehrt waren. Wie so oft bei Auslandseinsätzen – und hier spreche ich nicht nur von Kuba – ist das Heimatland darauf nicht vorbereitet und es gibt keine oder zu wenige Räume, die Erfahrungen zu thematisieren oder zu verarbeiten. In Kuba gilt die Angola-Mission bis heute als Erfolg. Dadurch sei der US-Imperialismus und das südafrikanische Rassistenregime in der Region geschwächt und die Überwindung der Apartheid möglich geworden. Da ist sicher etwas dran, aber wie sieht es mit dem anvisierten Aufbau einer modernen sozialistischen Gesellschaft in Angola aus? Von Sozialismus spricht dort schon lange niemand mehr. Trotz großen Reichtums einer kleinen Schicht leben die meisten AngolanerInnen weiter in Armut. Auch im Bildungswesen ist die Bilanz des kubanischen Engagements enttäuschend. Besuchten zum Ende der portugiesischen Kolonialherrschaft 1975 weniger als 30 Prozent der Kinder eine Schule, waren es 1980 63,7 Prozent. Bereits 1984 war diese Zahl durch Schulschließungen wegen der Ausweitung des Krieges aber wieder auf 37,0 Prozent gesunken, das heißt, der Krieg hat fast alle Fortschritte zunichte gemacht. Krieg und zivile Aufbauhilfe gehen einfach nicht zusammen, vor allem, wenn die zivilen KooperantInnen mit den Militärs kommen. Das galt in den achtziger Jahren in Angola – und das gilt heute in Afghanistan.

Wie aus dem bisher Gesagten unschwer zu erkennen ist, habe ich „Kubaner in Angola“ von Christine Hatzky mit außerordentlichem Gewinn gelesen. Das Buch ist hervorragend recherchiert, die Ansätze und Fragestellungen überzeugen, und was in der akademischen Zunft keineswegs die Regel ist, die Autorin kann gut lesbar schreiben. Gute Gründe dafür, dass die Rezension gut dreimal so lang geworden ist, als es in der ila üblich ist. Dafür gibt es aber noch einen anderen Grund. Normalerweise haben Buchbesprechungen die Funktion, LeserInnen auf Bücher neugierig zu machen und ihnen durch die kritische Darstellung und Diskussion des Inhalts eine Entscheidungshilfe zu geben, ob sie sich den Titel besorgen sollen. Das gilt im vorliegenden Fall nicht, weil das 370-Seiten starke Buch 64,80 Euro kostet und deshalb wohl nur wenige LeserInnen finden wird. Die deutschen Universitäten sollten endlich mal die Veröffentlichung der in ihrem Rahmen entstandenen Arbeiten überdenken. Öffentlich geförderte Studien öffentlich finanzierter Universitäten gehören ins Internet. Parallel dazu könnten im Print-on-demand-Verfahren gedruckte Exemplare für Interessierte und Bibliotheken angeboten werden. Stattdessen werden die WissenschaftlerInnen weiter angehalten, für die Veröffentlichung ihrer Arbeiten zu sorgen und das entweder selbst zu finanzieren oder Zeitaufwand in Anträge zu investieren, um Druckzuschüsse von Stiftungen und Institutionen zu bekommen.
 

Christine Hatzky: Kubaner in Angola, Süd-Süd-Kooperation und Bildungstransfer 1976-1991, Oldenbourg Verlag, München 2012, 370 Seiten, 64,80 Euro

  • 1. Ein ganz eigener Bereich der Bildungskooperation waren die Internatsschulen für Kinder und Jugendliche aus Angola und anderen afrikanischen Ländern auf der kubanischen Isla de la Juventud, denen Hatzky ein eigenes Kapitel widmet, worauf ich aus Platzgründen leider nicht eingehen kann.